El Salvador – Ein Land mit großen Visionen und sehr einseitiger Berichterstattung in deutschen Medien

El Salvador – Ein Land mit großen Visionen und sehr einseitiger Berichterstattung in deutschen Medien

El Salvador – Ein Land mit großen Visionen und sehr einseitiger Berichterstattung in deutschen Medien

Ein Artikel von Ralf Berger

Ich habe vor vier Monaten einen Artikel auf den NachDenkSeiten zum Thema Entwicklung von El Salvador geschrieben. Es ging dabei um die Einführung von Bitcoin als legales Zahlungsmittel und die daraus resultierende negative deutsche Berichterstattung. Seit meinem Artikel hat sich leider nichts an der grundlosen negativen deutschen Berichterstattung geändert. Von Ralf Berger.

Negative deutsche Berichterstattung

Die Tagesschau bezeichnet beispielsweise das Bitcoin-Experiment bereits in der Überschrift als „Ein großer Betrug“.

Es wird im Artikel die Ökonomin Tatjana Marroquin zitiert: „Aus welchem Grund kauft ein Land eine solch schwankende Währung? Er (Präsident Bukele) ist seinem Volk verpflichtet, könnte mit dem Geld das Leben der bedürftigsten Menschen im Land wesentlich verändern, älteren Menschen helfen oder Frauen in einer Situation der Armut.“ Es wird nicht erwähnt, dass Frau Marroquin, gefördert von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, für die Oppositionspartei FMLN gearbeitet hat. Die FMLN stellte von 2009 bis 2014 den Präsidenten. In dieser Zeit wurde El Salvador zum gefährlichsten Land der Erde. Es wird eine Ökonomin mit engen Verbindungen zur inzwischen marginalisierten Opposition interviewt und dies dem Tagesschau-Leser vorenthalten.

Das Zitat „Ein großer Betrug“ wird einer Einheimischen, die ein kleines Restaurant betreibt, in den Mund gelegt. Anscheinend hat man weder einen namhaften Ökonomen noch einen Oppositionspolitiker gefunden, den man so hätte zitieren können.

Betrug ist das Täuschen, Irreführen oder Hintergehen einer anderen Person. Die Regierung Bukele hat Bitcoin transparent als zusätzliche Landeswährung eingeführt, gekauft und akzeptiert die damit verbundenen Kursschwankungen. Man kann dies positiv Investieren oder negativ Spekulieren oder auch Zocken nennen. Ein Betrug ist es nach gängiger Definition nicht, weil keine Irreführung des Parlaments oder der Bevölkerung stattgefunden hat. Man muss von Journalisten erwarten können, dass sie die Bedeutung von Wörtern kennen.

Die dritte zitierte Persönlichkeit ist Leonor A. Selva Flores. Sie hat laut ihrem LinkedIn-Profil einen Bachelor in Recht und gerade ein Jahr Wirtschaftwissenschaften in Großbritannien studiert. Es bleibt die Frage im Raum, warum kein Ökonom gefunden wurde, um dieses Währungsexperiment sachgerecht zu kommentieren. Der Grund könnte der aktuelle Erfolg der Bitcoin-Strategie sein.

Bitcoin in El Salvador

Die Fakten zur Bitcoin-Einführung sind folgende:

El Salvador hat vier Prozent seiner nationalen Reserven genutzt, um im Jahr 2022 2.301 Bitcoins zu kaufen. Dafür hat das Land 103 Millionen US-Dollar gezahlt. Die Regierung kaufte somit zum Preis von knapp 45.000 Dollar pro Bitcoin. Dies resultiert aktuell in einem Bewertungsverlust von etwa 45 Millionen US Dollar. Die Einführung der staatlichen Bitcoin-Chivo-App hat ebenfalls bis zu 75 Millionen US Dollar gekostet. Diese App installiert man auf seinem Handy, bekommt dafür eine elektronische Brieftasche und kann dann mit Bitcoin bezahlen. Die Frage stellt sich: Warum sollte der Bitcoin ein Erfolg sein, wenn die Regierung mindestens 110 Millionen US-Dollar in den Bitcoin „versenkt“ hat? Ganz einfach, weil Bitcoin auch diverse Vorteile für El Salvador bringt.

