Gefährdet Strafanzeige gegen Merz wegen „Aufstachelung zum Angriffskrieg“ dessen Kanzlerschaft?

Gefährdet Strafanzeige gegen Merz wegen „Aufstachelung zum Angriffskrieg“ dessen Kanzlerschaft?

Gefährdet Strafanzeige gegen Merz wegen „Aufstachelung zum Angriffskrieg“ dessen Kanzlerschaft?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Der Schauspieler Dieter Hallervorden hat gemeinsam mit dem früheren Koordinator im Bundeskanzleramt, Albrecht Müller, dem langjährigen UN-Diplomaten Michael von der Schulenburg sowie weiteren Künstlern, Journalisten und Politikern Strafanzeige beim Generalbundesanwalt gegen Bundeskanzler Friedrich Merz eingereicht. Der Vorwurf lautet unter Verweis auf § 80a StGB, der Kanzler hätte mit seiner Aussage, Israel würde mit seinem völkerrechtswidrigen Angriff gegen den Iran „die Drecksarbeit für uns alle“ machen, zu einem Angriffskrieg aufgestachelt. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund unter anderem wissen, ob der Kanzler hat prüfen lassen, inwieweit diese Strafanzeige für ihn gefährlich werden könnte und wie er es bewertet, dass normale Bundesbürger für sehr ähnliche Aussagen bereits verurteilt worden sind. Von Florian Warweg.

Hintergrund

„Herr Merz, der vor seiner Tätigkeit als Bundeskanzler Aufsichtsratsvorsitzender des weltgrößten Rüstungsinvestors BlackRock gewesen war, hat am 17. Juni 2025 am Rande des G-7-Gipfels in Kanada den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Israels auf den Iran mit den Worten beschönigt: „Das ist die Drecksarbeit, die Israel für uns alle macht.“

Auch wenn der Ort seiner Aussage im Ausland liegt, was strafrechtlich keine unmittelbare Wirkung hätte, ist sie vor allem auf die Wirkung in Deutschland ausgelegt. Wenn ein deutscher Regierungschef in seiner Vorbildfunktion meint, derart offen und öffentlich gegen Art. 26 verstoßen zu dürfen, könnten sich künftig noch mehr Menschen in Deutschland ermutigt fühlen, Angriffskriege zu propagieren. Auch darum ist ihm rechtlich und publizistisch Einhalt zu gebieten.

Wir fordern darum den Generalbundesanwalt und die Staatsanwaltschaft Berlin auf, strafrechtliche Schritte gegen den Bundeskanzler einzuleiten.

Unter anderem begründet das Strafgesetzbuch in Paragraph 80 A das „Aufstacheln zu einem Angriffskrieg“ mit „gesteigerten, auf die Gefühle des Adressaten gemünzten propagandistischen Anreizen“. Das dürfte – sowohl in Bezug auf die deutsche Öffentlichkeit als auch die leidende Bevölkerung im Iran, im Libanon und in Gaza – insbesondere bei einem Bundeskanzler in hervorgehobener Wirkung – gesehen werden. Durch den Zusatz „für uns alle“ bei der sogenannten „Drecksarbeit“ ist der Verstoß auch in enger juristischer Auslegung gegeben.“

So lautet einführend die Strafanzeige gegen Kanzler Merz. Neben den bereits genannten Unterzeichnern unterstützten über zwei Dutzend weitere Persönlichkeiten wie der deutsche Musikproduzent und Politiker Dr. Diether Dehm, die Publizistin Dr. Sabine Kebir, der Journalist Patrik Baab, der BSW-Politiker Andrej Hunko, der Komponist und Musiker Tino Eisbrenner sowie der Kabarettist Uwe Steimle die Strafanzeige und haben diese ebenfalls erstgezeichnet (der komplette Wortlaut der Strafanzeige sowie die Liste der Erstunterzeichner findet sich hier).

Parallelen bei den Aussagen des Kanzlers zu bereits erfolgten Verurteilungen von Bundesbürgern wegen „Billigung eines Angriffskrieges“

Es gibt derzeit zahlreiche Fälle von Personen in Deutschland, die für Aussagen, die denen des Kanzlers sehr ähneln, „wegen Billigung eines Angriffskriegs“ verurteilt worden sind. Beispielhaft sei auf das Urteil des Amtsgerichts Köln vom Juni 2023 gegen eine ukrainische Staatsbürgerin verwiesen. Diese wurde in erster Instanz wegen Billigung des russischen Angriffskriegs verurteilt, weil sie in einem TV-Interview am Rande einer Demonstration anlässlich des 8.-Mai-Gedenkens 2022 erklärt hatte, „Russland ist kein Aggressor“ und das Vorgehen Moskaus sei „alternativlos“ gewesen.

Das Gericht erklärte in seiner Urteilsbegründung, die Frau hätte mit den zitierten Aussagen den Krieg „für andere wahrnehmbar gutgeheißen und befürwortet“ und die Äußerungen seien damit geeignet, „den öffentlichen Frieden zu stören“.

