Die Zeit der Schadenfreude über Clintons Niederlage ist vorbei. Wir müssen uns jetzt der neuen (brutalen) Realität stellen: Donald Trumps Außen- und Sicherheitspolitik

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Gute Beobachter des Zeitgeschehens fanden die Aussichten auf Hillary Clinton so entsetzlich, dass sie aufatmeten, als Trump gewählt war. Reiner Braun hält das für nicht angebracht. Das Prinzip „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ sei hier erkennbar falsch. Der Präsident des Internationalen Friedensbüros hat am 24.11.2016 nüchtern skizziert (Weltnetz.tv), wen Trump in wichtige Ämter holt und was das für seine Außen-und Sicherheitspolitik bedeuten kann. Die NachDenkSeiten haben den Vortrag Brauns verschriften lassen. Das erleichtert Ihre Wahrnehmung. Die mit der Lektüre einhergehende Depression hätte ich Ihnen gerne erspart. Aber die Augen vor dem zu verschließen, was an Grauen auf uns zukommen kann, macht auch keinen Sinn. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hier der Text des Vortrags:

Donald Trumps Außen- und Sicherheitspolitik

(Erste) Einschätzungen und Anforderungen aus linker und friedensbewegter Sicht

überarbeiteter Mitschnitt des Vortrages von Reiner Braun, Präsident des internationalen Friedensbüros IPB am 24.11.2016 in Berlin

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist eine nicht leichte Aufgabe in dieser Übergangsphase bis zur Bildung der neuen US-Regierung und der Inauguration des Präsidenten etwas Genaueres zum „System Trump“ zu sagen. Aber ich will es versuchen.

Ich möchte mit einer ersten Vorbemerkung beginnen. Die heißt: die Zeit der Schadenfreude über Hillary Clintons Niederlage ist vorbei. Wir müssen uns jetzt der neuen (brutalen) Realität stellen. Auch wenn wir ja wissen, dass die USA und die internationale Mainstream Politik Frau Clinton massiv unterstützt hat. Der neueste Skandal ist ja das GIZ-Geld, also deutsches entwicklungspolitisches Geld, das über die Clinton-Foundation in Höhe von 2,6 Millionen geflossen ist. Das ist mindestens eine Privatisierung von Entwicklungshilfe, die dem staatlichen Auftrag widerspricht.

Es bleibt aber auch wahr und zu beachten, dass wesentliche Teile der linksradikalen und linken Kräfte der USA Clinton unterstützt haben: dazu gehören Noam Chomsky, Angela Davis, die KP der USA, viele relevante Kräfte aus der Friedens- und anderen sozialen Bewegungen.

Ich will mein Prinzip voranstellen. Es heißt: der Feind meines Feindes ist nicht mein Freund. Ich würde es gern als ein Grundprinzip des Herangehens an die Personen Clinton/Trump vorweg schicken. Ich werde mich in dem Beitrag auch nicht mit den Gründen seines Wahlsiegs beschäftigen, sondern ich werde versuchen zu skizzieren, so gut es geht, wie die politischen Linien seiner Außen- und Sicherheitspolitik sein könnten und welche Indizien es für was gibt.

Dafür möchte ich eine weitere Vorbemerkung machen. Die heißt: Wir sollten uns immer klar sein, was die Rolle von Persönlichkeit in der Geschichte ist. Persönlichkeiten können gesellschaftliche Prozesse voranbringen, massiv beeinflussen, aber Persönlichkeiten sind niemals losgelöst von dem gesellschaftlichen Umfeld, von den Konstellationen in der Gesellschaft zu diskutieren. Trump ist ein Repräsentant des us-amerikanischen Establishments, und zwar des reaktionärsten, menschenfeindlichen, rassistischsten, arbeiterfeindlichen, antisozialen, demokratiefeindlichen Teils dieses Establishments. Vieles, was G. Dimitrow zur Definition des Faschismus der 30er Jahre gesagt hat, trifft auf das System Trump auch zu. Es ist ein Großangriff auf Bürgerrechte und soziale Rechte. Er ist ein Repräsentant dessen, was ich als „rechtskonservatives, zutiefst reaktionäres Milliardärsnetzwerk“ bezeichnen möchte, das hinter ihm steht, ihn von Anfang an favorisiert und finanziert hat.

