Der Russe war’s! Wie sich die Sabotage-Vorwürfe stapeln (und nie richtiggestellt werden)

Der Russe war’s! Wie sich die Sabotage-Vorwürfe stapeln (und nie richtiggestellt werden)

Der Russe war’s! Wie sich die Sabotage-Vorwürfe stapeln (und nie richtiggestellt werden)

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Das „GPS-Gate“ um das Flugzeug Ursula von der Leyens ist in sich zusammengefallen – trotzdem ist die Episode ein gutes Beispiel für die Manipulationsmethode mit den „gestapelten“ Vorwürfen. Diese schnellen Aufzählungen von „russischen Untaten“ sollen in der Summe ein bedrohliches Bild abgeben, auch wenn die einzelnen Elemente überwiegend völlig unbelegte Behauptungen sind. Möglicherweise wird also auch der „GPS-Angriff Russlands“ bald in Talkshows zwischen anderen gestapelten Behauptungen (Desinformation, Spionage, Paketbomben, Wahlmanipulation usw.) als „russische Aggression“ aufgezählt werden. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Viele Stimmen, die im Zusammenhang mit dem angeblichen Angriff auf das GPS-System eines Flugzeugs mit Ursula von der Leyen an Bord direkte Schuldvorwürfe an Russland gerichtet hatten, sind inzwischen nicht mehr so offensiv: Die ganz direkten Vorwürfe gegenüber Russland bei dem Vorgang sind – außer bei den ganz Hartgesottenen – inzwischen wieder weitgehend verstummt oder werden zumindest nicht intensiv weiterverfolgt: Sie waren zu offensichtlich nicht haltbar, wie Jens Berger in den letzten Tagen in diesem Artikel und in diesem Artikel beschrieben hat – dort wird auch beschrieben, welche Politiker und Journalisten die Geschichte zuerst befeuert hatten.

Die Botschaft bleibt im Raum und kann reaktiviert werden

Aber auch wenn die ausgesprochenen, ganz direkten Vorwürfe nun überwiegend verstummt sind, so bleibt ihre Botschaft im Raum, denn aktiv zurückgenommen werden sie in der Regel auch nicht. Ich konnte zumindest nach all den falschen Behauptungen in keinem großen Medium eine klare Richtigstellung wie diese finden: „Die auch in diesem Medium erhobenen direkten Vorwürfe gegen Russland im Zusammenhang mit dem GPS-Vorfall sind nicht aufrechtzuerhalten.“

Stattdessen soll bei dem Vorfall nun möglicherweise vieles im Ungefähren belassen und (vorerst) der Mantel des Schweigens darüber gelegt werden, das hat auch einer unserer Leser in einem interessanten Brief gemutmaßt. Die nicht widerrufenen Vorwürfe gegen Russland bleiben aber durch diese Praxis im Hintergrund bestehen: Auch wenn im Zusammenhang mit dem GPS-Vorfall nichts bewiesen ist, so ist die Botschaft, nach der Russen unsere Politiker in der Luft angreifen, durch die Meinungsmache der letzten Tage noch in den Hirnen vieler Bürger „geparkt“ – um sie möglicherweise später bei der bekannten Manipulationsmethode mit den „gestapelten“ Vorwürfen wieder hervorzuholen.

Bei dieser Manipulationsmethode werden reale Vorgänge mit Halb- und Unwahrheiten vermischt und das dann zu den erwähnten „Stapeln“ von angeblichen russischen Untaten aufgetürmt, die zusammen ein gefährliches Bild produzieren.

Darum würde es nicht verwundern, wenn demnächst auch die aktuelle „GPS-Episode“ z.B. in Talkshows innerhalb der „Stapel“ angeblicher russischer Sabotageakte mit aufgezählt wird – in der Hoffnung, dass die einzelnen Elemente der Stapel nicht mehr einzeln hinterfragt werden, sondern in der Summe irgendwie eine „Bedrohung“ simulieren. Oft werden diese aufgereihten Vorwürfe dann schnell abgespult, um die Überwältigung zu fördern und den Unwillen aus all den Ungeheuerlichkeiten herauszufiltern, die überhaupt so stattgefunden haben.

Strategien der Spannung und das große Schweigen danach

Die gestapelten Vorwürfe sind oft nicht angemessen belegte Anschuldigungen, die wegen der jeweils großen Medienresonanz noch im Unterbewusstsein der Medienkonsumenten abrufbar sind. Die Methode hat Tradition: Die aktuelleren Elemente werden dann vermutlich der jüngste GPS-Vorwurf sein, dazu mehrere Vorfälle mit DHL-Flugzeugen, Paketbomben, Spionage-Drohnen – etwas länger im Stapel befinden sich bereits die Anschuldigungen zu Skripal, Syrien-Bombardements, Bundestags-Hack, „Zerstörung der EU“, russische Wahleinmischung in den USA und „dutzende Oppositionelle“ mit ungeklärtem Schicksal. Über allem steht momentan natürlich die geschichtslose Phrase vom „unprovozierten Angriffskrieg“ Russlands gegen die Ukraine.

Die NachDenkSeiten haben das Prinzip von im kollektiven Bewusstsein geparkten Diffamierungen, die bei Bedarf aufgewärmt werden können, ohne sie dann „erneut“ belegen zu müssen, bereits in dem älteren Artikel „Strategien der Spannung und das große Schweigen danach“ beschrieben, wo es heißt: Bei vielen Affären in jüngerer Vergangenheit sei durch mediale Wiederholung eine nicht von Beweisen gestützte Version der Ereignisse erzeugt worden. War das gewünschte Bild installiert, sei die Berichterstattung – ohne neue Entwicklungen zu berücksichtigen – jäh abgebrochen und die erzeugte Botschaft im kollektiven Gedächtnis „geparkt“ worden. Dort könnten die Kampagnen bei Bedarf jederzeit reaktiviert werden.

Sabotage an Pipelines – war da nicht irgendwas?

Russische Aktivitäten der Sabotage in Deutschland halte ich für unwahrscheinlich, aber inzwischen leider nicht mehr für prinzipiell ausgeschlossen nach der massiven deutsch-russischen Eskalation der letzten Jahre. Aber zum einen ist die konkrete Beweislage bei den entsprechenden Berichten regelmäßig sehr unseriös und es wird trotzdem erst behauptet und dann kaum etwas zurückgenommen. Zum anderen wurde Deutschland durch extrem verantwortungslose Politiker überhaupt erst zur potenziellen Zielscheibe möglicher russischer Sabotage gemacht. Der beste Schutz davor wäre, endlich eine gesamteuropäische, Russland einschließende Sicherheitsarchitektur anzustreben – doch das Gegenteil ist zu beobachten.

Und wer von Sabotage gegen Deutschland redet, der sollte zuerst mal den größten Sabotageakt der letzten Jahrzehnte angemessen verfolgen und seinen Blick in Richtung Ukraine wenden: Sogar laut der momentan „offiziellen“ Version sind nicht nur Ausführende, sondern auch Organisatoren für den Nord-Stream-2-Anschlag dort zu finden (wenn nicht sogar eher in den USA). Die Situation könnte also gar nicht absurder sein: Die Ukraine steht unter höchstem Verdacht, ein antideutscher Terrorstaat zu sein – und wird fürstlich von unseren Steuergeldern unterstützt, während die Hysterie vor russischer Sabotage mit Kleinigkeiten geschürt wird, die nicht einmal belegt sind.

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