Berliner Schulbaureibach: „Wir brauchen von Euch keine günstigen Angebote, sondern möglichst teure.“

Berliner Schulbaureibach: „Wir brauchen von Euch keine günstigen Angebote, sondern möglichst teure.“

Berliner Schulbaureibach: „Wir brauchen von Euch keine günstigen Angebote, sondern möglichst teure.“

Ein Artikel von Ralf Wurzbacher

Im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive haben die zwölf Hauptstadtbezirke inzwischen eifrig neue Kapazitäten geschaffen. Nur die mit ins Boot geholte Landesgesellschaft Howoge kommt nicht aus dem Knick: In sieben Jahren entstand in ihrer Regie noch kein einziger Schulplatz. Dafür geraten die knapp 40 Projekte – so sie denn in geplant acht Jahren fertig würden – mindestens sechsmal so teuer. Das freut Banken, Konzerne und Berater, während die Steuerzahler in die Baugrube gucken. Was Privatisierungen unter einem scheinöffentlichen Deckmäntelchen so alles möglich machen, schildert Carl Waßmuth vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand im Interview mit den NachDenkSeiten. Mit ihm sprach Ralf Wurzbacher.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Herr Waßmuth, wir haben vor zwei Jahren an dieser Stelle über den Stand und die Tücken der sogenannten Berliner Schulbauoffensive (BSO) unter Einbindung der Wohnungsbaugesellschaft Howoge gesprochen. Damals hatte das städtische, privatrechtlich verfasste Unternehmen in fünf Jahren noch kein einziges der geplanten 38 Neubau- und Sanierungsprojekte angepackt, geschweige denn fertiggestellt. Wie stellt sich die Lage heute, sieben Jahre nach dem Startschuss, für die BSO dar?

Die Howoge hat auch heute noch keinen einzigen Schulplatz für den Unterricht übergeben. Mit den Sanierungen will sie 2025 beginnen und 2031 fertig werden. Im Neubau gibt es zwei Vorhaben, bei denen mehr zu sehen ist als ein Bauzaun, das meiste startet auch nicht vor 2025. Wohlwollend geschätzt hat die Howoge derzeit fünf Prozent des Volumens geschafft, das ihr übertragen wurde. Bleibt es bei dem Tempo, dauert es noch 95 Jahre, bis sie fertig ist.

Es geht um insgesamt um 120 Projekte, ein Drittel in Regie der Howoge, der Rest in der Verantwortung der zwölf Bezirke, die den Schulbau in der Vergangenheit immer selbst gestemmt hatten. Eigentlich sollte mit Zutun der Howoge alles schneller, effektiver und dazu noch kostengünstig laufen. Woran hakt es?

Während die Bezirke und das Land losgeplant und losgebaut haben, wurden für das Privatisierungsmodell erst einmal fünf Jahre lang Anwälte und Berater beschäftigt. Vordergründig ging es ja um eine Umgehung der Schuldenbremse. Die Howoge sollte also das Eigentum an den Schulen übertragen bekommen und die Kredite aufnehmen. Die Bezirke mieten in dieser Konstruktion die Schulen zurück. Für die Eigentumsübertragung wurde Erbpacht als Verfahren ausgewählt, mit Laufzeiten von 25 bis 37 Jahren. Dann musste man noch regeln, was das für Schulen sein sollen, jeder Standort ist ja anders. Und es ist noch zu klären, wer die Schulen in dieser Mietphase betreibt und instand hält. Also pro Schule drei bis vier Verträge, macht 120 bis 160 Verträge insgesamt.

Ursprünglich sollten sämtliche Schulen 2027 stehen. Wie weit liegt man jetzt schon außer Plan?

Was die Howoge betrifft, so ist es ausgeschlossen, dass bis 2027 mehr als vier oder fünf Schulen fertig werden. Berlin hat übrigens insgesamt über 800 allgemeinbildende Schulen.

Sie sagten es: Gebaut wurde sehr wohl schon, durch die Bezirke. Was haben die bisher zuwege gebracht?

Die Bezirke waren fleißig und effektiv, auch die Landesbauverwaltung hat gut mitgeholfen. Zusammen wurden bis zu Beginn dieses Schuljahres 33.000 neue Schulplätze geschaffen, im Vorjahr allein 8.000. Wenn die einfach so weitermachen, dann ist das Soll 2027 sicher erfüllt. Ganz ohne die Howoge.

Und zu welchen Kosten?

