Hört, hört, Schluss mit dem Zaudern, mit dem Gehen in gebückter Haltung, mit dem Pessimismus, dass die Zeiten schlecht seien. Nein, sie sind es nicht. Das Hier und Jetzt ist wunderbar. Bei so viel In-die-Hände-Spucken, um unser Land so richtig nach vorne zu bringen, also bis unters Dach zu bewaffnen, kommen gerade begeisterte, nicht zweifelnde, wehrhafte Bürger aus der Schnappatmung gar nicht mehr heraus. So auch der Chef des deutschen Konzerns Rheinmetall, der die Steigerungsraten seines Rüstungsunternehmens – Produktion, Umsatz, Gewinn, Anerkennung, Perspektiven – vor Augen hat und sich diese manchmal (noch) ungläubig reibt. Beinah lyrisch sagt der hocherfreute, euphorische Pappenheimer, Pardon Armin Papperger der Presse, dass er sich fühle wie in einer Wunderwelt. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.
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Im größten deutschen Boulevardblatt rauscht es fröhlich mit, die Verkündung bester Zahlen und Zeiten aus dem Hause Rheinmetall liest sich für Patrioten wie ein Gedicht. Für Skeptiker schrillen die Alarmglocken dagegen umso lauter angesichts Pappergers Prognose, dass sich die Rüstungsspirale auch bei einem Friedensschluss nicht langsamer drehen werde. Der Jubel dröhnt fanatisch, laut, bedrohlich.
So wird Meinung gemacht, so begleiten Schreiber einen unsäglichen Weg: mit Jubel
Artikel des Boulevardblatts mit den vier Großbuchstaben zu lesen ist für die ein Genuss, die die Zeitung für ein seriöses Medium, ein Unterstützungsorgan nach dem Motto „Bild dir deine Meinung“ halten – für unentbehrlich auf dem gedeckten Frühstückstisch. ‚Bring ma ‘ne BILD mit‘, ruft der alte Ehemann seiner Gattin zu, die dann im Supermarkt einkauft und nicht vergisst, etwas Information und Bildung mit nach Hause zu bringen. Mann und Frau werden wieder einiges erfahren, was ihren Blutdruck in Wallung bringt. Deutschland ist wieder wer.
Das deutsche Paar liest später, dass das deutsche Vorzeigeunternehmen Rheinmetall richtig in Fahrt kommt. Was bisher geschah, war schon bemerkenswert, sagt Mann zu Frau stolz konstatierend. Respekt. Der Konzernchef Armin Papperger verrät exklusiv im Boulevardblatt, dass das noch gar nix war. Beginnend schon mit der Schlagzeile, gewohnt knackig aus dem Hause Springer, ist staunend und erwartungserweckend zu erfahren:
Rüstungsriese mit Mega-Plan
Rheinmetall will Umsatz verfünffachen
(Quelle: BILD)
Verfünffachen! Die Zeilen, die folgen, stehen dieser heftigen wie wahnsinnigen Ankündigung in nichts nach. Kraftstrotzend verkündet der Rüstungsindustrielle, wie der Wahnsinn verstetigt und zur Normalität wird. Der Mann am Frühstückstisch sinniert: „Der Krieg ist der beste Kaufmann! Er macht aus Eisen Gold …“:
Deutschlands größter Rüstungskonzern legt vor – mit einer Mega-Ansage. Rheinmetall will seinen Umsatz bis 2030 verfünffachen. Von 9,8 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf satte 50 Milliarden. Konzernchef Armin Papperger zeigte sich vor Finanzanalysten im niedersächsischen Unterlüß überzeugt: Dieses Ziel ist zu schaffen.
Beim Anblick der schon jetzt überaus üppigen Ertüchtigungszahlen gerät Papperger ins Schwärmen und wähnt sich in einer Wunderwelt. Die Springer-Gazette zählt gern auf, auf dass sich auch der Leser wenigstens ein bisschen wie Alice im Wunderland fühlen kann. Der Konzern will die Produktion hochfahren – ein Genuss für Bellizisten. Der kleine Mann sagt sich vielleicht auch: „Sehr gut, das gefällt meinen Aktien.“ – wenn er denn welche hat.
Bei 120-Millimeter-Panzermunition: von 60.000 Schuss (2022) auf 240.000 (2027). Bei Artilleriemunition (155 Millimeter) von 70.000 Schuss (2022) über 1,1 Millionen (2027) auf 1,5 Millionen (2030).
Es wird nicht enden, des Pappergers Wunderweltmärchen
Nicht zu vergessen: Deutschland spielt beim Aufrüsten und Aufmunitionieren eine Schlüsselrolle. Papperger steht im engen Kontakt mit den Entscheidungsträgern der Politik, von denen er weiß, dass der ohnehin jetzt schon unfassbar hohe Wehretat der Republik bis 2030 auf 180 Milliarden Euro steigen soll. Er jubelt: Das ist eine Verdreifachung. Papperger hat aber noch längst nicht genug, ebenso wie die politischen Führungskräfte der NATO-Staaten:
2030 werde das Rüstungsgeschäft seinen Höhepunkt noch nicht erreicht haben, zeigte sich der Manager überzeugt. „2030 werden die Nato-Staaten nicht 100 Prozent da sein, wo sie sein wollen.“ Daher werden sie auch danach kräftig einkaufen.
