Richterin im Rampenlicht entscheidet gegen Auslieferung von Assange an die USA

Richterin im Rampenlicht entscheidet gegen Auslieferung von Assange an die USA

Richterin im Rampenlicht entscheidet gegen Auslieferung von Assange an die USA

Ein Artikel von Moritz Müller

Vor einigen Stunden hat Richterin Vanessa Baraitser gegen die Auslieferung von Julian Assange an die US-Justiz entschieden. Ausschlaggebend war am Ende, dass sie die akute Suizidgefahr bei Assange anerkennt und dass diese im „unterdrückenden“ (opressive) Justizvollzug, dem Assange im Falle einer Auslieferung ausgesetzt wäre, nicht ausreichend Beachtung finden würde. Diese Entscheidung kam überraschend, weil Richterin Baraitser während der rund einstündigen Verhandlung der Anklage der USA im Großen und Ganzen gefolgt ist. Vielleicht war am Ende der öffentliche Druck auf die Richterin doch zu groß, als dass sie alle Argumente gegen eine Auslieferung ignorieren konnte. Von Moritz Müller.

Nachdem es um Julian Assange immer stiller geworden war und oft nur eine Handvoll Unterstützer vor der ecuadorianischen Botschaft in London ihre Solidarität mit ihm bekundeten, begleitet von wenigen Medien, hat sich das Interesse an diesem wichtigen Fall in den letzten Wochen und Monaten merklich gesteigert.

Dies ist nicht zuletzt die Folge des stetigen Einsatzes der „alternativen“ Medien, welche nicht in die allgemeine Rufmord- und Ignoranzkampagne mit eingestimmt haben, sondern am Ball blieben, berichteten, Briefe an Verantwortliche schrieben, viele kleine Details aufspürten und weiter verbreiteten, die Licht in diese dunkle Angelegenheit brachten. In den Mainstreammedien ging es zu der Zeit immer noch um angebliche Vergewaltigung, „Narzisst“ und „Nichtjournalist“

Auch die NachDenkSeiten haben in den letzten Jahren kontinuierlich berichtet und Stellung bezogen, damit das, was an freier Meinungsäußerung noch existiert, nicht zusammen mit Assange an die USA ausgeliefert wird.

Die zahlreichen Mahnwachen in Düsseldorf, Berlin, Köln, London und an vielen anderen Orten der Welt haben hoffentlich ihr Übriges getan, um den Verantwortlichen zu zeigen, dass man Assange und das Thema Pressefreiheit nicht einfach in der Versenkung verschwinden lassen kann.

In den letzten Wochen mehrten sich die Zeichen, dass auch die vorher eher wegschauenden Beteiligten nun das Thema nicht mehr ignorieren konnten oder wollten. So formierte sich eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe im Bundestag, es erschienen Beiträge und Editorials in den etablierteren Medien und in den letzten Tagen äußerte sich sogar die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, wenn auch vorsichtig, besorgt zum Verfahren im Vereinigten Königreich.

Nun hat Baraitser die Verantwortung für die Gefahr für Assanges Leib und Leben auf die nächsthöhere Instanz abgewälzt. Dass sie Assanges mentalen Gesundheitszustand als Auslieferungshindernis anführt, ist erstaunlich, weil sie selbst nichts an seinen Haftbedingungen geändert oder ihn auf Kaution freigelassen hat und ihn im Gericht herabwürdigend behandelt hat. Er durfte z.B. nicht bei seinen Anwälten sitzen, sondern musste wie ein gewalttätiger Terrorist in der letzten Reihe sitzen und auf die Rücken seiner Verteidiger blicken.

Dies alles hat seine Gesundheit sicher nicht positiv beeinflusst und Frau Baraitser ließ auch nie den Anschein aufkommen, als interessiere sie dieser übermäßig. Aber ich mag mich täuschen und vielleicht wollte Frau Baraitser auch nur unparteiisch erscheinen und ist dabei über das Ziel hinausgeschossen.

Während ich heute die Nachrichten, die aus der Verhandlung sickerten, verfolgte, hätte ich mir diesen Ausgang nicht träumen lassen. Die Richterin folgte eigentlich in allen Punkten der Anklage. Nämlich dass Assange durch seine Veröffentlichungen Menschen gefährdet habe, obwohl die Verteidigung im September sehr ausführlich das Gegenteil darlegte. Außerdem bestritt sie die politische Dimension des Falls bzw. sie sagte, dass das britische Auslieferungsgesetz eine Auslieferung in politischen Fällen sowieso nicht mehr verbiete. Sie bestritt auch nicht den Anspruch der USA, weltweit anzuklagen und Publizisten zu verfolgen.

Sie sagte auch, dass Assange in den USA ein faires Verfahren erwarten könne, was angesichts des Verfahrens gegen Chelsea Manning etwas absurd klingt. Nur die Haftbedingungen in US-Hochsicherheitsgefängnissen zusammen mit Assanges Gesundheitszustand ließ sie dann am Ende gegen eine Auslieferung entscheiden.

Die US-Anklagevertreter kündigten Berufung an und dafür haben sie zwei Wochen Zeit. Das ist eigentlich erstaunlich, weil die USA behaupten, in den USA würden Assange vier bis sechs Jahre Haft erwarten anstatt der 175 Jahre, von der die Verteidigung spricht. Es stellt sich die Frage, warum die USA so einen Aufwand betreiben, wenn Assange schon mehr als diese Zeit in Unfreiheit verbracht hat. Assange selbst musste auch heute weiterhin in Haft bleiben, denn über einen Kautionsantrag wird erst am Mittwoch am Westminster Magistrates Court entschieden.

Seine Verlobte Stella Moris äußerte sich nach der heutigen Verhandlung sehr verhalten über diesen zwiespältigen Ausgang, gab aber ihrer Hoffnung Ausdruck, dass Julian Assange bald bei ihr und den gemeinsamen Söhnen sein werde. Des Weiteren appellierte sie an den Noch-US-Präsidenten Trump, die Anklage nunmehr fallenzulassen.

Auch Wikileaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson bekräftigte diese Forderung und auch er betonte, dass das heute Gesagte nicht gut sei für Journalisten in aller Welt, und diesem Urteil würde ich mich wohl anschließen.

In den nächsten Tagen wird es wohl weitere Reflektionen zum Thema geben und auch eine Reaktion der US-Seite wird sicher interessant zu analysieren sein.

Titelbild: © Moritz Müller

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