Die deutsche Wirtschaftswoche hat ermittelt, dass fast sechs Milliarden Dollar pro Jahr von im Ausland lebenden Salvadorianern in die Heimat gesendet werden. Die Zahlungen machen laut Angaben der Weltbank mehr als 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Das meiste Geld wird traditionell mit Dienstleistern wie Western Union gesendet, die dafür hohe Gebühren verlangen. Laut Bukele sind es pro Jahr insgesamt 400 Millionen Dollar Gebühren.

400 Millionen Dollar weniger Transaktionsgebühren könnten somit in das BIP von El Salvador fliessen, wenn das Lightening-Netzwerk von Bitcoin für alle amerikanischen Transaktionen genutzt werden würde. Dies entspricht über ein Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung von El Salvador und könnte in dessen Wirtschaft weitere positive Multiplikationseffekte erzeugen.

In der Realität läuft die Verwendung von Bitcoin natürlich nur sehr langsam an. Viele Menschen verstehen nicht, wie man technisch solch eine Transaktion umsetzt, oder sie trauen Bitcoin nicht mit ihrem hart erarbeiteten Geld. Die Zentralbank El Salvadors hat zugegeben, dass nur 1,9 Prozent der Zahlungen zwischen September 2021 und April 2022 durch Bitcoin ersetzt wurden. Dies wären nur etwa sieben Millionen US-Dollar Ersparnis in acht Monaten. Die Nutzung des Bitcoins steigt rasant und wird daher in naher Zukunft eher noch höhere Ersparnisse erzielen können.

El Salvador hat die Einführung von Bitcoin als Marketinginstrument genutzt. Der Tourismus in El Salvador ist um 50 Prozent auf zwei Millionen Besucher aus Europa und USA gestiegen. Dies ist ein Anstieg um etwa 700.000 Touristen, die im Durchschnitt etwa 1.000 Dollar ausgeben, was etwa 700 Millionen Dollar zusätzliche Devisen pro Jahr ins Land bringt. Es ist schwierig zu differenzieren, ob die steigenden Touristenzahlen auf die steigende Sicherheit oder die Bitcoin-Einführung zurückzuführen sind. Laut Wikipedia wollen aber Honduras und Guatemala ebenfalls lokale „Bitcoin Hubs“ eröffnen und bewerben. Dies ist ein Indikator, dass Bitcoin zumindest Teil des Tourismus-Booms ist.

El Salvador möchte mit Bitcoin auch in nachhaltige Energieerzeugung investieren. Hierfür wurde die Firma Vulanco Energy gegründet. Sie will mit Solar- und Windenergie eine große Bitcoin-Mining-Anlage in El Salvador bauen, welche auch das Stromnetz sicherer und den Strom günstiger machen soll. Die erste Finanzierungsrunde über 250 Millionen Dollar wurde erfolgreich abgeschlossen. Dies wird das erste Unternehmen in El Salvador mit über einer Milliarde Marktkapitalisierung werden. Der Staat El Salvador wird 23 Prozent der Anteile an diesem neuen Unternehmen halten. Allein diese Unternehmensbeteiligung wird somit einen Wert von mindestens 230 Millionen US-Dollar haben, was die bisherigen 110 Millionen US-Dollar Bitcoin-Verluste deutlich übersteigt. Leider schaffte es keine dieser Informationen in einen Tagesschau- oder ZDF-online-Artikel.

Umfragen in El Salvador

Laut Tagesschau-Artikel sind 80 Prozent aller Menschen in El Salvador gegen den Bitcoin. Laut Wikipedia hat die Regierung Bukele aber ansonsten überragende Umfragewerte von über 90 Prozent. Sie ist nach Umfragen die aktuell beliebteste Regierung der Welt.

Wie passt es zusammen, dass die Regierung laut Umfragen extrem beliebt ist, aber ihr wichtigstes Wirtschaftsprojekt, die Einführung von Bitcoin, angeblich 80 Prozent Ablehnung erfährt?