Papperger sieht auf die Zahlen seines Konzerns: Im Jahr 2021, vor Kriegsbeginn in der Ukraine, lag der Umsatz noch bei 5,7 Milliarden Euro. 2024 waren es bereits 9,8 Milliarden. Die Boulevardzeitung konstatiert nüchtern: Der Krieg bringt dem Konzern ein Auftragsplus bei Artillerie, Munition, Flugabwehr und Panzern. Nur in einem betriebswirtschaftlichen Bereich sieht der Rüstungsboss Kritisches. Der Leser erfährt, dass Rheinmetall auch eine zivile Firma ist. Dessen Autogeschäft schwächelt aber, was Wunder bei so viel Rüstungseuphorie. Wozu noch Autos bauen? Entscheidungsfreudig und der Zukunft zugewandt, lautet folglich die Order betreffs der wehrlosen Zivilsparte: „Steht zum Verkauf“.
Schließlich erfahren Mann und Frau am Frühstückstisch, dass die Wunderwelt Pappergers noch eine ganze Weile zu fühlen sei. Nicht mal der Frieden kann sich da querstellen. Ein solcher, möglicher Friedensschluss in der Ukraine oder ein Einfrieren des Konfliktes würde dem wirtschaftlichen Aufschwung von Rheinmetall keinen Abbruch tun. Na, da sind wir ja beruhigt. Die NATO-Länder wollen ihre Armeen massiv aufrüsten. Die Nachfrage nach Waffen bleibt auf Jahre hinaus riesig. Klasse Aussichten.
Zeitungslektüre am Frühstückstisch offenbart Sittengemälde eines kaputten Landes
Den dritten, vierten Kaffee schlürfend, sinniert der belesene Mann zur Frau nun, dass unsere Entscheidungsträger in vielen Bereichen des Landes – Industrie, Institutionen, Finanzen, Medien, Kirchen, Bildung usw. – geradezu euphorisch erfreut scheinen. Sie freut, eine Lawine ins Rollen gebracht zu haben, die derart immense Energie aufstaut, dass den weniger Euphorischen angst und bange wird. Die Euphorischen, sich als Profiteure wähnend, jubeln noch inniger, weil es scheint, dass das nicht mehr zurückzudrehen sei. Das sagt zumindest Rüstungsboss Papperger. Dem Paar dämmert: Die Zeiten werden ihnen zum Jubeln verkauft. Doch die sind keine zum Jubeln. Politiker posieren in Uniformen, im Boulevardblatt wird über die Eierkontrolle bei der nun „endlich“ durchgesetzten Musterung fabuliert, und der deutsche Vizekanzler möchte „mehr sensible Männer in der Politik“ – so wie er selbst. Selbst der harte Kanzler lobt ihn dafür. Das Paar erfährt weiter von Lars Klingbeil, dass der sich mehr Politiker wünsche, die mitfühlen und verstehen. Breitbeinig und polterig sei von gestern.
Sensibel und die Hacken zusammengepresst verdient es sich besser?
Sensibel hin oder her, die Profiteure der Militarisierung und Macher der Umgestaltung eines Landes schert ihre Haltung wenig. Sensibel und einfühlsam sind weder sie noch die Männer (und Frauen) der Regierung. Sie wissen, dass Deutschland zwei Weltkriege zu verantworten und auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den Weg nicht hin zu einem neutralen, friedlichen Land gefunden hat. Wir sind kein Land der guten Nachbarn, wir sind keines der Abrüstung, der Diplomatie. Wir rüsten und giften. Allein – sie ficht es nicht an. Sie feiern sich, sie überhäufen sich mit Preisen, sie verkaufen ihre Politik als alternativlos. Von Berlin bis nach Unterlüß, von Bayern bis ins Vogtland – unsere „Volkswirtschaft“ wird militärisch umgebaut, so zum Treiber der Rüstung, deren Eigentümer gar nicht mehr mit dem Geldzählen hinterherkommen.
Vom Kuchen was abbekommen, während die Zivilgesellschaft vor die Hunde geht
Vor Kurzem habe ich hier auf den NachDenkSeiten darüber geschrieben, wie eine kleine Firma in meiner Heimat „gerettet“ wurde, indem sie von einem in der Rüstung tätigen Unternehmen gekauft wurde. Das wurde sehr gefeiert, die Presse war da, wichtige Leute aus Politik und Gesellschaft. Der Bürgermeister formulierte geradezu episch, dass das eine großer Schritt für die Region sei. Beifall bekam er satt, von Politikern auch aus Land und Bund. Selbst eine ehemalige Abgeordnete einer führenden Volks- und Regierungspartei im Ruhestand ließ es sich nicht nehmen, beim historischen wie zukunftsweisenden Akt vor Ort zu sein. Gerade war sie ausgezeichnet worden mit einem Preis – für Zivilcourage, also den Mut in der Zivilgesellschaft. Ich erinnere mich an ihre aktive Zeit im Bundestag, an ihr konstantes Abstimmverhalten für eine Politik, die für alles steht, was die Bürger dieses Landes, ihre Wähler, zunehmend ablehnen, weil das Land damit in die Knie geht, den Menschen schadet. Egal, es wurde gelächelt und geklatscht, auf dass die Rüstung sich nach und nach landauf, landab in unsere Republik gräbt. So bleibt es dabei: Der Krieg ist der beste Kaufmann! Er macht aus Eisen Gold … Doch wer braucht solche Kaufleute?
Zu guter Letzt: Armin Papperger und seine Pappenheimer basteln dennoch weiter an ihren Mega-Plänen. Sie können sicher sein, dass dieser Wunderwelt-Traum noch lange währt (der in Wirklichkeit ein Albtraum ist). Dagegen erleben Menschen an der Basis, was es heißt, wenn für sie kein Mega-Plan vorgesehen ist. In einer beschaulichen Stadt meiner Heimat wurde jetzt in einem legendären kommunalen Kulturhaus das letzte Konzert gespielt. Das Haus schließt Ende des Jahres. Das Ehepaar am Frühstückstisch erfuhr auch davon und murmelte: „Von wegen Wunderwelt …“.
Titelbild: Torsten Pursche/shutterstock.com





