Im Schatten von Corona: Zensur, Überwachung, digitale Gängelung

Im Schatten von Corona: Zensur, Überwachung, digitale Gängelung

Im Schatten von Corona: Zensur, Überwachung, digitale Gängelung

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Aktuelle private und staatliche Vorhaben sollen die Meinungsfreiheit im Internet weiter einschränken. Manche Länder wehren sich nun gegen die private Willkür der Tech-Konzerne und verbieten inhaltliche Löschungen. Gleichzeitig werden umfassende „Bürgernummern“ beschlossen und „digitale Identitäten“ angestrebt. Hier folgt eine Auswahl der bedrohlichen Tendenzen. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Betrachtung der „sozialen Medien“ ist immer zweischneidig. Denn die Gegenöffentlichkeit, die die Internetkonzerne nun teilweise radikal und selbstherrlich zensieren, haben sie vorher mit möglich gemacht: Auch Facebook, Google und Youtube haben einen Anteil daran, dass im Internet eine Medienlandschaft jenseits der etablierten Konzernmedien entstehen konnte. Nun bilden aber gerade die vorübergehend hilfreichen Tech-Konzerne eine potenzielle Gefahr für diese Meinungsfreiheiten. Auch zur Digitalisierung sei prinzipiell gesagt: Die rasante Entwicklung kann viele praktische und möglicherweise positive Neuerungen für den Alltag beinhalten. Aber die negativen Auswüchse im digitalen Raum – sowohl der privaten Zensur, als auch der staatlichen digitalen Kontrolle – müssen trotzdem immer wieder angeprangert werden. Hier folgt darum eine subjektive und unvollständige Auswahl der ganz aktuellen, teils hochproblematischen Tendenzen.

Staatliche Überwachung der Messenger-Dienste

Nach aktuellen Plänen des Bundesinnenministeriums (BMI) sollen sich die Bürgerinnen und Bürger künftig identifizieren müssen, wenn sie online über Messengerdienste, Audio-, Videochats oder auch per E-Mail kommunizieren möchten. So will das BMI bei den Verhandlungen zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) kurzfristig noch Änderungen mit weitreichenden Folgen für alle Internetnutzer durchsetzen, wie Medien berichten. Das Medium „Posteo“ berichtet, dass das BMI etwa fordere, dass die Bürger ihren Namen, die Anschrift sowie ihr Geburtsdatum zwingend bei den Anbietern hinterlegen, die diese Angaben (z.B. mit Personalausweis oder Ident-Diensten) verifizieren müssten. Das Medium stellt fest:

„Die Identifizierungspflicht würde die Art und Weise, wie Menschen hierzulande Online-Dienste nutzen, grundlegend ändern.“

Die Daten der Nutzer sollen demnach zum Zweck einer möglichen künftigen Strafverfolgung flächendeckend gespeichert werden: Das sei nichts anderes als eine Personen-Vorratsdatenspeicherung. Die gesellschaftlichen Konsequenzen wären laut den Berichten enorm: Etwa bei der Teilhabe von Personen ohne Ausweis (Kinder, Geflüchtete) oder von Menschen, die aus Sicherheitsbedenken ihre Daten online nicht überall angeben möchten. Das vertrauliche Hilfesuchen und Konsultieren von Beratungsangeboten würde genauso erschwert wie die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten. Außerdem würden die Datensammlungen hochattraktiv für Datendiebe und vermehrt Ziel von Angriffen. Datenschutzrechtliche Grundsätze würden übergangen. Die „Wunschliste“ des BMI enthält noch zahlreiche weitere fragwürdige Aspekte.

Private Zensur des Internets

Neben solchen staatlichen Bestrebungen zu mehr Überwachung im Internet gibt es private Tendenzen zur Zensur im digitalen Raum. Die Versuche großer Internet-Konzerne, gezielt auf die Meinungen der Nutzer Einfluss zu nehmen oder sie von bestimmten Inhalten gezielt abzuschirmen, nehmen rasant zu. Ein drastisches Beispiel war die Sperrung der Accounts von Ex-US-Präsident Donald Trump. Da diesen Sperrungen keine transparenten Entscheidungen, etwa von Gerichten, zugrundeliegen, sind sie eine fragwürdige Form der privaten Zensur. Und Ausdruck der Willkür einer kleinen, mit den Löschungen betreuten Gruppe. Ein aktuelles Beispiel dieser Willkür war etwa die Zensur der Live-Übertragung einer Trump-Rede durch RT auf Youtube. RT DE hatte die Rede nach eigenen Angaben am Sonntag live auf seinem Kanal übertragen. YouTube hat dem Sender dafür eine Verwarnung erteilt und das Video gelöscht.

Und auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat kürzlich in diesem Beitrag angekündigt, künftig noch stärker eine politisch-inhaltliche Auswahl zu treffen: Das Ziel sei es, „hitzige Debatten zu verhindern, die Spaltung säen“. Auch hier ist es aber ein intransparenter Prozess und eine nicht legitimierte Gruppe, die diese Auswahl nach eigenem Gutdünken trifft.

Polen verbietet die Sperrung von Accounts

In Polen und Russland könnte diese Form der privaten Willkür bald verboten werden: So will die Regierung in Polen den Anbietern sozialer Medien das Sperren von Konten durch hohe Strafen unattraktiv machen, wie Medien berichten. Der polnische Justizminister stellte hierzu das “Gesetz zum Schutz der Redefreiheit” vor.  Bis zu 50 Millionen Złoty (elf Millionen Euro) würden den Anbietern drohen, sollten sie die gelöschten Beiträge oder Konten nicht wiederherstellen. 