Kurz gesagt, die 80 Prozent behauptete Ablehnung in der Tagesschau ist im Lichte der wirtschaftlichen Zahlen sehr unwahrscheinlich. ZDF und Tagesschau verschweigen in allen Artikeln die exzellenten Umfrage-Werte der Regierung Bukele, um der Meinungsmache gegen den Bitcoin nicht den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Endgültig ins Märchenland gleitet der Tagesschau-Artikel mit der Behauptung: „Zudem hat El Salvador eine der höchsten Mordraten der Welt.“

Bereits 2021 war El Salvador mit 18,2 jährlichen Morden auf 100.000 Personen nur noch auf Platz 15 der gefährlichsten Länder. Mit der Senkung der Mordrate auf 7,8 im Jahr 2022 dürfte El Salvador nicht mal mehr in den „Top 20“ sein. Die Mordrate ist seit dem Antritt der Regierung Bukele um 95 Prozent gefallen, sie sinkt seit über sieben Jahren kontinuierlich. Dies ist der Tagesschau leider keine Zeile wert.

Als informierter Leser fragt man sich: Wem nützt diese negative deutsche Berichterstattung? Warum wird ein Land, dass die Mehrheit der Deutschen nicht auf der Landkarte finden würden, mit so viel Kritik überzogen?

Ökonomische Situation in El Salvador

Das amerikanische Nachrichtenmagazin Bloomberg musste ebenfalls zugeben, dass die ökonomische Situation von El Salvador sich viel positiver entwickelt hat als erwartet. Das Nachrichtenmagazin hat erst nach einer Aufwertung der salvadorianischen Staatsschulden um über 70 Prozent (mittlerweile 90 Prozent) seine negative Berichterstattung eingestellt.

Die Aufholjagd El Salvadors an den internationalen Kapitalmärkten lässt sich am einfachsten an den Zinsspreads auf ihre Staatsanleihen nachverfolgen. El Salvador hat vor einem Jahr noch bis zu zehn Prozent mehr Zinsen auf seine Staatsanleihen zahlen müssen als die Steueroase der Bahamas. Dieser Zinsunterschied ist, Stand heute, fast ausradiert, was eine beispiellose wirtschaftliche Aufholjagd darstellt. Die ganze Welt zahlt mehr Zinsen als vor einem Jahr. El Salvador ist vielleicht das einzige Land der Erde, welches seinen Dollar-Kapitalmarktzins von 24 Prozent auf 14 Prozent gesenkt hat.

Der Länderreport der Investmentbank JP Morgan ist faktenorientierter als die Tagesschau. Sie berät mit diesen Berichten reiche Kunden. In einem Satz zusammengefasst: El Salvador weist fallende Inflationsraten, eine positive Entwicklung bei den Staatsfinanzen und eine starke Wirtschaftsentwicklung vor. Diesen Länderreport hat Präsident Bukele selbst auf X (früher Twitter) geteilt. Die Leser der NachDenkSeiten, welche über gute Englischkenntnisse verfügen, können sich somit ein eigenes Bild machen.

Die Tagesschau wehrt sich, die Fakten anzuerkennen und ihren Zwangsgebührenzahlern mitzuteilen. Die alten Artikel werden nicht durch neue Erkenntnisse und Entwicklungen korrigiert. Beispiele: Im Bitcon-Fieber in den Staatsbankrott, El Salvadors Präsident zockt mit seinem Land.

Meine Kritik am Bitcoin-Experiment

Die Tagesschau und das ZDF scheinen trotz mehrerer publizierter Artikel nicht zu qualifizierter Kritik am Bitcoin-Experiment imstande zu sein. Meine Bedenken möchte ich den Lesern der NachDenkSeiten aber nicht vorenthalten.

Zuerst möchte ich sagen: In Zeiten, in denen Reiche immer reicher werden, Banken „gerettet“ und Griechenland in die Armut getrieben wurden, ist die Suche nach einem alternativen Geldsystem eine ehrenwerte Aufgabe. Man sollte daher als Linker nicht zu negativ über den Versuch einer Alternative urteilen und auch die Sorgen und Nöte der Menschen verstehen, welche sich an solch einem riskanten Projekt versuchen.

