Polen will die stärkste konventionelle Armee in Europa aufbauen. Dazu werden Hunderte moderner Kampfpanzer aus drei Ländern angeschafft. Nicht nur in Polen fragen Experten, zu welchem Zweck das geschieht. Der russische Politikwissenschaftler Igor Schukowski analysiert die Hintergründe. Aus dem Russischen übersetzt von Éva Péli.
Die Polonaise ist in der polnischen Tradition ein unverzichtbarer Bestandteil von Feierlichkeiten und Festivals. Für ausländische Gäste wird sie aufgeführt, um nationalen Glanz und Erhabenheit zu demonstrieren. Dabei werden die Würde und der Wert jedes einzelnen Elements des Tanzes betont.
Genau diese Assoziation – mit einer etwas affektierten, zur Schau gestellten Polonaise – kommt einem beim Blick auf die rasante Aufrüstung der polnischen Panzertruppen in den Sinn. Die massiven Anschaffungen moderner südkoreanischer und US-amerikanischer Panzerfahrzeuge erfolgen mit demonstrativem Pomp, begleitet von choreografisch perfektionierten Pressekonferenzen und prägnanten Erklärungen von Politikern und Militärs. Wie in einem Tanz: Jedes Element hat eine Bedeutung, ist ausgearbeitet und durchdacht, um das Publikum zu beeindrucken und den Darstellern donnernde Ovationen zu sichern. Aber was passiert, wenn der zeremonielle Tanz vorbei ist?
Im Jahr 2024 hat Polen beeindruckende 4,2 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Militärausgaben bereitgestellt, und im Haushalt 2025 sind fast 187 Milliarden Złoty (etwa 44 Millionen Euro) vorgesehen, was 4,7 Prozent des erwarteten BIP ausmachen wird. Ein beträchtlicher Teil dieser Summen wird für Panzer, Ingenieurfahrzeuge und den Aufbau von Kompetenz- und Wartungszentren für die neue Ausrüstung in den polnischen Rüstungsbetrieben ausgegeben.
Polen sucht weiterhin nach einem Platz auf der internationalen Bühne, der den Vorstellungen seiner Eliten über die wachsende wirtschaftliche Macht des Landes und seine Rolle im Ukraine-Konflikt entspricht. Im Rahmen dieser Suche strebt Warschau den Aufbau der stärksten Landstreitkräfte in der EU und einer der stärksten in der NATO an. Nach den Plänen des Verteidigungsministeriums wird die polnische Armee bereits Ende 2026 über insgesamt 779 moderne Panzer verfügen (116 US-amerikanische „Abrams“ in der Version M1A1 FEP und 250 in der Version M1A2 SEPv3, 180 südkoreanische K2 „Black Panther“ und 233 „Leopard“ in den Versionen 2PL und 2A5). Bis 2030 soll die Zahl der modernen Panzer und Ingenieurfahrzeuge in den Kampftruppen 1.100 überschreiten, was mehr wäre als die Gesamtzahl der in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien zusammen im Einsatz befindlichen (und vertraglich zugesicherten) Panzer.
Nach Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine hat Warschau rund 350 Panzer an das Kiewer Regime übergeben, darunter 280 Fahrzeuge der T-72-Familie, 14 Panzer vom Typ „Leopard“ 2A4 und etwa 60 Panzer PT-91 „Twardy“ (eine Version des T-72). Die meisten der verbliebenen etwa 150 PT-91 „Twardy“-Panzer werden anscheinend ebenfalls in die Ukraine geschickt, sobald genügend moderne Ersatzfahrzeuge eintreffen.
