Die Medien, Joe Biden und die Kriegstreiber

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Das Team des designierten US-Präsidenten Joe Biden spricht Bände: Es ist dominiert von Falken, Rüstungslobbyisten und Wirtschafts-Radikalen. Diese aggressive Seite Bidens wird in großen deutschen Medien kaum thematisiert – schließlich ist er das Licht und Donald Trump das Dunkel. Der kritikwürdige Trump wird aber vor allem für die falschen Dinge kritisiert: etwa für militärische Abzugspläne. Von Tobias Riegel.

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Das Übergangs-Team des mutmaßlichen Wahlsiegers in den USA, Joe Biden, besteht weitgehend aus hochproblematischen und kriegstreiberischen Personen. Wer sich aber nur in den großen deutschen Medien über die USA informiert, kann die aktuellen Vorgänge dort nicht beurteilen. Details zur Besetzung des Biden-Teams folgen weiter unten im Artikel. Hier zunächst Eindrücke aus der deutschen Berichterstattung.

Biden-Kitsch in den Medien: „Wenn Anstand zu Tränen rührt“

Ein kleiner Ausschnitt aus zahllosen Artikeln deutscher Medien zeigt, in welcher unseriösen Weise der noch amtierende US-Präsident Donald Trump verteufelt wird, während der mutmaßlich designierte US-Präsident Joe Biden von Kritik abgeschirmt wird. Das artet teils in eine peinliche Heldenverehrung aus: Der “Spiegel“ behauptet in einer Kolumne, Bidens mutmaßlicher Wahlsieg sei eine „strahlende Stunde der USA“ – ein Titel des Magazins beschreibt mit verklärender Bild-Illustration Bidens mutmaßlichen Wahlsieg als Weg „zurück in die Zukunft“. Der „Tagesspiegel“ bezeichnet die US-Republikaner in der Zeit vor Trump als eine „einst stolze“ Partei – vielleicht meint die Zeitung damit auch die Ära des George W. Bush? Das würde passen, denn selbst auf Bush beziehen sich Medien dieser Tage teils positiv als Anti-Trump-Kronzeuge – ohne jedoch Bushs Kriege zu erwähnen, die Trump (zumindest nach eigener Aussage) versucht zu beenden. Der „Tagesspiegel“ kann kaum noch an sich halten und schreibt in Bezug auf Joe Biden und Kamala Harris: „Wenn Anstand zu Tränen rührt“. Man könnte diese Liste der naiven Helden-Mythen noch lange fortsetzen.

Eine Kritik an diesem Pro-Biden-Kitsch soll Trump keineswegs von harter und auf zahlreichen Feldern berechtigter Kritik freisprechen: Zu kritisieren ist eher die ungerechtfertigte Heiligsprechung Bidens als die teils begründete Kritik an Trump. Die unseriöse, schrille und extreme Parteinahme für eine Seite bei einer Wahl im Ausland durch die großen deutschen Medien ist mindestens fragwürdig – und sie dominierte auch die Berichterstattung vor der US-Wahl. Darum können Deutsche, die sich nur in diesen politisch nichtssagenden Biden-Harris-Hymnen informieren, die aktuellen Vorgänge in den USA wie gesagt nicht einordnen: Viele Bürger glauben möglicherweise tatsächlich an den suggerierten Kampf des Lichts (Biden) gegen die Dunkelheit (Trump). Es gibt aber auch positive Ausnahmen zu dieser Medien-Front: So hat Albrecht Müller kürzlich auf einen interessanten und Biden gegenüber kritischen Bericht von „Monitor“ hingewiesen – hier könnte man monieren, dass solche Berichte erst nach der Wahl kamen.