Dieses Netzwerk umfasst Stiftungen, Milliardäre, Spekulanten, Industriekomplexe und rechtsradikale think tanks. Um ein Beispiel für so ein Netzwerk, so eine Foundation zu nennen, nenne ich die Bradley-Foundation aus Wisconsin, die zur Zeit die gesamte politische Führung dieses Staates stellt, der traditionell ein demokratischer Staat war. Den haben die Stiftung und die hinter ihr stehenden reaktionären Industriefürsten der Region innerhalb von vier Jahren vollkommen umgedreht, mit Milliarden von Dollar. Der neue Gouverneur Walker ist aus dieser Stiftung. Und der Stabschef von Trump, Priebus, ist auch aus dieser Stiftung, durch sie politisch groß geworden und von dieser Stiftung finanziert. Dieses ist eine Stiftung, deren Vorsitzender sagt: „Jeder kann seine Zukunft selbst beschreiten, jedes soziale Recht lähmt die Initiative von Menschen und korrumpiert Menschen.“

Dieses ist der geistige Hintergrund von Trump. Und diese Netzwerkstrukturen gibt es in dem ganzen Land. Sie sind in den letzten Jahren u.a. mit der Tea-Party-Bewegung zu einem dominanten ideologischen Faktor innenpolitischer Entwicklung geworden. Sie stellen Senatoren und führende Politiker in dem Land.

Welche Kräfte also repräsentiert dieser Donald Trump? Ich werde versuchen, diese gesellschaftlichen Konstellationen an Beispielen deutlich zu machen, an Hand von den Personen, die er bisher ausgewählt hat für seine Regierungsmannschaft. Ein erster Teil dieser Kräfte sind Personen aus Armee und Geheimdienst, z. B. der neue Verteidigungsminister James Matthis.

Es wäre das erste Mal seit 65 Jahren, dass ein General das Verteidigungsministerium übernimmt. Und dieser General hat vorher schon 25 Jahre im Pentagon die Pläne für die Irak-Kriege mit erarbeitet und war der Leiter des Bombardierungseinsatzkommandos für Libyen. Matthis ist ein ehemaliger Drei-Sterne-General der USA, der übrigens Kommandeur der NATO-Truppen war, US-Central-Command-Commander der Joint-Forces-Command und des Supreme-Allied-Commander-Transformation der NATO. Einer der ranghöchsten NATO-Generäle. Von wegen NATO-Feindlichkeit von Herrn Trump. Er ist der General reinsten Wassers und ein Freund der Folter. Er war in Afghanistan, im Irak. Und ich zitiere ihn: „Also, ich muss euch sagen, das Kämpfen macht viel Spaß. Es macht eine ganze Menge Spaß. Es macht Spaß, ein paar Leute zu erschießen. Du gehst nach Afghanistan, gerätst an die Front, an Leute, die ihre Frauen fünf Jahre lang verprügeln. Dann musst du sie einfach erschießen, dann löst du das Problem.“ [Originalzitat Matthis.] Dieses ist das Denken dieses aggressiven, kriegführenden Generals.

Politisch ergänzt wird dieser durch den Chef des nationalen Sicherheitsrates Michael Flynn: Er war Chef der DIA (Defense Intelligence Agency/der Koordination aller militärischen Geheimdienste), war mehrfach im Irak und in Afghanistan im Einsatz. Als Geheimdienstchef der US-Spezialkräfte steuerte er im Irak die Jagd nach dem dortigen Al-Kaida-Chef Abu Mussab al-Sarkawi, der 2006 durch eine US-Drohne getötet wurde. Flynn stieg danach weiter in der Militärhierarchie auf und ist ein „Freund“ von Erdorgan, den er bis heute aktiv verteidigt. Über den Kampf gegen die vom ihm islamistische Extremisten genannten islamischen Kämpfer veröffentlichte er in diesem Jahr auch ein Buch. Darin fordert er unter anderem, dass Staaten wie Ägypten, Jordanien, Katar und Saudi-Arabien mehr Verantwortung im Anti-Terror-Kampf übernehmen müssten. Er ist einer der Repräsentanten des sogenannten „Krieges gegen den Terror“.