Russland hat laut „Anti-Spiegel“ ebenfalls gerade ein Gesetz erlassen, das (westlichen) Internetkonzernen Strafen bis hin zur Sperrung in Russland androht, wenn sie russische Medien oder russische Blogger zensieren.

Wie zur Bestätigung der Sorge vor einer privaten Selbstherrlichkeit der Tech-Konzerne hat Twitter kürzlich die Sperrung von hunderten Kanälen aus dem Iran, Armenien und Russland gemeldet. Die politisch nicht gerade neutrale Begründung von Twitter für die Sperrung von 69 russischen Kanälen lautet:

“Unsere erste Untersuchung fand und entfernte ein Netzwerk von 69 Fake-Accoounts, die sicher an russische staatliche Akteure gebunden sind. Eine Reihe dieser Accounts verstärkte die Narrative, die mit der Linie der russischen Regierung in Einklang standen, während ein anderer Teil des Netzwerks sich darauf konzentrierte, das Vertrauen in das NATO-Bündnis und seine Stabilität zu untergraben.”

Google, das Geld und der Journalismus

Wie neben dieser Zensur etwa Google seinen Reichtum nutzt, um sich in die Meinungsbildung in Deutschland einzukaufen, das hat die Otto-Brenner-Stiftung kürzlich in ihrer Studie „Medienmäzen Google – Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt“ untersucht. Demnach hat Google in den letzten sieben Jahren mehr als 200 Millionen Euro in den europäischen Journalismus gesteckt. Neben Investitionen in Technik würden demnach auch Rechercheprojekte gefördert, Journalismus-Kongresse organisiert und Ausbildungsaufenthalte junger Journalisten finanziert. Dies führe zu der Frage: Warum macht Google das?

Einer fragwürdigen Google-Kooperation wurde gerade durch die Rechtssprechung ein vorläufiger Riegel vorgeschoben, nämlich jener zwischen Gesundheitsministerium und der Suchmaschine. Laut Medien begründete das Gericht die – noch nicht rechtskräftigen – Urteile unter anderem damit, dass die staatliche Kooperation mit Google zu einer “Reduzierung der Medien- und Meinungsvielfalt” in Deutschland führen könnte.

Facebook rekrutiert Personal bei Behörden und bei der NATO

Auf aggressiven Lobbyismus durch hochkarätiges Personal setzt Facebook – wohl auch, um solche Niederlagen möglichst selten zu halten. So berichten Medien, dass Facebook die Stelle des „Public Policy Director Central Europe“ mit Julia Reuss besetzen will: Das ist strategisch klug, denn Reuss war zwei Jahre lang Büroleiterin von Digital-Staatsministerin Dorothee Bär, kann also die entsprechenden Einblicke und Kontakte für Facebook nutzen.

Außerdem hat Facebook gerade den ehemaligen NATO-Presse-Offizier Ben Nimmo angeheuert, wie US-Medien berichten. Laut dem US-Blog „Mintpress“ sei es „inzwischen schwer zu unterscheiden, wo der ‚Deep State‘ endet und die vierte Gewalt beginnt, und Ben Nimmos Wechsel von der NATO zu einem mit der NATO verbündeten Think Tank zu Facebook ist nur ein weiteres Beispiel für dieses Phänomen“.

Niemand hat die Absicht, einen digitalen Impfpass einzuführen

Nochmal zurück zu staatlichen Vorhaben der digitalen Gängelung und der potenziellen Einführung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Laut Berichten prüfen das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesinnenministerium die bundesweite Einführung eines digitalen Impfpasses. Wer eine solche Karte erhalte, so Medien, für den würden die Corona-Regeln zwar weiter gelten. Doch wenn beispielsweise Restaurants oder Fitnessstudios wieder öffnen dürfen, wären Betreiber in der Lage, nur Geimpften Zugang zu gewähren. Hier sei aber betont, dass natürlich „niemand die Absicht hat, einen Immunitätsausweis einzuführen“.

Außerdem hat der Bundestag kürzlich die Steuer-Identifikationsnummer zur einheitlichen Bürgernummer für alle Behörden erhoben, wie etwa Norbert Häring berichtet. Diese umfassende Bürgernummer soll den Behörden den Zugriff auf schon vorhandene Personendaten bei anderen Behörden ermöglichen. Häring hat in zahlreichen Artikeln zu einer „Digitalen Identität“ diese aktuell drohende Entwicklung zur umfassenden Überwachung beschrieben. Sein Urteil lautet

„Damit ist der Weg zur gläsernen Bürgerin vorgezeichnet.“

Und auch die ganz aktuellen Beschlüsse Bund-Länder-Konferenz zu Corona deuten auf eine Entwicklung, die eine individuelle digitale „Kontaktnachverfolgung“ salonfähig macht:

„Die Länder stellen in ihren Verordnungen sicher, dass die verpflichtende Dokumentation zur Kontaktnachverfolgung auch in elektronischer Form, zum Beispiel über Apps erfolgen kann, wenn sichergestellt ist, dass Zeit, Ort und Erreichbarkeit der Kontaktperson hinreichend präzise dokumentiert werden und die Daten im Falle eines Infektionsgeschehens unmittelbar dem zuständigen Gesundheitsamt in einer nutzbaren Form zur Verfügung gestellt werden. Die Länder werden im Rahmen eines bundesweit einheitlichen Vorgehens ein System für die Digitalisierung der Kontaktnachverfolgung gemeinsam auswählen, dringlich vergeben und einführen sowie kostenlos zur Verfügung stellen.“

Titelbild: Trismegist san / Shutterstock

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