Afghanistan-Abzug: Die Krokodilstränen der Kriegstreiber

Monieren könnte man auch, dass Donald Trump zuverlässig für die falschen Dinge kritisiert wird – nämlich meist dann, wenn er mal etwas (zumindest anscheinend) richtig macht. Denn so muss man den (angeblich versuchten, aber angeblich vom „eigenen“ Militär sabotierten) US-„Rückzug“ in Syrien bezeichnen und auch seine aktuelle Ankündigung, Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Man könnte hier die Ernsthaftigkeit Trumps in Zweifel ziehen, diesen Abzug auch tatsächlich bis zum Ende durchzuführen. Aber das wird nicht kritisiert. Stattdessen werden Trumps aktuelle Afghanistan-Pläne (also der Abzug selber) von zahlreichen Medien negativ und als eine persönliche Marotte Trumps eingeordnet – etwa von der „Osnabrücker Zeitung“:

„Der Westen hat dort (in Afghanistan) Verantwortung übernommen, die daraus erwachsenen Verpflichtungen gilt es zu erfüllen. US-Präsident Trump ficht derlei nicht an. Ihm ist es wichtiger, dem gewählten Nachfolger eins auszuwischen.“

An dem aktuellen Beispiel Afghanistan kann man die „Krokodilstränen der Kriegstreiber“ beobachten – ein Phänomen, das die NachDenkSeiten bereits wegen der medialen Reaktion auf Trumps (angebliche) Abzugs-Pläne für Syrien beschrieben haben:

„Der angekündigte Syrien-Rückzug der US-Armee ist überfällig und zu begrüßen – die mediale Reaktion darauf ist heuchlerisch und zynisch. Jene großen Medien, die die westliche Zerrüttung Syriens mit möglich gemacht haben, stemmen sich nun gegen eine Beendigung der eigens herbeigeführten Katastrophe.“

Donald Trumps „Dolchstoßlegende“

Auch Joe Biden hat angekündigt, prinzipiell Frieden bringen zu wollen – aber was sind hier strategische Lippenbekenntnisse und welche Taten werden tatsächlich folgen? Das ist wegen der mangelhaften Berichte in großen deutschen Medien schwer zu bestimmen. Denn dass sich Joe Biden (außenpolitisch!) mutmaßlich sogar als ein noch größeres Übel als Trump erweisen könnte, diese Information muss man sich suchen. So beschreibt etwa das US-Medium „Grayzone“ ausführlich den Charakter des Übergangs-Teams von Joe Biden: Dort würden sich vor allem „Kriegs-Profiteure“ und „Konzern-Lobbyisten“ tummeln. Dass auch Biden antideutsche Sanktionen plant, um Deutschland von der Fertigstellung der wichtigen Pipeline Nord-Stream-2 abzuhalten, konnte man nun (nach der Wahl) etwa in der „Bild“ lesen. Die NachDenkSeiten haben die Frage von russischen und US-amerikanischen Sanktionen gegen Deutschland gerade in diesem Artikel beschrieben.

In vielen Medien heißt es nun, Trump würde durch seine Manipulations-Vorwürfe gegen die Demokraten an einer „Dolchstoßlegende“ spinnen, die seine mutmaßliche Niederlage erklären soll. Das mag sein – aber in diesem Zusammenhang könnte man auch auf die Dolchstoßlegende der US-Demokraten hinweisen: Die haben ihre Niederlage 2016 mit der dreisten Kampagne zu „Russiagate“ schöngeredet. Es dominiert aktuell auch die fragwürdige Medien-Darstellung, nach der es eine absolut verrückte Vorstellung sei, dass die US-Geheimdienste Einfluss auf eine US-Wahl nehmen könnten. Hier soll keine Spekulation zu den Vorwürfen einer angeblichen Wahl-Fälschung befeuert werden. Aber dass die Sache mit Bidens Wahlsieg anscheinend doch noch nicht so sonnenklar ist, wie viele westliche Medien nun behaupten, das hat Albrecht Müller gerade in diesem Artikel thematisiert.