Ein ähnlicher Vertreter ist der neue CIA-Chef, Mike Pompeo, Tea-Party-Gründungsmitglied, der im Untersuchungsausschuss zu Geheimdienstverrat in den USA folgendes, wunderschöne Zitat von sich gegeben hat:

„Ich bin dafür, dass man den Whistleblower erschießt.“

Er bezog sich auf Edward Snowden. Dieser Mensch wird neuer CIA-Chef. Seine erste Aussage nach der Wahl: Wir müssen alle Regulierungen der letzten acht Jahre, „die die Arbeit des Geheimdienstes hemmen“ [Zitat] fallen lassen.

Alles Menschen mit viel illegaler, völkerrechtswidriger Erfahrung. Dieses ist sein militär- und sicherheitspolitischer Stab. Krieg und Interventionen auf ganzer Linie. Waffennarren sind sie alle, Waffenexporte halten sie für ein gutes Geschäft – egal an wen.

Kommen wir zu dem Bereich der nationalistischen und chauvinistischen Kräfte, denen Trump in anderen Regierungsbereichen Verantwortung übertragen will. Nur zwei Beispiele: Der Kandidat Nummer Eins für das Umweltministerium, zuständig auch für Klima, heißt Myron Ebell. Er leugnet den menschengemachten Klimawandel. „Klimaveränderungen liegen in Gottes Hand. Es wurde schon immer mal etwas kälter und etwas wärmer.“ [Zitat Ebel] Dieser Mensch soll die Pariser Beschlüsse zur Klimaerwärmung torpedieren. Er war 25 Jahre aktiv in führenden Positionen beschäftigt in der Ölindustrie „Exxon“ und der Kohleindustrie. Mit denen ist er aufs Engste verbunden.

Oder ein weiterer Bereich einer zentralen Position, Jeff Sessions, der neue Justizminister, wird von der „New York Times“ als einer der fünf konservativsten Senatoren der USA in den letzten Jahrzehnten bezeichnet. Er kommt aus Alabama und ist bestenfalls ein „Verschwörungstheoretiker und Antiaufklärer“. [Zitat nach der NYT] .Diese Truppe wird ausgewählt von dem neuen Vizepräsidenten Mike Pence. Mike Pence ist Evangelist, Tea Party Gründungsmitglied und immer antiaufklärerisch tätig gewesen

Ich habe bis jetzt noch nicht über weitere Personen geredet, die ich jetzt nur nennen will, die aber seinen Wahlkampf zentral unterstützt haben und die zentrale Positionen in der Administration erhalten werden. Offen ist noch, welche Positionen.

Newt Gingrich, der Vater der sogenannten „amerikanische Revolution der Neunziger Jahre“, das Anti-Konzept zu Clinton, einer der brutalsten Rechten in den USA, ein „Russland Hasser“ reinsten Wassers. Jeder möge sich eine Debatte zur internationalen Politik ansehen, als er ab 1999 Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus war.

Rudolph Giuliani, der ehemalige Bürgermeister von NEW York, der die halbe Stadt privatisiert und die ganze Stadt gegen die Minderheiten militarisiert, sowie den Etat für die Polizei verfünffacht hat. Polizeieinsatzgruppen inklusive Passkontrollen und ähnliches bei Farbigen und Minderheiten wurden von ihm eingeführt.

Ein weiterer Name Mike Bolton als möglicher Kandidat für den Außenminister oder Vizeaußenminister – DER Vater des Irakkrieges. Dieses sind weitere Personen, die in Trumps engster Umgebung im Bereich Sicherheitspolitik Politik betreiben werden. Und nach wie vor ist in der Diskussion, dass Sarah Palin das Innenministerium leiten soll.

Der zweite Teil der Mannschaft – und ich habe ihn überschrieben – mit „die Wall-Street-Mafia“. Milliardäre der Ostküste, die die zentralen Bereiche des Handelsministeriums, des Finanzministeriums und des Wirtschaftsministeriums übernehmen sollen.