Trotzdem sollten die Risiken nicht verschwiegen werden. El Salvador hat eine Staatsverschuldung von 82 Prozent. Die Bitcoin-Strategie wird vom Internationalen Währungsfonds kritisiert:

Sollten sich die wirtschaftliche Entwicklung verlangsamen und die Schulden fällig werden, könnte dies zum Staatsbankrott führen, da El Salvador ausschliesslich in Dollar und Euro verschuldet ist. Dies ist somit eine Fremdwährung für El Salvador. Die Option „Geld drucken“ und Schulden weginflationieren hat El Salvador nicht mehr.

Der IWF wüsste, dass bei einem Hilfskredit sofort eine Kapitalflucht in den Bitcoin stattfinden würde. Daher würde er wahrscheinlich nicht helfen und lieber einen Staatsbankrott in Kauf nehmen.

Es ist somit höchst fraglich, ob Anschlussfinanzierungen in einem schwierigeren Zinsumfeld möglich wären. El Salvador ist jetzt dazu verpflichtet, seine Ausgaben weitgehend durch laufende Einnahmen zu decken. In einer längeren Rezession kann dies zu einem Teufelskreis aus Kürzen, Rezession, noch mehr Kürzen, Depression und schlussendlich Staatsbankrott führen.

Gegenbeispiel Argentinien

Im Gegensatz zu El Salvador hat Argentinien im Jahr 2022 mit dem „Hilfspaket“ des Internationalen Währungsfonds einen Pakt mit dem Westen (und vielleicht auch mit dem Teufel) geschlossen. Argentinien brauchte eine weitere Finanzspritze von 7,5 Milliarden US-Dollar. Dafür wurde der Druck auf Banken und Krypto-Anbieter erhöht. Sie dürfen keine Transaktionen in Dollar, Bitcoin oder anderen Kryptowährungen mehr verarbeiten. Der Erwerb von US-Dollar wurde ebenfalls auf 200 Dollar monatlich pro Kopf gedeckelt, um die Kapitalflucht zu bremsen.

Die Menschen in Argentinien sind mittlerweile so von der Hyperinflation geplagt, dass sie im ersten Wahlgang mit 32 Prozent den „Bitcoiner“ Javier Milei mit seiner radikalliberalen Partei „Avanza Libertad“ als Führenden der Präsidentschaftswahl gewählt haben.

Die Hyperinflation sorgt, wie so häufig in der Geschichte, für einen Rechtsruck in Argentinien. Der Ökonom Javier Milei, Sohn eines Busfahrers, verharmlost die Verbrechen der Militärdiktatur, will das Waffenrecht lockern, Abtreibungen stark einschränken, Sozialleistungen kürzen und die Zentralbank abschaffen. Er plant, die Zentralbank Argentiniens mit US-Dollar und Bitcoin zu ersetzen.

In vier Wochen wird in Argentinien ein neuer Präsident gewählt. Man wird sehen, ob der exzentrische Ökonom Javier Milei eine Chance haben wird. Im Februar 2024 wird in El Salvador ebenfalls über die Wiederwahl der Regierung Bukele entschieden. Die Menschen in diesen beiden Ländern haben eine wirkliche Wahl vor sich. Sie können den traditionellen, westlichen Fiat-Geld- oder einen alternativen Hartgeld-Weg beschreiten.

Nichts ist wichtiger in einer Demokratie, als eine wirkliche Wahl zu haben. Wenn nur noch Politikdarsteller mit nahezu identischen Ansichten ausgetauscht werden, verliert die Mehrheit der Menschen das Interesse. Politik wird dann zur Sache einer kleinen Elite, die häufig Politik in ihrem Sinne macht.

Nur wer argumentiert und sich engagiert, ist wahrhaftig emanzipiert. In El Salvador und Argentinien streiten die Menschen wieder über die Richtung ihres Landes am Küchentisch, in den Cafés und bei öffentlichen Veranstaltungen.

Beide Länder haben schwere Zeiten hinter sich und schwierige Wahlen vor sich. Ich wünsche den Menschen in den Ländern El Salvador und Argentinien für die bevorstehenden Wahlen alles Gute. Mögen sie ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und die beste Wahl für ihre Länder treffen.

Titelbild: Shutterstock / Ink Drop