Bei Land und Bezirken kennen wir die Kosten der ersten 25.000 neu geschaffenen Schulplätze. Die lagen bei insgesamt 907,7 Millionen Euro. Das sind 36.300 Euro pro Schulplatz. Das liegt, sofern eine Sporthalle dabei war, unter dem Bundesdurchschnitt. Also, Hut ab! Bei der Howoge haben wir bisher noch keine Fertigstellung und also auch keine endgültigen Kosten. Aber schon die Kostenprognosen haben es in sich. Bis zum Frühsommer lagen da die Neubaukosten bei 115.000 Euro pro Schulplatz. Jetzt hat der Senat plötzlich den Kreditrahmen der Howoge auf insgesamt 5,6 Milliarden Euro erhöht, für insgesamt 26.000 Schulplätze. Damit kostet ein Schulplatz bei der Howoge, ob Neubau oder Sanierung, 215.000 Euro. Die Summen im Vergleich: Land und Bezirke – 25.000 Schulplätze, 907,7 Millionen Euro. Howoge – 26.000 Schulplätze, 5,6 Milliarden Euro.

Wer alles verdient daran?

Von den Anwälten und Beratern war schon die Rede, die haben das sicher nicht fünf Jahre lang pro bono gemacht. Jetzt kommt die Bauindustrie dazu. Beim ersten Großprojekt, einer Doppelschule mit 1.600 Plätzen, ist das die BAM Deutschland. Die freuen sich sehr, dass die Howoge ein Vielfaches des Bundesdurchschnitts bezahlt. Und als nächstes kommen dann die Banken. Die Nullzinsphase ist vorbei, beim Bauen liegen wir bei Zinsen von fünf Prozent. Und die Kreditverträge können erst geschlossen werden, wenn die Projekte baureif sind, also bei den meisten erst jetzt.

Schulden von 5,6 Milliarden Euro zu fünf Prozent Zinsen, zurückgezahlt über 25 Jahre – das bedeutet noch einmal 4,3 Milliarden Euro für Zinsen. Den Wohnungsbau in Deutschland haben die hohen Zinsen fast völlig abgewürgt. Die Vonovia baut gar nicht mehr. Aber Howoge-Geschäftsführer Ulrich Schiller, der von der Vonovia kommt, legt im Berliner Schulbau jetzt richtig los. Weil nicht die Howoge die teuren Zinsen zahlt, sondern die Steuerzahler.

Steht nicht zu befürchten, dass die Kosten mit jedem Jahr mehr an Verzug weiter in die Höhe schnellen – Stichworte: Inflation, Fachkräftemangel, Krise am Bau?

Schulbau hat etwa das Kostenniveau vom Wohnungsbau. Da gibt es Kostensteigerungen, aber die liegen bei sechs bis acht Prozent pro Jahr, 30 bis 40 Prozent über die letzten fünf Jahre. Wir haben es aber mit einer Steigerung um 460 Prozent zu tun. Außerdem: Die Baukostensteigerungen hätten ja auch die Kosten der Bezirke in die Höhe treiben müssen, haben sie aber nicht. Es liegt vielmehr in der Vertragskonstruktion mit der Howoge, dass hier astronomische Preise aufgerufen werden. Die Howoge darf schlicht jegliche Kosten weiterreichen, die ihr im Schulbau entstehen, und die Bezirke müssen das über die Miete bezahlen. Auch wenn das 50 Euro pro Quadratmeter werden oder 100 Euro.

Geldverdienen leicht gemacht …

Wenn das Howoge-Management ein paar Buddys in der Privatwirtschaft hat, dann könnten die zu denen sagen: Leute, wir haben einen schrägen Vertrag in der Tasche. Wir brauchen von Euch keine günstigen Angebote, sondern möglichst teure. Und wir sorgen dafür, dass Ihr den Zuschlag bekommt. Schmeißt uns dafür ein andermal einen Stein in den Garten. Man muss wissen, dass die Howoge dafür bekannt ist, besonders gut auf der Klaviatur des Vergaberechts spielen zu können. Die erklären auch schon mal ein Wohngebäude zum Forschungsvorhaben, um andere von der Ausschreibung auszuschließen. Im Schulbau haben sie derart große Projekte zusammengeschnürt, dass der Mittelstand nicht anbieten konnte. Und obendrein haben sie so krasse Vorbedingungen gestellt, dass da nur die drei ganz Großen der Bauindustrie anbieten konnten.

Am Anfang taxierte der damalige rot-rot-grüne Senat das Gesamtprojekt auf 5,5 Milliarden Euro.