Ich mache es an zwei Beispielen fest. Die lassen sich fortsetzen.

Einer der Kandidaten für das Finanzministerium, Steven Mnuchin, Vizepräsident von Goldman Sachs. Er arbeitete eng zusammen mit dem Hillary Clinton Freund Georges Soros. Das heißt, Trump holt sich die vielleicht kriminellsten der Hillary-Clinton-Truppe mit in die Regierung. Das ist der Versuch, die konservative Basis dieser Regierung insgesamt zu verbreitern. Der Handelsminister Wilbur Ross, Ostküstenmilliardär, Privatisierungsberater, Mitinhaber eines der großen Private Equity Funds. Er ist schwerpunktmäßig aktiv in der Öl- und Kohlebranche. Er scheffelte Milliarden durch Spekulationen.

Wirtschaftsminister oder Vize Finanzminister könnte Jonathan Grete werden. Kronprinz der Investmentfirma Blacklist, der größten Immobilienbesitzfirma der USA. Dessen Villa wurde von Occupy besetzt, weil er über 9 000 Menschen aus ihren Häusern vertreiben wollte. Sie konnten die Zinsen nicht mehr bezahlen. Das ist sein wirtschafts- und finanzpolitischer Bereich. Ein Bereich, der von sozialen Rechten nichts, aber auch gar nichts hält. Der eher für die Fortsetzung des Spekulationskapitalismus steht. Ergänzt werden diese durch den Ostküstenmilliardär Wilbur Ross, Vermögen 3 Milliarden aus Firmen Insolvenzen und Investmentbanking. Die angeblich so von Trump angegriffene Wallstreet regiert mit und zwar mit den reichsten und von Occupy am meisten kritisierten Personen.

Der dritte Mannschaftsteil sind die neuen Verantwortlichen für Gesundheitswesen und Bildung. Ich streife sie nur.

Die Bildungsministerin Betsy DeVos hält Bildung für ein Elitenkonzept und der neue Gesundheitsminister Tom Price hat Obamacare von der ersten Sekunde an messerscharf bekämpft. Beide auch hunderte von Millionen Dollar schwer.

Diese neue Regierung wird umgeben – und das ist auch ein Teil dieses Milliardärs und Elitenkonzeption – von einem Repräsentantenhaus und einem Senat, in denen die reaktionären, klerikalen Kräfte deutlich gewonnen haben. In den Vorwahlen ist ja ungefähr jeder zweite konservative Senatskandidat ausgetauscht worden, wo der traditionell konservative durch einen Evangelikalen ersetzt worden ist. Also eine weitere ideologische Verschiebung nach rechts innerhalb dieses Senats und des Repräsentantenhauses. Eines eint die Evangelikalen, und Trumps „sicherheitspolitische Elite“: die Ablehnung Russlands als Partner in der Weltpolitik. Der Hass auf die Sowjetunion wird auf das kapitalistische Russland als politischen Konkurrenten übertragen.

Einer der ersten Schritte (schon bevor ihre Amtszeit begonnen hat) dieses Senats und dieses Repräsentantenhauses war die Einrichtung eines Arbeitskreises für eine neue „Russland Resolution: das Verhältnis der USA zu Russland“. Geleitet wird der von McCain, einem Russland Gegner seit Jahrzehnten. Die neue Russland Resolution sieht vor: Verschärfung der Sanktionen, Verbot der Handelsbeziehungen im Elektronik- und Computerbereich, Stopp jeglicher landwirtschaftlichen Kontakte und eine Liste mit Einreiseverboten. Dieses wird die republikanische Kongressmehrheit, und die hat in diesem Haus eine satte Mehrheit (einschließlich vieler Demokraten). Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich der neue Präsident, wenn er denn überhaupt will, gegen diese Position des Senats stellen wird. Er braucht diesen Senat, um seine Innenpolitik auch nur in Ansätzen durchzusetzen. Das heißt, beide Machtsäulen (Legislative und Exekutive) sind in der Hand reaktionärer, antidemokratischer Kräfte.

