„Soweit man einen Kopf halt schütteln kann, der bis zum Hals im Arsch der Amerikaner steckt“

„Soweit man einen Kopf halt schütteln kann, der bis zum Hals im Arsch der Amerikaner steckt“

„Soweit man einen Kopf halt schütteln kann, der bis zum Hals im Arsch der Amerikaner steckt“

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Wir erinnern unregelmäßig an wichtige, aber ignorierte Zwischenrufe ab 2014 (heute: „Die Anstalt“, „Panorama“, Fritz Pleitgen), die zeigen: Man wusste spätestens 2014, dass der Maidan-Umsturz und die darauf folgende Aufrüstung der Ukraine Europa in den Krieg führen können. Nicht zu viel Entspannung hat zum Krieg geführt, sondern zu wenig. Antirussische Scharfmacher, die seit 2014 falsch lagen, haben heute trotzdem moralisches Oberwasser. Die in diesem Artikel genannten Beispiele zeigen außerdem, wie der schon damals kleine Debattenraum seither nochmals radikal verengt wurde. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Hinterher ist man immer klüger“ – diese Ausrede gilt im Fall des Ukrainekrieges nicht. Neben vielen anderen Stimmen (heute meist verstummt) haben auch die NachDenkSeiten lange davor gewarnt, dass die propagandistische Feindschaft gegenüber Russland, die Sanktionen und das Ignorieren aller russischen Sicherheitsbedenken einen Krieg provozieren könnten. Das bedeutet keine politisch-juristisch-moralische Bewertung dieses Krieges, sondern nur die Feststellung, dass gewisse Reaktionen auf die westliche Geopolitik absolut voraussehbar waren, dass aber diese Politik trotzdem in skrupelloser Weise und sehenden Auges fortgesetzt wurde: zum Nachteil aller europäischen Bürger und zugunsten von US-Interessen.

Die Akteure, die diese von vielen Seiten erklingenden Warnungen ignoriert oder verteufelt haben, tun jetzt so, als hätten sie recht behalten – „bewiesen“ sei das durch den russischen Einmarsch. Wer aber sagt, zu wenig „Entschlossenheit“ gegenüber Russland hätte zum Ukrainekrieg geführt, stellt die Tatsachen auf den Kopf.

Rückblicke sind oft tragisch: all die verpassten Chancen. Und: Was war damals noch alles möglich, etwa an Meinungsäußerungen? Was wusste man alles und hat es all die Jahre bewusst ignoriert? Wie viele Menschenleben hätten gerettet werden können, wie viel Wohlstandsvernichtung und damit soziale Zuspitzung wäre verhindert worden, wenn die US-grüne Propaganda in (vor allem) den letzten zehn Jahren nicht so erfolgreich gewesen wäre?

Was man 2014 noch sagen „durfte“…

Das markige Zitat in der Überschrift stammt von 2014 vom TV-Kabarettisten Max Uthoff („Die Anstalt“/ZDF) und bezog sich satirisch auf Pressereaktionen zum damaligen Aufruf zu mehr Entspannung gegenüber Russland von 60 prominenten Persönlichkeiten (wir hatten kürzlich hier an diesen Aufruf erinnert). Komplett lautet Uthoffs Aussage:

„FAZ und Die Zeit haben ob des Wunsches nach Frieden und Gespräch nur arrogant mit dem Kopf geschüttelt – soweit man einen Kopf halt schütteln kann, der bis zum Hals im Arsch der Amerikaner steckt.“

Dass die Unterwerfung unter US-Interessen nicht durch eine destruktive Unterwerfung unter russische Interessen getauscht werden sollte, ist im Übrigen selbstverständlich – es geht um Ausgleich und um die Verhinderung von Krieg durch die Anerkennung von einleuchtenden Sicherheitsbedenken des jeweiligen „Gegners“. In der betreffenden „Anstalt“-Sendung von Dezember 2014 wurde auch die damals neue Regierung in der Ukraine thematisiert – in einer kabarettistischen Form, wie sie heute kaum noch möglich erscheint. Angesprochen werden (in diesem Video ab Minute 0:41) etwa die offensichtliche Unterwanderung dieser Regierung vor allem zugunsten von US-Interessen oder die Existenz ukrainischer „pro-westlicher Nazis“. Uthoffs satirisches Fazit, auch zum damals von Kiew begonnenen Krieg gegen die „Volksrepubliken“ in der Ostukraine:

