Vor dem Hintergrund der Aussage des Leiters des Führungsstabs des Bundesministers der Verteidigung, Generalmajor Christian Freuding, der von Kiew aus via ZDF erklärt hatte, „wir“ bräuchten Waffensysteme, die „in die Tiefe des russischen Raumes reichen“, um dortige Führungseinrichtungen zu attackieren – wollten die NachDenkSeiten unter anderem wissen, wen einer der ranghöchsten deutschen Militärs mit „wir“ meint und was diese Aussage für den Status als Kriegspartei bedeutet. Zudem kam die Frage auf, wieso die Bundesregierung, angesichts von acht Millionen durch Deutsche getöteten russischen Zivilisten im Zweiten Weltkrieg, darunter auch der Bruder des aktuellen russischen Präsidenten, nicht mehr verbale Zurückhaltung übt. Von Florian Warweg.
Hintergrund
Generalmajor Christian Freuding ist derzeit Leiter des Planungs- und Führungsstabs des Bundesministers der Verteidigung sowie des Sonderstabs Ukraine und wird ab September 2025, auf expliziten Wunsch von Verteidigungsminister Boris Pistorius, den Posten des Inspekteurs des Heeres übernehmen. Der General, der gerne im Namen von uns allen („wir“) Führungseinrichtungen in der „Tiefe des russischen Raumes“ angreifen will (die NachDenkSeiten berichteten), wird dann der oberste truppendienstliche Vorgesetzte der Teilstreitkraft Heer der Bundeswehr sein.
Freuding ist übrigens derselbe General, der sich am 8. Mai 2025 im Rahmen eines offiziellen Besuches mit dem Asow-Kommandeur Oleg Romanow traf und mit diesem in Felduniform für ein Foto posierte. Romanow und dessen Einheit, die 3. Separate Sturmbrigade, sind dafür bekannt, regelmäßig die Waffen-SS-Division „Galizien“ zu verherrlichen. Auf seinem Instagram-Kanal stellt Romanow bis heute völlig offen seine Tattoos mit NS-Referenzen zur Schau, unter anderem die von der Waffen-SS propagierte Schwarze Sonne, die aus drei übereinandergelegten Hakenkreuzen besteht.
Als Erster auf dieses offizielle Treffen eines der ranghöchsten deutschen Generäle mit einem bekannten ukrainischen Rechtsextremen hatte damals der ukrainische Oppositionspolitiker und Politik-Blogger Anatolij Scharij am 11. Mai mit folgenden sarkastischen Worten aufmerksam gemacht:
„Der deutsche Generalmajor Christian Freuding posiert mit dem Asow-Kommandeur Oleg Romanov, der dafür bekannt ist, Totenkopfabzeichen der SS zu tragen. Die Deutschen sind bewundernswert.“
German Major General Christian Freuding poses with Azov commander Oleg Romanov, who is known for wearing SS-Totenkopf patches. The Germans are admirable pic.twitter.com/WXcJMzpVPr
— Anatolij Sharij (@anatoliisharii) May 11, 2025
Von den NachDenkSeiten auf diesen Vorfall angesprochen, entgegnete der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums auf der Bundespressekonferenz am 16. Mai lapidar:
„Das geschah alles im Rahmen eines Besuchsprogramms, und wir können nicht davon ausgehen, dass man – egal, wer es ist, und unabhängig von diesem Fall – jeden einzelnen Soldaten der ukrainischen Streitkräfte oder anderer Streitkräfte sowie die Hintergründe persönlich kennt.“
Geschadet hat ihm das Treffen und Posieren mit dem Bewunderer der Waffen-SS-Division „Galizien“ nicht. Im Gegenteil. Wie bereits angeführt hat Pistorius am 4. Juli Freuding, der als enger Vertrauter des Ministers gilt, die Karriereleiter weiter heraufgeschoben und ihn zum obersten Befehlshaber des Herres ernannt.
In der ersten Person Plural öffentlich Angriffe auf russische Führungseinrichtungen zu fordern und sich mit bekannten ukrainischen Rechtsextremen, die SS-Totenkopfabzeichen genauso öffentlich zur Schau stellen wie auf dem Oberkörper tätowierte Hakenkreuz-Ornamente, scheint im Zuge der „Zeitenwende“ bei der Bundeswehr kein Karrierekiller, sondern ein Karrierebooster zu sein.
Die historische Ignoranz der Bundesregierung
Vor diesem skizzierten Hintergrund sollte man sich nochmals vor Augen führen, dass der deutsche Angriff auf die Sowjetunion explizit als Vernichtungskrieg gegen die „jüdisch-bolschewistischen Untermenschen“ geplant und durchgeführt wurde. 14 Millionen sowjetische Zivilisten fielen diesem Vernichtungskrieg zum Opfer, davon über acht Millionen im Gebiet der damaligen „Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR), dem heutigen Russland. Unter den Opfern war auch der ältere Bruder des aktuellen russischen Präsidenten Wladimir Putin. Viktor fiel, wie insgesamt eine Million russischer Zivilisten, der 872 Tage währenden Hungerblockade Leningrads durch die deutsche Wehrmacht von September 1941 bis Januar 1944 zum Opfer.