Und wie sich das in der praktischen Politik fortsetzt, mache ich am nächsten Punkt deutlich.

Was sind Trumps erste Ankündigungen zu einigen Punkten seines Militarisierungskonzeptes.

  1. das Militärbudget soll zwischen 55 und 80 Milliarden erhöht werden. Er hat angekündigt, das Raketenabwehrsystem aufzubauen und eine neue Initiative zu starten für die Militarisierung des Weltraums. Die Älteren werden sich erinnern. Es gab mal einen Ronald Reagan mit dem SDI Programm. Billionen wurden für die Rüstungskonzerne rausgeschmissen. Trumps Politikankündigungen sind militaristischer Staatskapitalismus zur Förderung der Profite „seiner US Industrie“.
  2. Ein Generalangriff auf Kuba. Das sozialistische Kuba hat er im ganzen Wahlkampf immer infrage gestellt. Und er scheint da auch an mehr als ideologische Kriegsführung zu denken.
  3. Infrage stellt er auch den „Iran Vertrag“ – eines der wenigen Elementen teilweise kooperativer Politik Obamas – zur sogenannten Eindämmung iranischer Atomwaffen, sicher nicht kooperations- und friedensfördernd. Eine Region kann noch mehr brennen, weitere Stellvertreterkriege sind möglich.
  4. Zur NATO. Und um gleich eine Illusion zurückzuweisen. Er hat niemals von einem Austritt der USA aus der NATO gesprochen. Er hat immer davon gesprochen, dass, wer zahlt, auch etwas sagen darf bzw. das Sagen hat. Und das ist ein typisches, großkapitalistisches Industrieverhalten. Nur wenn ich zahle, darf ich auch mitreden. Es geht also um ein neues burden-sharing. Mit allen Auswirkungen, die das für Europa hat. Und deswegen war es auch überhaupt gar kein Problem, dass der NATO-Generalsekretär Stoltenberg nach seinem ersten Telefongespräch mit Herrn Trump, Herrn Trump als einen „großen Freund der NATO“ bezeichnet hat. Es geht darum, dass Europa „seine militärische Verantwortung“ übernimmt. In drei Punkten: Erstens, das Budget muss auf mindestens zwei Prozent in Europa hoch, Frau Merkel hat ja auch schon von 3,4% gesprochen. Das haben wir schon zig-mal vorgerechnet, was das für Deutschland heißt. 65 Milliarden. Zweitens, die alte Strategie der US-Amerikaner, eine europäische Armee nicht zuzulassen, ist vorbei. Diese Ablehnung einer EU-NATO ist aber schon seit Ende der Bush-Ära vorbei, schon Obama wollte den europäischen Arm in der NATO. Jetzt ist die europäische Militarisierung Trumpf. Europa muss eine eigene militärische Supermacht werden und Kriege in seiner Umgebung auch alleine ausfechten. Da haben die Europäer ja schon mal eine Vorleistung gebracht. Der Beschluss des Europäischen Parlaments vom 23.11.2016 sollte ja bekannt sein. Jetzt müssen wir endlich Europa zur Militärmacht entwickeln. Europäische Militarisierung und in dem Zusammenhang NATO-Ausdehnung gen Osten soll weiter vollzogen und vervollständigt werden. Die Pläne lagen bei der Bundesregierung in den Schubläden, jetzt können sie mit US Absegnung durchgesetzt werden. Soweit liegen von der Leyen und Trump politisch nicht auseinander.
  5. Noch deutlicher Trumps Worte zu Atomwaffen: Er hält Atomwaffen für ein Instrument der Politik. „Wenn wir sie haben, sollen wir sie doch auch einsetzen.“ (Trump) Dieses heißt, der Druck auf den Knopf, die Nähe zu dem Druck auf den Knopf wird größer. Und wir haben gleich die europäischen Konsequenzen. CDU-MdB Kiesewetter verkündet letzte Woche, dass wir jetzt doch auch noch eine europäische Atommacht und/oder eine europäische Atomwaffe brauchen. Da müssen die französischen und die englische zusammengesetzt werden unter einer schon vorhandenen nuklearen Planungsgruppe der Europäischen Union. Und wer leitet diese nukleare Planungsgruppe? Ein deutscher General. Dem alten Ziel der Konservativen, seit Adenauer, endlich wieder mehr Nähe zum Knopf-Drücker zu haben, kommen sie insgesamt näher. Und ich muss nicht sagen, wie gefährlich das ist. Übrigens die 1 Trillion teure Modernisierung geht weiter.
  6. Interventionen: Er hat – nächster Punkt seiner Außenpolitik – niemals eine Korrektur an irgendeiner US-Intervention gefordert. Kein Ende irgendeiner der jetzt stattfindenden US-Interventionen oder der Interventionen, an denen die USA beteiligt ist. Aber auch da fordert er von den Partnern und von den nationalen Eliten größere Beiträge. Also, die Amis sollen nicht mehr alles bezahlen, was sie kaputtmachen und weiter salopp geredet: auch die Europäer und andere Verbündeten dürfen kaputt machen, was sie bezahlen.