Und 1,5 Milliarden Euro davon waren für den baulichen Unterhalt über zehn Jahre vorgesehen. Den hätte man sowieso machen müssen. Für Investitionen waren vier Milliarden Euro geplant, davon 2,8 Milliarden für Neubau. Dafür sollten 84.000 Schulplätze neu geschaffen werden. Pro Schulplatz etwas über 33.000 Euro. Diese Annahme entsprach dem damaligen Bundesdurchschnitt und war ganz vernünftig.

Unvernünftig war anzunehmen, man würde 84.000 neue Schulplätze benötigen, das gab der schwache Bevölkerungsanstieg nicht her. Das wurde auch von der Bildungssenatorin schnell um 30.000 nach unten korrigiert, sonst hätten Tausende Lehrkräfte neu eingestellt werden müssen. Aber schon an diesem Punkt hat man das BSO-Volumen nicht mit nach unten korrigiert. Damit stiegen implizit die Kosten pro Schulplatz auf über 50.000.

Wie kann man bei der Bedarfsplanung so danebenliegen?

Wir kennen das von Öffentlich-Privaten Partnerschaften und anderen Privatisierungen, da werden im Vorfeld die Bedarfsermittlungen gefälscht. Bei uns konnte man das vor den Autobahnprivatisierungen beobachten. Überschätzt man die Bedarfe stark, kann man vorher sagen, seht mal, ist das nicht toll, was der Private alles für uns machen wird. Da ist das viele Geld, das er bekommt, gerechtfertigt. Oder man sagt, das ist so viel, das schaffen wir gar nicht ohne Private. Oft wird beides kombiniert. Fallen die Bedarfe dann geringer aus, verlangen die Privaten ihr Geld trotzdem, wie bei den Autobahnen.

In Berlin wurde im betreffenden Jahr die langjährige Prognosemethode geändert. Außerdem wurden die Zahlen der Geflüchteten, die 2015 auch in Berlin Schulplätze bekamen, ohne Abzug in die Zukunft fortgeschrieben. Also hätten 2016, 2017, 2018, 2019, 2020 – und so weiter – jedes Jahr noch einmal so viele hinzukommen müssen wie 2015 und alle hätten auch bleiben müssen. Für den baulichen Bedarf wurden die gefälschten Zahlen aber so lange beibehalten, bis der Rahmenvertrag mit der Howoge unterschrieben war.

Steht also zu erwarten, dass man am Ende mehr baut als eigentlich nötig?

Wir sind jetzt an dem Punkt, wo die Bezirke und das Land ihren Teil an Schulplätzen geschaffen haben. Was sollen die öffentlichen Bauverwaltungen jetzt machen? Sie haben Personal und Knowhow aufgebaut und sie haben schnell und günstig gebaut. Aber den Rest soll ja die Howoge machen. Also entlassen sie die Leute wieder. Oder sie bauen weiter Schulen. Dann kommen wir tatsächlich an den Punkt, wo wir uns fragen müssen: Wie viele Schulplätze brauchen wir? Da beunruhigt mich schon, dass die vielen sogenannten modularen Ergänzungsbauten faktisch Bürogebäudestandards haben.

Also wird irgendwann umgewidmet? Statt für Schüler Plätze für Anwälte …

Es gibt eine Messe namens „Schulbau“ und als die Schulbauoffensive in Berlin groß im Kommen war, kamen Bauindustrie und Ausstatter mit dieser Messe nach Berlin. Ich bin damals hingegangen und am Stand von Goldbeck habe ich etwas Smalltalk gemacht. Goldbeck ist nicht nur groß im Geschäft mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften, sondern auch der einzige Lieferant der modularen Ergänzungsbauten für die Berliner Schulen. Ich habe gefragt, was denn mit den Ergänzungsbauten passieren soll, wenn die Bedarfswelle vorüber ist. Da hat man mir eifrig erklärt, dass die Goldbeck-Schulen ja von vorneherein so angelegt seien, eine spätere Umnutzung zu ermöglichen. Dass da mal Anwälte einziehen, glaube ich nicht, dafür ist das nicht nobel genug. Aber bei der guten innerstädtischen Lage lassen sich trotzdem gute Gewerbemieten erzielen.

Immerhin sind inzwischen die ganzen Verträge zwischen der Howoge, dem Senat und Bezirken gemacht. Müsste es jetzt nicht doch zügiger vorangehen?