Die entsprechenden polnischen Unternehmen, die früher Erfahrung in der Panzerproduktion hatten, haben die notwendigen Kompetenzen und technologischen Ketten zur Herstellung eigener Fahrzeuge verloren und waren in den letzten Jahren lediglich mit der Wartung des Panzerparks beschäftigt. Die nationale Rüstungsindustrie erwies sich grundsätzlich als nicht in der Lage, das verlorene Potenzial der Panzertruppen wiederherzustellen, obwohl es einst eine immense Erfahrung gab: In Polen wurden in sowjetischer Lizenz Panzer vom Typ T-34, T-55 und T-72 hergestellt und danach auch die oben erwähnte modernisierte Version PT-91 „Twardy“ (in einer Serie von 93 Stück, das letzte Exemplar für die polnische Armee wurde 2002 hergestellt). Das Ende der Serienproduktion von Panzern in Polen markierte 2009 das Projekt „Malaj“, eine stark überarbeitete Variante des PT-91 „Twardy“, die von Malaysia in einer Serie von 48 Stück bestellt wurde.
Um das Potenzial seiner Panzertruppen zu erhalten und auszubauen, hat das polnische Verteidigungsministerium unter der Leitung von Mariusz Błaszczak 2022 Sofortmaßnahmen ergriffen, um die ausgeschiedenen Fahrzeuge zu ersetzen, und begann mit der Beschaffung von Panzern aus den Beständen der USA.
Im Januar 2023 wurden 116 Panzer vom Typ M1A1 FEP Abrams (für 1,4 Milliarden US-Dollar) bestellt. Sie wurden bereits nach Polen geliefert und werden dort von den Einheiten in Betrieb genommen. Zusätzlich zu dieser Lieferung wurde eine Charge M1A2 SEPv3 Abrams-Panzer, eine der modernsten Versionen (Gesamtvertragswert einschließlich Logistik, Personal- und Hilfsfahrzeuge: 4,75 Milliarden US-Dollar), geordert. Die ersten 28 Stück dieser Charge sind am 18. Januar 2025 auf dem Seeweg in Polen eingetroffen und bereits im Einsatz.
Vertreter des Abrams-Herstellers General Dynamics Land Systems bemühten sich, die Anzahl der bestellten Fahrzeuge zu erhöhen. Das polnische Verteidigungsministerium verfolgt jedoch die Strategie, sich auf zwei „Panzerbeine“ zu stützen, um technologische und politische Abhängigkeiten von einem einzigen Lieferanten zu vermeiden.
Die zweite Komponente der polnischen Panzerarmada ist der südkoreanische Panzer K2 „Black Panther“, der 2022 als der teuerste Serienpanzer der Welt galt. Der Vertrag über die Lieferung der ersten Charge von 180 Stück (Vertragswert ca. 3,4 Milliarden US-Dollar) wurde 2022 unterzeichnet. Die ersten Exemplare wurden der polnischen Armee Ende desselben Jahres zur Verfügung gestellt. Derzeit wurden bereits 110 Panzer geliefert, und die verbleibenden 70 Fahrzeuge werden bis Dezember in Polen eintreffen.
Am 1. August erklärte der polnische Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz bei der Unterzeichnung eines zusätzlichen Vertrags im angekündigten Wert von 6,5 Milliarden US-Dollar für die Lieferung von 180 südkoreanischen K2 „Black Panther“-Panzern:
„Die polnische Armee wird die stärkste Landstreitmacht in Europa werden.“
Er kündigte die Wiederherstellung der Kapazitäten und Kompetenzen für die Produktion von Panzern und Ingenieurfahrzeugen im Land an. Es wird erwartet, dass zusätzliche Verträge mit Korea über den Transfer von Technologien und Dokumentationen für die Produktion von 64 Exemplaren der „polonisierten“ (an die Anforderungen der polnischen Armee angepassten) Version des Panzers K2PL im Werk Bumar-Łabędy in der polnischen Stadt Gliwice (auf Deutsch: Gleiwitz) unterzeichnet werden. Ab 2028 ist die Produktion von bis zu 700 solcher Panzer in diesem Werk geplant, die in die von der polnischen Armee genutzten Gefechtsführungssysteme integriert werden.
Mit dieser „Panzer-Polonaise“ – den massiven demonstrativen Käufen – endet die erste Phase, und es wird Zeit, über die Ziele und den Sinn des Geschehens nachzudenken.