Screenshot Welt Artikel 'Frau in Köln wegen Billigung des russischen Angriffskriegs verurteilt'

Ebenso könnte man an den Strafbefehl des Berliner Amtsgerichts Tiergarten erinnern. Das Amtsgericht hatte den bekannten Berliner Friedensaktivisten Heiner Bücker zu einer vierstelligen Geld- oder ersatzweise 40-tägigen Haftstrafe verurteilt. Sein Vergehen? Er hatte bei einer Rede anlässlich des 81. Jahrestages des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 2022 am Ehrenmal in Berlin-Treptow Folgendes erklärt:

„Wir müssen offen und ehrlich versuchen, die russischen Gründe für die militärische Sonderoperation in der Ukraine zu verstehen und warum die überwiegende Mehrheit der Menschen in Russland ihre Regierung und ihren Präsidenten darin unterstützen.

Ich persönlich will und kann die Sichtweise in Russland und die des russischen Präsidenten Wladimir Putin sehr gut nachvollziehen.

Ich hege kein Misstrauen gegen Russland, denn der Verzicht auf Rache gegen Deutsche und Deutschland bestimmte seit 1945 die sowjetische und danach auch die russische Politik.“

Mit diesen Aussagen stimme Bücker, so die Argumentation des Gerichts, „dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine“, um dessen Rechtswidrigkeit er wisse, zu, und seine Darlegung hätte zudem „das Potential, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern und das psychische Klima in der Bevölkerung aufzuhetzen“. 

Die direkten inhaltlichen Parallelen zu den billigenden Äußerungen des Kanzlers hinsichtlich des Angriffskriegs gegen den Iran und dessen angeblicher Alternativlosigkeit sind offensichtlich:

„Drecksarbeit, die Israel für uns alle macht.“

„Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen.“

„Wir hätten sonst möglicherweise Monate und Jahre den Terror dieses Regimes gesehen – und dann möglicherweise noch mit einer Atomwaffe in der Hand.“

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 25. Juni 2025

Frage Warweg
Der Schauspieler Dieter Hallervorden hat gemeinsam mit dem ehemaligen Koordinator im Bundeskanzleramt Albrecht Müller, dem langjährigen UN-Diplomaten Michael von der Schulenburg sowie weiteren Künstlern, Journalisten und Politikern Strafanzeige beim Generalbundesanwalt gegen Bundeskanzler Friedrich Merz eingereicht. Der Vorwurf lautet unter Verweis auf § 80a StGB, der Kanzler hätte unter anderem mit seiner „Drecksarbeit“-Aussage zu einem Angriffskrieg aufgestachelt. Ich gehe einmal davon aus, dass der Kanzler hat prüfen lassen, inwieweit diese Strafanzeige für ihn gefährlich werden könnte. Was war denn das Ergebnis dieser Prüfung durch seinen Beraterkreis? Sieht er der Anzeige eher gelassen entgegen, oder könnte die eine Gefährdung für seine Kanzlerschaft darstellen, Herr Meyer?

Vize-Regierungssprecher Meyer
Wir haben insbesondere Medienberichte darüber zur Kenntnis genommen. Darüber hinaus habe ich dazu nichts mitzuteilen.

Zusatzfrage Warweg
Jetzt gibt es zahlreiche Fälle von Personen in Deutschland, die für Aussagen, die denen des Kanzlers sehr ähneln, wegen Billigung eines Angriffskriegs verurteilt worden sind. Beispielhaft sei auf das Urteil des Amtsgerichts Köln vom Juni 2023 gegen eine ukrainische Staatsbürgerin verwiesen. Diese wurde wegen Billigung des russischen Angriffskriegs verurteilt, weil sie in einem TV-Interview erklärt hatte, Russland sei nicht der Aggressor, und das Vorgehen Russlands sei alternativlos gewesen. Die direkten inhaltlichen Parallelen zu den billigenden Äußerungen des Kanzlers zum israelischen Angriffskrieg sind ja relativ offensichtlich. Da würde mich interessieren, wieso aus Sicht des Kanzlers seine Äußerung, Israel mache die Drecksarbeit für uns, und dieser israelische Angriff sei alternativlos gewesen, sozusagen nicht strafbewehrt ist, aber eine sehr ähnliche Billigung von Otto Normalbürgern schon. Das könnte ja unter Umständen auch zu der Wahrnehmung führen, Politiker seien unangreifbar, und der kleine Mann werde strafrechtlich verfolgt. Wie sieht der Kanzler das denn?

Meyer
Sie haben jetzt ganz schön viel in die Frage hineingepackt, ich glaube, auch eine Reihe von Wertungen, Deutungen, Annahmen und Theorien, die ich pauschal zurückweise. Ich will in dem Kontext, weil ich das, was Sie dargestellt haben, im Einzelnen nicht bewerten kann, aber schon noch einmal sagen, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland selbstverständlich ein wahnsinnig hohes Gut ist und dass sich diese Bundesregierung zu 100 Prozent für den Erhalt dieses hohen Guts einsetzt.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 25.06.2025

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