Wie geschichtsvergessen kann man sein, um vor diesem Hintergrund als deutscher General öffentlich Angriffe auf „Führungsposten“ in der „Tiefe des russischen Raumes“ zu verkünden oder auch wie dessen Chef, Verteidigungsminister Pistorius, in einem Interview mit der Financial Times, das Töten russischer Soldaten zu propagieren.
Bezugnehmend auf die entsprechenden Äußerungen von Pistorius titelte mein Journalisten-Kollegen Marcus Klöckner vor wenigen Tagen:
„Deutschlands Russlandpolitik ist zu einem Monster mutiert“
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Außer der bisher völlig unbeantworteten Frage, wer dieses Ungeheuer noch stoppen kann, bevor es uns alle mit in den Abgrund zieht …
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 16. Juli 2025
Frage Warweg
Der Leiter des Planungs- und Führungsstabs des Bundesministers der Verteidigung, Generalmajor Christian Freuding, hat am 11. Juli von Kyjiw aus gegenüber dem ZDF erklärt: Wir brauchen Waffensysteme, die weit – auch in die Tiefe des russischen Raumes – reichen, die angreifen können, Depots, Führungseinrichtungen, Flugplätze. – Jetzt wird ja immer wieder vonseiten der Bundesregierung betont, Deutschland sei noch keine Kriegspartei in diesem Krieg. Aber wenn dem so ist, auf wen bezog sich dann die Aussage eines der ranghöchsten deutschen Militärs in der ersten Person plural, wir bräuchten Waffensysteme, um russische Führungseinrichtungen angreifen zu können? Die Frage geht im Zweifel an das BMVg und gerne auch an das BPA.
Müller (BMVg)
Das übernehme ich gerne. – Sie wissen, dass die Ukraine jeden Tag von Russland mit Raketensystemen und Bomben angegriffen wird. Zivile Infrastruktur wird getroffen, Raketen fallen auf Kindergärten und Spielplätze. Wir arbeiten eng mit der Ukraine zusammen, um die Ukraine mit Fähigkeiten auszustatten, damit sie diese fürchterlichen Angriffe abwehren kann. Damit sind wir Bedarfsdecker für die Bedarfe der Ukraine. Mit „wir“ sind wir als Bedarfsdecker gemeint, die die dringend notwendigen Bedarfe für die Ukraine bereitstellen.
Für den Einsatz der Waffensysteme – das haben wir ja schon mehrfach dargestellt – sind die ukrainischen Streitkräfte zuständig. Die verantworten den Einsatz, und wir gehen fest davon aus, dass diese Waffensysteme im Sinne des Völkerrechts eingesetzt werden.
Zusatz Warweg
Ich warte noch auf das BPA. Das hatte ich ja auch angesprochen.
Vize-Regierungssprecher Meyer
Inhaltlich habe ich dazu nichts zu ergänzen. Ich glaube, Sie haben gerade den Satz gesagt, die Bundesregierung behaupte, keine Kriegspartei zu sein. Ich kann es noch einmal sehr klar sagen: Die Bundesregierung ist hier keine Kriegspartei, sondern unterstützt die Ukraine gegen die fortlaufenden Angriffe aus Russland.
Zusatzfrage Warweg
Ich habe nicht „behauptet“ gesagt, sondern ich habe ganz sachlich von „betont“ gesprochen, aber egal.
In dem Zusammenhang hätte ich noch eine Frage zum historischen Verantwortungsbewusstsein der Bundesregierung. Deutschland hat in einem sehr explizit als Vernichtungskrieg geplanten Feldzug gegen die Sowjetunion mehr als 14 Millionen Zivilisten getötet, darunter unter anderem auch den älteren Bruder des aktuellen russischen Präsidenten im Rahmen der Hungerblockade gegen Leningrad. Allein dabei kamen eine Million russische Zivilisten ums Leben. Vor dem Hintergrund würde mich tatsächlich interessieren, wieso angesichts dieser horrenden Zahl an getöteten russischen Zivilisten dies nicht zu ähnlicher verbaler Zurückhaltung und auch einem ähnlichen Staatsräsonansatz führt, wie wir es etwa im Falle von Israel beobachten können.
Wagner (AA)
Herr Warweg, die Bundesregierung in Deutschland steht zu ihren Verbrechen, die im Zweiten Weltkrieg von Nazideutschland ausgingen, und wir sind uns dieser Verantwortung sehr bewusst. Es ist ziemlich unsäglich, dass Sie das hier in den Kontext aktueller Krisen und Konflikte stellen. Im Ukrainekontext, und ich nehme auf Ihre Vorfrage Bezug, ist sehr klar, wer Aggressor und wer Verteidigender ist. Russland greift die Ukraine jeden Tag völkerrechtswidrig an, und die Ukraine verteidigt sich völkerrechtsgemäß gegen diesen Angriff, und das unterstützen wir.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 16.07.2025
Wieso traf sich der Leiter des Bundeswehr-Planungsstabs mit rechtsradikalem Asow-Kommandeur Romanow?
Feind wider Willen: Gibt es eine Alternative zum antirussischen Kurs der Bundesrepublik Deutschland?