Stimmen aus Lateinamerika: Ecuador auf dem Weg zur Diktatur

Stimmen aus Lateinamerika: Ecuador auf dem Weg zur Diktatur

Stimmen aus Lateinamerika: Ecuador auf dem Weg zur Diktatur

Ein Artikel von amerika21

Interne Kriegspropaganda, Austerität und Repression. Ecuador befindet sich in einer schweren politischen Krise, deren Ursprung in Regierungsmaßnahmen mit ausgeprägtem Autoritarismus liegt, die das Leben der Land- und Stadtbevölkerung beeinträchtigen. Angesichts verfassungswidrig geltender Gesetze und anderer Zwangsmaßnahmen riefen der Einheitsverband der Arbeiter (Frente Unitario de Trabajadores, FUT), das Volksbündnis (Frente Popular), die Nationale Vereinigung von Dozenten (Unión Nacional de Educadores, UNE) und viele andere Organisationen zu Protestaktionen in den Straßen von 22 der 24 Provinzen des Landes auf. Ihnen schlossen sich die indigene Bewegung und die linken Parteien an. Von Edgar Isch López.

Die Regierung von Daniel Noboa kündigte am 12. September 2025, in einer weiteren unpopulären Maßnahme, die Entscheidung an, die Subventionierung des Diesels abzuschaffen. Der Preis stieg daraufhin von 1,80 auf 2,80 US-Dollar pro Gallone. Der Nationale Verband der Energie- und Erdölarbeiter (Antep) widersprach der Analyse der Regierung, wonach es reale Kraftstoffsubventionen gebe. Davon würden nur die Importeure dieser Produkte profitieren. Darüber hinaus gehen verschiedene Analysten davon aus, dass diese Erhöhung des Dieselpreises einen Dominoeffekt auf die Preise für Grundnahrungsmittel haben wird.

Der Dachverband der indigenen Völker (Conaie) rief ab dem 19. Oktober zu einem unbefristeten Generalstreik mit Aktionen in den verschiedenen Provinzen auf. Das Erstarken des Einheitsgeistes führte am 24. September zur ersten Sitzung des Interkulturellen Parlaments der Völker, das die sozialen Organisationen versammelte und sich zu einem Forum der politischen Artikulation entwickelte. Damit soll der Regierung entgegengetreten werden, die einen autoritären und repressiven Kurs verfolgt.

Der Einsatz interner Kriegspropaganda

Ein wichtiger Faktor für viele Teile der Bevölkerung ist Noboas Versprechen, diese Subventionen nicht anzutasten. Diese Widersprüchlichkeit hat zu seinem Imageverlust beigetragen, auch wenn er immer noch eine Zustimmungsrate von etwa 40 Prozent hat. Noboa setzt auf den Rückenwind einer Imagekampagne, in der er sich als Held des gescheiterten Kampfes gegen das organisierte Verbrechen und den Drogenhandel inszeniert und gleichzeitig darauf beharrt, dass jeder Gegner ein Terrorist sei.

Ziel der Propaganda ist es, eine neue politische Ordnung der Ausbeutung und Unterdrückung zu etablieren. Die Unterstützung durch die Vereinigten Staaten, einen großen Teil der Führungsspitze der Streitkräfte sowie eine Mehrheit in der Nationalversammlung[1] und die Kontrolle über andere staatliche Institutionen ermöglichen es ihm, auf Gewalt statt auf Vernunft zu setzen.

Er hat in der Nationalversammlung Gesetze durchgesetzt, die auf die Militarisierung der öffentlichen Sicherheit und die Nutzung des bewaffneten Konflikts zur Rechtfertigung strenger, repressiver Ausnahmemaßnahmen abzielen, wie es im Gesetz über nationale Solidarität der Fall ist.

Weitere Regelwerke ermöglichen Überwachung und Spionage ohne richterliche Anordnung (Geheimdienstgesetz), sehen die Entlassung von Staatsbediensteten (zunächst 5.000) zur Erfüllung der Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor und gewähren den Reichen steuerliche Vorteile (Gesetz über öffentliche Integrität). Zudem richten sich Noboas Gesetze gegen soziale Organisationen und NGOs, die unter dem Vorwand der Geldwäschebekämpfung verfolgt werden sollen (Gesetz über soziale Transparenz), und erleichtern die Privatisierung natürlicher Ressourcen (Gesetz über Schutzgebiete).

Der repressive Charakter der Regierung zeigt sich auch darin, dass sie mit einer langen Reihe von Ausnahmezuständen und durch die Militarisierung des Landes oder einzelner Provinzen regiert. Entgegen ihren Ankündigungen gehen jedoch weder die Kriminalität noch die Morde auf den Straßen noch die Massaker in den Gefängnissen zurück.

Repression mit diktatorischem Charakter

Die Repression gegenüber den Aktionen der Bevölkerung verschärft sich weiter. Am 28. September kam ein Indigener aus Imbabura bei Zusammenstößen zwischen Militärs und Gemeindemitgliedern ums Leben, nachdem dreimal auf ihn geschossen worden war. In Videos ist zu sehen, wie er und ein Begleiter, der ihm zu Hilfe kommen wollte, von Militärs geschlagen und getreten werden, während sie am Boden liegen. Diese Szene soll etwa zwanzig Minuten gedauert haben.