Ich denke, dass weiterhin die meisten Howoge-Verträge noch nicht unterschrieben sind. Die Zinsen ändern sich rasant und gleichzeitig fehlen der Howoge vielerorts noch die Grundstücke. Und bei den Sanierungsvorhaben erwartet uns pures Chaos. Das kann die Howoge nicht und von daher wird es dauern. Oder sie reißen ab und bauen neu. Das würde zu ihnen passen. Dauert aber auch.

Je länger das Unterfangen dauert, desto mehr stecken die Profiteure ein. Führt es zu weit, dahinter Kalkül zu wittern?

Ich denke, dass diese Profite von Anfang an so eingepreist waren. Die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers haben das in einem großen Gutachten für den damaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel so vorgezeichnet. Man brauche einen öffentlichen „Intermediär“, der die Vorhaben strukturiert und standardisiert, damit die Risiken für privates Kapital sinken. Es ist die Öffentlichkeit, die das nur salamischeibchenweise mitgeteilt bekommt.

2018 sollte die Howoge eine Milliarde bekommen, das war vor Vertragsunterschrift. Diese Summe stand aber natürlich nicht im Vertrag als Obergrenze! 2020 waren es 1,5 Milliarden. Da hat der Rechnungshof protestiert. Wir haben seinerzeit ausgerechnet, dass es bereits 2,8 Milliarden Euro kosten wird. 2022 waren die Kosten auf 3,4 Milliarden gestiegen und jetzt vermeldet die Tagesschau 5,6 Milliarden Euro, ohne eine einzige Frage dazu zu stellen. So funktioniert das. Dass diese Manipulation der öffentlichen Meinung oft klappt, macht den Skandal aber nicht kleiner.

Eine Privatisierung durch die Hintertür?

Wieso durch die Hintertür? Nur weil die verantwortlichen Akteure – einschließlich der Linken – behauptet haben, das wäre keine Privatisierung? Eine Sache, die aus Steuern bezahlt wird und der öffentlichen Daseinsvorsorge dient, wird so umgestrickt, dass Private Geld anlegen können und die Rendite aus Steuern bezahlt wird. Das nennt man Privatisierung. Es ist kein sofortiger Verkauf der Schulgebäude, weil die Howoge weiter dem Land gehört. Aber auch eine formelle Privatisierung ist eine Privatisierung. Statt der öffentlichen Verwaltung bekommt eine privatrechtliche GmbH die volle Verfügungsgewalt. Das Eigentum an den Schulen und Schulgrundstücken wird an diese GmbH abgegeben. Und ob man das alles so wiederbekommt, wie man sich das vorstellt, ist ungewiss. Auch die Planung und die Vergabe werden privatisiert. Und natürlich gibt es die Privatisierung der Finanzierung, statt Landesanleihen zu relativ geringen Zinsen werden private Kredite zu hohen Zinsen aufgenommen.

Als die CDU noch die Oppositionsbank drückte, wetterte sie gegen „Knebelverträge“. Wie verhält sie sich heute nach der Machtübernahme und im Regierungsboot mit der SPD?

Mit Manja Schreiner von der CDU, jetzt Verkehrssenatorin, hatten wir uns früher sogar vor Aktionen und Pressemeldungen abgestimmt. Das war zu der Zeit, als sie noch Verbandschefin der mittelständischen Bauunternehmen hier war. Frau Schreiner fand das Modell extrem schädlich und widersinnig. Und nur dank einer parlamentarischen Anfrage der CDU wissen wir, was der öffentliche Schulbau bisher gekostet hat. Jetzt muss die CDU zeigen, dass sie rechnen kann: So viel kostet es öffentlich … und so viel bei der Howoge. Und dann Konsequenzen ziehen. Wir finden allerdings, dass die CDU schon ganz schön lange rechnet.

Hätte der neue Senat die Verträge kündigen können? Und drohen hier nicht immense Regressforderungen?

Genau und jetzt komme ich auf den Punkt, dass es angeblich kein Verkauf der Schulen war. Wenn das so ist, dann kann jeglicher Vertrag zwischen Land, Bezirken und Howoge ohne Regress und mit sofortiger Wirkung aufgehoben werden, denn die Howoge gehört ja dem Land. Man muss nur sagen, das wollen wir jetzt nicht mehr. Sollte sich herausstellen, dass die Howoge wiederum so weitreichende Verträge eingegangen ist, dass die ohne Regress nicht gekündigt werden können – was ist dann mit dem anfänglichen Versprechen, dass es kein Verkauf, keine materielle Privatisierung war?