Sinn der Sache
In erster Linie geht es um sehr viel Geld. Es ist klar, dass der Kauf von Panzern nur der Anfang der Ausgaben ist: Es müssen noch Investitionen in Infrastruktur und Personal, die Lagerung von Ersatzteilen und den Aufbau eines Netzwerks von Servicezentren getätigt werden. Experten in polnischen Fachpublikationen stellen bereits zaghaft die Frage: „Wie gerechtfertigt sind die Anschaffungen so vieler teurer Panzer von verschiedenen Herstellern?“, und versuchen sogar, die Betriebskosten zu berechnen. Sie beklagen sich jedoch über die undurchsichtigen finanziellen Bedingungen der Geschäfte und die Geheimhaltung der Ausgaben des Fonds zur Unterstützung der Streitkräfte, der ein „paralleles Militärbudget des Landes“ darstellt.
Die polnische Armee wird moderne Panzer von drei Herstellern betreiben – aus den USA, Deutschland und Südkorea. Das vervielfacht die Wartungskosten der Fahrzeuge. So wird erwartet, dass die polnischen Wartungszentren die Service- und Reparaturvorschriften für die Abrams-Panzer erst 2026/2027 beherrschen werden. Einige Wartungsarbeiten an den Gasturbinentriebwerken AGT1500 der US-amerikanischen Panzer werden bis 2028 ausschließlich von US-Spezialisten in Polen durchgeführt.
Bei Bedarf werden die Triebwerke vollständig (oder einzelne Module) an spezialisierte Unternehmen in den USA geschickt, und die Panzer erhalten neue Triebwerke aus einem Reservebestand von 21 Stück, die vom polnischen Verteidigungsministerium bestellt und bezahlt wurden. Offenbar werden die Betriebskosten des Panzerparks einen beträchtlichen Teil der fünf Prozent des BIP ausmachen, die NATO-Mitglieder für die Verteidigung ausgeben sollen.
Zweitens garantiert der Kauf von Hunderten von Panzern nicht nur nicht die Sicherheit Polens, sondern erhöht sie auch kaum. In der am 25. Juli verabschiedeten Nationalen Sicherheitsstrategie Polens wird direkt gesagt, dass Russlands Handlungen eine Bedrohung für die internationale Ordnung und das euro-atlantische Sicherheitssystem darstellen und das Risiko einer direkten militärischen Aggression gegen Polen und andere NATO-Länder erhöhen. Die massive Aufrüstung der Armee, einschließlich der Panzertruppen, soll ein Element der Umsetzung der polnischen Politik der Abschreckung und Verteidigung sein. Die neuen Panzer werden an Einheiten in der Nähe der Oblast Kaliningrad und in Richtung Belarus geliefert, was automatisch Gegenmaßnahmen in der Militärplanung unsererseits auslöst. Die Aufrüstungsspirale dreht sich immer schneller, und im Falle eines hypothetischen Konflikts mit Russland werden die neuen polnischen Panzer ihre Rolle der „Abschreckung und Verteidigung“ gar nicht erst spielen können.
Das polnische Verteidigungsministerium führt die „Panzer-Polonaise“ zur Freude ausländischer Lieferanten teurer Ausrüstung und zum Vergnügen der politischen Elite des Landes auf. Aber bei pragmatisch denkenden Experten löst dieses Streben, „alles und noch mehr“ zu kaufen, Verwunderung und die Frage aus: Wird man sich nach der Polonaise nicht daran erinnern müssen, dass auch Chopins „Trauermarsch“ ein Teil der polnischen Kultur ist?
Über den Autor: Igor Schukowski ist Kandidat der Politikwissenschaften, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe für umfassende Studien der Ostseeregion am Zentrum für strategische Planung des Primakow-Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen (IMEMO) der Russischen Akademie der Wissenschaften.
Der Beitrag ist im russischen Original hier erschienen.
Titelbild: Shutterstock / dom zara