    Bitteschön, Elite des Landes, zahlt euren eigenen Beitrag. Das ist Trumps Logik. Jetzt kann man sich das ja mal für Afghanistan ausmalen, um die Skurrilität und auch das Menschenverachtende dieser Politik deutlich zu machen: „Die Amis“ bleiben und mehr NATO. Das ist aber seine Politik.

  7. China: Ausgeweitet werden sollen die Umkreisung Chinas und die Ermunterung der asiatischen Verbündeten, eigene Atomwaffen zu entwickeln. Das gilt besonders für Japan und für Südkorea. Dieses wiederum bedeutet das Ende des Atomwaffensperrvertragsprozesses und schiebt jegliche Diskussion über eine atomwaffenfreie Welt beiseite. China ist, und das werden wir ganz deutlich spüren, die Hauptherausforderung, der er sich mit aggressiven Mitteln stellen wird. Das Telefongespräch mit der Präsidentin von Taiwan war doch schon ein deutlicher Hinweis.
  8. Er ist ein bedingungsloser Freund Israels. Und zwar nicht eines Israels des Friedens, sondern eines Israels in der aggressivsten Variante der israelischen Politik. Nicht umsonst hatte sich Netanjahu ja darüber gefreut, dass sein altes Hassobjekt Obama weg ist und er Unterstützung bei der Annektierung der Siedlungen, bei der Einrichtung von Jerusalem als Hauptstadt findet. Es gibt ein Positionspapier seiner engsten Berater, das hat die „New York Times“ am 21.11.2016 veröffentlicht, das im Prinzip besagt, Israel kann in seiner Region alles machen, was es will. Diese gesamte Politik der Unterstützung Israels ist natürlich alles andere, nur nicht friedensfördernd. Sie verstärke jede Dynamik von Konflikten und Krisen in dieser Region. Eine weitere Ausdehnung von Kriegen in der Region steht zu befürchten

Mögliche Widersprüche:

Jetzt gibt es zwei Fragen und zwei Problemregionen, zu denen er sich noch nicht klar oder auch widersprüchlich geäußert hat. Die will ich auch nennen. Weil man keine Dynamik in verschiedene Richtungen ausschließen soll. Syrien-Krieg. Es gibt Äußerungen von ihm und aus seiner Umgebung, dass er angesichts seiner islamfeindlichen Haltung, die sich nicht auf den IS bezieht, sondern ganz generell auf den Islam, er durchaus gewillt ist, zugunsten eines Kampfes gegen den IS andere Auseinandersetzungen in der Region zurückzustecken. Da kann eine Dynamik drin sein, die man heute noch nicht weiß und positiv gedacht auch kooperative Elemente beinhalten kann.

Zu Russland kann ich nur sagen, ich glaube, dass er sich persönlich mit Putin durchaus versteht. Ich erzähle ja immer dieses wunderschöne Beispiel: Putin und Trump treffen sich in Sibirien, sie gehen zusammen zur Jagd, sehr erfolgreich, sie trinken hinterher zusammen viel Wodka und dann … den chauvinistischen teil lasse ich jetzt weg und dann kann man sich verständigen. Aber so funktioniert Politik ja nicht. Es geht um Interessen und die sind diametral entgegengesetzt. Amerika First heißt ja sich gegen andere durchsetzen und Trump ist dazu bereit mit allen Mitteln.