Aber man sollte die Verträge trotzdem kündigen, nur so kommen die aus den Löchern, die hier abkassieren wollen. Und was ein Gericht dazu sagt, wenn herauskommt, dass Gewinne im Bereich des Sechsfachen der tatsächlichen Baukosten vereinbart wurden, ist noch offen. Vielleicht zeigt sich auch, dass Gesetze nicht eingehalten wurden. Auch bei den Krediten ist ein schnelles Kündigen viel besser als 25 bis 37 Jahre teure Zinsen zu zahlen.

Eine Frage noch zur abgewählten Linkspartei, die das Projekt in Regierungsverantwortung federführend forciert hatte. Ist von der Seite ein Umdenken erkennbar?

Die Leute, die heute bei der Linkspartei aktiv sind, auch im Abgeordnetenhaus, müssen sich der Einsicht stellen, dass sie belogen worden sind. Und dass sie Lügen Glauben geschenkt haben. Das ist immer schmerzlich, privat ebenso wie politisch. Aber ohne diesen Schritt kann die Linkspartei zur Milliarden-Euro-Kostenexplosion keine Oppositionspolitik machen, die den Namen verdient. Übrigens: Wieso sollte man die Lügen anderer Leute perpetuieren, nur weil man einmal daran geglaubt hat?

Sicher gibt es auch ein einige in der Linkspartei, die schon damals aktiv mitgelogen haben. Sich mit denen auseinanderzusetzen, würde der Partei bestimmt gut tun. Aber es würde auch schon einmal helfen, diese Leute zu bitten, angesichts der desaströsen Mehrkosten einfach mal still zu sein und die Aufklärung nicht zu behindern. Jetzt müsste es parlamentarische Anfragen hageln! Auch ein Untersuchungsausschuss wäre nötig, das ist zwar ein sehr stumpfes Schwert, aber ein schärferes hat der Parlamentarismus derzeit nicht.

Immerhin wäre da noch der Druck der Straße.

Ja, richtig. Aber dafür müssten die Menschen zunächst einmal verstehen, was passiert. Ich möchte gerne etwas pathetisch schließen: Wir versuchen hier, zu einem großen Skandal aufzuklären. 4,6 Milliarden vergeudete Euro, das sind 100.000 Jahresgehälter, die dem öffentlichen Dienst künftig fehlen. Oder 130.000 Schulplätze zu üblichen Preisen, die nun nicht gebaut werden können. Oder 230.000 Schulplätze, die nun nicht saniert werden können. Oder 250.000 Grundeinkommen. Oder die Jahresmiete von 500.000 Menschen. Oder im globalen Maßstab das Jahreseinkommen von zwei Millionen Menschen in Indien. Sie werden keinen Orden bekommen für Ihre Fragen und ich keinen für meine Antworten. Und die NachDenkSeiten keinen dafür, dass sie Interviews zu diesem Thema veröffentlichen.

Aber vielleicht bleibt einigen Menschen, die das hier lesen, im Gedächtnis, dass unser Geld auf diese Art zu den Reichsten der Welt gelangt ist. Und wenn die Frage dringender wird, woher das Geld zu Sanierung und Ausbau der Daseinsvorsorge kommen soll und woher das Geld für den Klimaschutz, dann werden vielleicht mehr Menschen der Auffassung zustimmen, dass dazu Geld zurückgeholt werden muss, Geld, das die Milliardäre dieser Welt sich über die Privatisierung unserer Daseinsvorsorge angeeignet haben. Und das ihnen nicht zusteht.

Wir von Gemeingut finden, dass ein erster Schritt zur Finanzierung der Daseinsvorsorge in Deutschland die Wiedereinführung der Vermögenssteuer wäre. Wer sich für diese Fragen interessiert, kann unseren Infobrief abonnieren: Da werden wir in den nächsten Monaten darüber informieren, was helfen kann, diese Forderung in den nächsten Bundestagswahlkampf zu bringen. Außerdem gibt Gemeingut zum Schulbau Berlin ein Magazin heraus, die nächste Ausgabe erscheint in zwei Wochen und kann hier gratis bestellt werden: [email protected].

Titelbild: shisu_ka/shutterstock.com

Zur Person: Carl Waßmuth, Jahrgang 1969, ist Bauingenieur und Infrastrukturexperte. Er ist Mitbegründer, Vorstandsmitglied und Sprecher beim Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) gemeingut.org, der sich für die Demokratisierung aller öffentlichen Institutionen, insbesondere der Daseinsvorsorge, und für die gesellschaftliche Verfügung über Güter wie Wasser, Bildung, Mobilität und Gesundheit einsetzt.

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