„Diese Friedensbewegung verdient den Namen nicht“ – Welche dann? Die „NATO-Friedensbewegung“ mit Bomben und Raketen?

„Diese Friedensbewegung verdient den Namen nicht“ – Welche dann? Die „NATO-Friedensbewegung“ mit Bomben und Raketen?

„Diese Friedensbewegung verdient den Namen nicht“ – Welche dann? Die „NATO-Friedensbewegung“ mit Bomben und Raketen?

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Diese ‚Friedensbewegung‘ verdient den Namen nicht“ – so steht es in einem aktuellen Beitrag der Frankfurter Rundschau. Erschienen ist der Kommentar unter der Überschrift „Vor Putins Karren“, darunter ein Bild von Sahra Wagenknecht. Der Beitrag ist ein Sinnbild für den Mainstreamjournalismus in Deutschland. „Frieden, ja aber …!“, lautet sein Motto. Wer die Definition von Friedensbewegung diesem Journalismus überlässt, marschiert stramm auf einen großen Krieg zu. Wenn „diese Friedensbewegung“ ihren Namen nicht verdient, welche dann? Die „NATO-Friedensbewegung“, mit Bomben und Raketen? Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Am Wochenende haben sie sich in Berlin versammelt: Friedensbewegte aus der gesamten Republik. Frieden – dafür sind Bürger und eine Reihe prominenter Persönlichkeiten auf die Straße gegangen. Frieden in der Ukraine, Frieden in Gaza. Was gibt es im Hinblick auf dieses Anliegen groß zu diskutieren? Pace, Paz, Paqe, Mir, Pokój, Schalom, kurzum: Frieden. Frieden heißt zunächst einmal: nicht kämpfen, nicht schießen, nicht bombardieren, nicht töten, nicht abschlachten. Waffen niederlegen. Aufhören mit dem Morden. Das versteht schon ein Kind in der Grundschule. Dass dieses erste aller Friedensziele besser heute als morgen erreicht wird, liegt im Kern jeder echten Friedensinitiative verwurzelt.

Wer für Frieden auf die Straße geht, für den sind in aller Regel die politischen, ideologischen und anderen Motivationen, die ja oft der Nährboden für Kriege sind, zunächst einmal Nebensache. Oberstes Ziel: kein Blutvergießen mehr – so schnell es überhaupt nur geht. Alles andere danach. Wenn es überhaupt einen Konsens unter dem Dach der Menschlichkeit geben kann, dann doch wohl diesen: Kein Blutvergießen mehr. Stopp! Darauf müsste sich doch gerade in Anbetracht der schier unfassbar hohen Opferzahlen in der Ukraine und im Gazastreifen zu einigen sein. Ja, müsste. Der Konjunktiv verweist auf das Problem. Da gibt es nämlich Medien wie die Frankfurter Rundschau (FR). Dort bringen sie es fertig, der Friedensbewegung vom Wochenende den Namen abzusprechen. Friedensbewegung – diesen Namen verdienten die Demonstranten nicht, denn:

Mehrere Rednerinnen und Redner äußerten dabei erschreckend viel Verständnis für die Positionen des russischen Diktators Wladimir Putin und zeigten sich überzeugt: Er sei bereit für Frieden. Der nicht ganz so kleine Haken an der Sache: Frieden bedeutet nach diesem Verständnis, dass Putin bekommt, was er will – und die Ukraine dem zustimmt.“

Die New York Times spricht von dem „verheerendsten Landkrieg seit Generationen“ in Europa, die Anzahl der toten, verstümmelten, traumatisierten Soldaten hat längst den Millionenbereich überschritten. Und was liefert die FR als Kommentar ab? Eine Position, die an die eines Kindes im Sandkasten erinnert. Ego-zentriert, ignorant gegenüber der Realität des Außen, was zählt, ist: der eigene Wille. In der Konsequenz bedeutet diese Haltung: Dann sterben eben noch ein bis zwei Millionen Soldaten. Der böse Putin darf seinen Willen nämlich auf keinen Fall bekommen.

Während die einen auf die Straße gehen und „Waffen nieder!“ rufen, sitzen andere – todesmutig – am sicheren Schreibtisch und wollen den Frieden zuerst nach den großen politischen Linien ordnen. Gemach, gemach. Kein Stress, bitte. Dann geht das Sterben – das wir selbstverständlich sehr bedauern – eben erstmal weiter.

Man muss sich das vor Augen führen: Seit über drei Jahren tobt der Krieg in der Ukraine, und noch immer vertreten deutsche Medien jene Politik, hinter der sie von Anfang an gestanden haben. Das heißt: eine Politik, die den Krieg angenommen hat und kämpfen will. Das Ergebnis ist bekannt.

Aber, wie die FR zeigt: Es ist noch schlimmer. Publizistisch werden sogar die Leute angegriffen, die für die einzig vernünftige Lösung auf die Straße gehen. Seit Langem ist die Rede von „Putinverstehern“ (quer durch die Medien), von „gefallenen Engeln aus der Hölle“ (Olaf Scholz), „Lumpenpazifisten“ (Spiegel-Kolumnist), und nun versucht das Frankfurter Blatt auch noch, der Friedensbewegung ihren Namen abzusprechen. Wenn „diese Friedensbewegung“ ihren Namen nicht verdient, welche dann? Die „NATO-Friedensbewegung“, mit Bomben und Raketen? Wer die Definition von Friedensbewegung diesem Journalismus überlässt, marschiert stramm auf einen großen Krieg zu. Und überhaupt: Wer als Zeitung immer noch nicht verstanden hat, dass in der Ukraine auch ein Stellvertreterkrieg stattfindet, sollte vielleicht einfach zu Friedensdemonstrationen schweigen. Nichts verstanden, aber eine Meinung – denkbar schlechte Voraussetzungen für sauberen Journalismus.

Titelbild: Sahra Wagenknecht bei ihrer Rede vor den Teilnehmern der Friedensdemo am 3. Oktober 2024 – Quelle: @SevimDagdelen