„Wunderbare Regierung, die dringend unterstützt werden muss bei der weiteren Bombardierung der Zivilbevölkerung im Osten des Landes.“

Hier der ganze Ausschnitt:

ARD 2014: „Putsch in Kiew: Welche Rolle spielen die Faschisten?“

Ebenfalls 2014 konnte man in großen Magazinen wie dem Stern noch Artikel wie diesen von Mohssen Massarrat finden. Dort heißt es etwa:

„Somit richtet sich auch die Ukraine-Politik der USA, wenn überhaupt, nur zu einem Teil gegen Russland. In der Hauptsache jedoch gegen die “europäischen Freunde”, die in künstlich andauernder Feindschaft zu Russland gehalten werden sollten. (…) Nun steht die EU, entgegen ihrer ureigenen Interessen, vor einem gefährlichen Scherbenhaufen einer ihr von den USA aufgezwungenen Russland- und Ukraine-Politik.“

Sogar im Spiegel wurde 2015 über Verbrechen von Rechtsradikalen in der Ukraine berichtet, zum Beispiel in diesem Artikel über das Massaker von Odessa. Zwar ist der Text gespickt mit Verzerrungen, aber immerhin wurde das Ereignis damals thematisiert.

Und in der ARD-Sendung „Panorama“ wurde 2014 noch gefragt:

„Putsch in Kiew: Welche Rolle spielen die Faschisten“?

Im Beitrag wird zunächst ein Zitat des russischen Präsidenten Wladimir Putin von 2014 eingespielt: „Die Willkür, die von Neonazis, Nationalisten und Antisemiten ausgeht, bereitet uns am meisten Sorge in der Ukraine.“ Der Kommentar von „Panorama“: „Schwer zuzugeben, doch in diesem einen Punkt hat Putin nicht ganz unrecht.“

„Die damit entstandene Zerreißprobe geht aufs Konto der EU“

Kürzlich hat Globalbridge daran erinnert, wie recht der ehemalige Intendant des Westdeutschen Rundfunks, Fritz Pleitgen, hatte, als er im Jahr 2014 über die Ukraine-Krise schrieb:

„Die EU hat mit ihrer Forderung an die Ukraine, sich in ihrer Ausrichtung zwischen der EU und Russland zu entscheiden, die ukrainischen Eigenheiten und Realitäten klar missachtet. Die damit entstandene Zerreißprobe geht aufs Konto der EU. (…) Die Europäische Union hat nicht nur ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, sondern ebenfalls mit Georgien und Moldawien vorbereitet und inzwischen auch politisch abgeschlossen. Dadurch wird der Status quo in Europa einseitig verändert, weil der Westen mit einem Schlag direkt an die Grenzen von Russland vorrückt. Im vorigen Jahrhundert wäre eine Veränderung des Status quo gleich um mehrere hundert Kilometer ein Kriegsgrund gewesen – für Ost wie für West.“ 

Globalbridge weist auch auf einen aktuellen Artikel des US-Politologen Jeffrey D. Sachs hin, in dem er schreibt:

„Tatsächlich wurde der Krieg von den USA auf eine Art und Weise provoziert, die führende US-Diplomaten schon seit Jahrzehnten im Vorfeld des Krieges vorausgesehen hatten, was bedeutet, dass der Krieg hätte vermieden werden können und nun durch Verhandlungen beendet werden sollte.“

Man wusste 2014, wo das hinführt

In der oben bereits angesprochenen „Panorama“-Sendung wurde bezüglich der westlichen Unterstützung für eine fragwürdige Regierung in Kiew bereits 2014 die zentrale Frage gestellt:

„Motto: Der Feind von Putin ist mein Freund – ob so eine Strategie aber zum Frieden führt?“

Heute wissen wir: Nein, diese Strategie hat in den Krieg geführt. Wir wissen auch, dass man das bereits 2014 hätte wissen können.

Aktualisierung 26.5.2023, 11.30h: Im ersten Absatz wurde das Wort „Putsch“ durch „Umsturz“ ersetzt