Biden-Team: „Kriegs-Profiteure“ und „Konzern-Lobbyisten“

Detailliert beschrieben wird das Team von Joe Biden etwa in dem US-Medium „Grayzone“: Eine Reihe von Unternehmensberatern, Kriegsgewinnlern und Falken der nationalen Sicherheit wurden demnach von Biden in die Teams berufen, die die Agenda für seine Regierung festlegen werden, so „Grayzone“. Ein Paradebeispiel für die „interventionistisch gesinnten, betriebswirtschaftlich orientierten Persönlichkeiten“, die das Biden-Harris-Team zu Verteidigungsfragen bilden würden, sei etwa Lisa Sawyer:

„Sie war von 2014 bis 2015 als Direktorin für strategische Angelegenheiten der NATO und Europas für den Nationalen Sicherheitsrat tätig und arbeitete für JPMorgan Chase von Wall Street als außenpolitische Beraterin. Sawyer war Teil der “Task Force on the Future of US Coercive Economic Statecraft” des Center for a New American Security, was im Wesentlichen bedeutet, dass sie an Sitzungen teilnahm, die sich auf Methoden der Wirtschaftskriegsführung konzentrierten, die zur Destabilisierung von Ländern eingesetzt werden könnten, die sich weigerten, sich dem amerikanischen Imperium zu beugen.“

So sei Sawyer etwa der Ansicht, dass die US-Regierung nicht genug tue, um die russische “Aggression” abzuschrecken, dass die US-Truppenstärke in Europa wieder auf das Niveau von 2012 zurückkehren solle und dass offensive Waffenlieferungen an die Ukraine unter Verletzung der Minsk-Abkommen fortgesetzt und ausgeweitet werden sollten.

Eine weitere problematische Besetzung sei die designierte Verantwortliche für afrikanische Angelegenheiten: Linda Thomas-Greenfield sei eine treue Verbündete der ehemaligen nationalen Sicherheitsberaterin der USA, Susan Rice, die auf einen Krieg in Libyen drängte und die Invasion des Irak unterstützt habe. Sie sei außerdem Teil der Albright Stonebridge Group, einer globalen Beratungsfirma unter dem Vorsitz der ehemaligen Außenministerin Madeleine Albright, die Lobbyarbeit für die Verteidigungsindustrie betreibt.

Zur Gruppe des Außenministeriums gehört auch Dana Stroul, eine Teilnehmerin am neokonservativen Washingtoner Institut für Nahostpolitik (WINEP). Stroul sei 2019 der “Syria Study Group” bei der Ausarbeitung der nächsten Phase des Krieges der USA in Syrien beigetreten. Deren Empfehlungen würden die Aufrechterhaltung einer militärischen Besetzung eines Drittels des Landes, des “rohstoffreichen Teils Syriens”, beinhalten: um den USA ein Druckmittel an die Hand zu geben, “ein politisches Ergebnis zu beeinflussen“. Stroul drängte laut „Grayzone“ auf weitere Wirtschaftssanktionen gegen Damaskus und die Behinderung der Wiederaufbauhilfe, die bereits zu einer Verknappung von Öl und Brot geführt habe.

Aggressoren werden zu „Friedensstiftern“ umgedichtet

Mehrere von Biden und Harris ernannte Personen würden auch den Regimewechsel in Venezuela unterstützen. Außerdem gehöre dem Nachrichtendienstteam von Biden-Harris Greg Vogle an, ein ehemaliger CIA-Stationsleiter in Afghanistan und ehemaliger Partner der Beratungsfirma McChrystal Group, die vom ehemaligen Kommandeur des Joint Special Operations Command (JSOC) Stanley McChrystal gegründet wurde. Sowohl das JSOC als auch die CIA sowie die von ihnen ausgebildeten paramilitärischen Kräfte haben laut „Grayzone“ in Afghanistan Kriegsverbrechen begangen.

Die Liste mit vorbelasteten und problematischen Personen wird in dem Artikel von „Grayzone“ (auf Englisch) noch lange fortgesetzt. Fragwürdig sind nicht nur die außenpolitischen Vorhaben, sondern auch wirtschaftspolitische Pläne. Die absurde Diskrepanz zwischen einem (vor allem außenpolitisch) aggressiv ausgerichteten Biden-Team und den Vorschusslorbeeren als Friedensstifter, die es von großen deutschen Medien erhält, wird auch in diesem interessanten Artikel bei „Telepolis“ deutlich. Insgesamt offenbart sich auch beim Thema US-Wahl ein (mutmaßlich vorsätzliches) „Versagen“ der deutschen Medienlandschaft.

Titelbild: Alex Gakos / Shutterstock