Ich gehe davon aus, dass eine verstärkte Konfrontationspolitik mit Russland kommt. Begründung dafür ist, nach meiner Sicht, die Gesamtkonstellation seiner Außen- und Sicherheitspolitik, wie sie in die Kräftekonstellation der Eliten der USA eingewoben ist. Er ist ein Repräsentant und jetzt benutze ich das Wort auch „des US-Imperialismus“ und zwar nicht von dem Teil, der durch ein internationales Kräfteverhältnis zu Kompromissen gezwungen werden kann sondern eines zu mindestens von seinem Anspruch her „US Hegemonialen“. Schon der Ausspruch „Amerika First“ ist aggressiv hegemonial, ist doch Amerika viel mehr als die USA.

Zusammenfassung: Vieles hat er noch nicht so deutlich formuliert, manches sogar widersprüchlich. Deswegen gebe ich auf seine widerlichen Propagandareden relativ wenig, viel aber auf die Kräfte und Kräftekonstellationen der USA; die er vertritt und repräsentiert. Die habe ich versucht zu analysieren.

Was er bisher deutlich formuliert hat. Und das ist gefährlich genug. Das Erste ist, er hat in dem 100-Tage-Programm gesagt: „Wir gehen gegen jegliche Cyberattacken vor.“ Das heißt, er öffnet die Tür für jegliche Möglichkeit des Angriffs auf all das, was er für Cyberattacken hält. Weil wir wissen, wie kontrovers dies ist und welche Täuschungen da vorgenommen werden können, ist auch dieser Ausspruch friedensgefährdend.

Jetzt möchte ich aber nicht den Eindruck erwecken, als ob diese Politik widerspruchslos ist. Ich habe schon bei Syrien darauf hingewiesen und ein bisschen auch bei Russland. Es kann durchaus sein, dass konservative Politik, ja reaktionäre, im Rahmen der Anerkennung von Kräftekonstellation innerhalb ihrer Regierungszeit erkennen, dass sie zu einer anderen Politik kommen müssen, die für sie systemstabilisierender ist. Ronald Reagan ist das beste Beispiel. Das hängt aber davon ab, wie sich die weltpolitischen Konsequenzen, die weltpolitischen Auseinandersetzungen, der Gegendruck gegen diese Politik entwickelt.

Es kommt auch auf uns – besonders auf die Friedensbewegungen weltweit an, besonders aber auch die der USA. Das heißt, wir müssen, meiner Ansicht nach, als Friedensbewegung schnellstens unsere Aktivitäten deutlich steigern. Gar nicht mal im abstrakten Kampf gegen Trump (hier können wir auch weiter über Punkte kontrovers diskutieren), sondern der Feind steht im eigenen Lande. Verhinderung weiterer Aufrüstung hier. Abwehr der Militarisierung Europas. Abschaffung aller Atomwaffen scheinen mir die Hauptherausforderungen zu sein.

Und da möchte ich euch vorschlagen, dass wir am 20. Januar, am Tag der Inauguration von Trump, eine erste Protestaktion vor dem Brandenburger Tor durchführen. „Nicht in unserem Namen“ könnte sie heißen. Wir sind für Frieden, Verständigung und Abrüstung. Um von vornherein deutlich zu machen: das ist nicht unser Präsident, wir werden uns gegen die Politik der USA wehren, wir wollen eine andere Politik und wir werden massiv dafür eintreten, um diese zu erreichen.

Die enge Zusammenarbeit mit der US-Friedensbewegung ist ein Muss. Dies ist ein Beitrag zu einem notwendigen aktiven neuen Internationalismus, den wir der Politik Trumps und besonders unserer eigenen Regierung entgegensetzen müssen. Ich will den „Regime Change“ – ohne NATO Bomben und Krieg – bei uns und weltweit, durch die Menschen mit den Menschen für die Menschen hin zu Frieden und globaler Gerechtigkeit.