Die Regierung erklärte lediglich, die Aktionen der indigenen Gemeindemitglieder hätten Züge von Guerillataktiken getragen. „Was in Cotacachi geschah, war kein Protest, sondern ein feiger Hinterhalt krimineller Strukturen – Terroristen –, die unsere Streitkräfte angegriffen haben”, erklärte Innenministerin Zaida Rovira. Demgegenüber äußerte die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Vereinigungsfreiheit, Gina Romero: „Protestieren ist ein Recht. Es darf nicht das Leben kosten.” Sie fügte hinzu: „Ich habe die Nachricht erhalten, dass die Streitkräfte Ecuadors im Kontext von Protesten eingesetzt werden. Das verstößt gegen internationale Standards für das Recht auf Versammlungsfreiheit, selbst in Ausnahmezuständen.”

In der Nacht fuhren mehr als 100 Militärfahrzeuge in Richtung Imbabura, darunter eine wachsende Zahl von Panzern, und kündigten damit an, dass der Gewalt keine Grenzen gesetzt sind.

Verfolgung von Anführern der sozialen Bewegungen

Die Regierung kündigte zu Beginn des Streiks an, dass sie die Teilnehmer als Terroristen anklagen und mit Freiheitsstrafen von bis zu 30 Jahren belegen wolle. Mittlerweile wurden bereits fast 100 Personen festgenommen. Mehrere von ihnen werden wegen Terrorismus angeklagt und in weit von ihrem Wohnort entfernte Gefängnisse verlegt, in denen ihr Leben nicht sicher ist. In einem dieser Gefängnisse, dem in Esmeraldas, kam es am 25. September zu einem neuen Massaker, bei dem 17 Menschen starben und zahlreiche weitere verletzt wurden.

Dies reichte jedoch nicht aus. Unter dem Vorwand angeblicher Ermittlungen, die nicht näher erläutert wurden, sind einigen Führungskräften und ganzen Organisationen die Bankkonten eingefroren worden. Das Ziel besteht darin, sie als Verantwortliche für die Geldwäsche von Drogengeldern darzustellen.

Außerdem, im Zuge der Einschüchterung, eröffnete die Staatsanwaltschaft strafrechtliche Ermittlungen gegen Andrés Quishpe, den Vorsitzenden der Nationalen Gewerkschaft der Lehrer (UNE) und des Volksbündnisses; Edwin Bedoya, den amtierenden Vorsitzenden der FUT und der Gewerkschaft Cedocut; Nery Padilla, den Vorsitzenden der Federation der Universitätsstudierenden Ecuadors (Feue); sowie Wilfrido Espinoza, den Vorsitzenden des Nationalen Zusammenschlusses der Indigenen, Landbevölkerung und Schwarzen (Fenocin). Ihnen wird das angebliche Delikt vorgeworfen, einen öffentlichen Dienstleistungsbetrieb lahmgelegt zu haben. Dies soll als Beteiligung an organisierter Kriminalität ausgelegt werden, und sie mussten sich ab dem 3. Oktober bei der Staatsanwaltschaft melden.

Gleichzeitig wurden mehr als 50 indigene Anführer, Umweltschützer und Vertreter von volksnahen Organisationen, darunter Marlon Vargas, der Vorsitzende der Conaie, wegen mutmaßlicher ungerechtfertigter Bereicherung unter Ermittlungen gestellt. Das heißt, auch wegen Geldwäsche von Drogengeldern.

Die Kriminalisierung, die sich in diesen Maßnahmen zeigt und darauf abzielt, den Vorwurf des Terrorismus zu nutzen, soll die Bürgerproteste einschüchtern und deren Wachstum stoppen.

Vor Kurzem wurde der Fernsehsender TV MICC willkürlich geschlossen. Als Begründung wurde ein als geheim eingestufter Bericht angeführt, der mit dem Argument der „Wahrung der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit” gerechtfertigt wurde. Der Fernsehsender mit regionaler Reichweite ist das Gemeinschaftsmedium der Indigenen- und Bauernbewegung von Cotopaxi. Seine Schließung ist ein Akt der Zensur und eine Drohung gegenüber alternativen und volksnahen Kommunikationsnetzwerken und -kanälen.

Unterwerfung aller staatlichen Funktionen

Diese Periode ist auch von Angriffen auf das Verfassungsgericht geprägt, das in gewisser Weise nicht wie die übrigen staatlichen Instanzen [von der Regierung] kontrolliert wird. Zunächst, weil das Gericht Verfassungsbeschwerden von Volksorganisationen und linken Parteien angenommen hat. Dann wurden die Verfassungsrichter mit einem Marsch und großen Plakaten als Komplizen der Kriminellen gezeigt[2], weil sie die Anwendung bestimmter Artikel wegen möglicher Rechtsverletzungen vorübergehend ausgesetzt hatten. Schließlich wurde das Gericht wegen einer angeblichen Bombendrohung militärisch umzingelt. Und die Angriffe setzten sich fort.

Am 26. September erklärte das Verfassungsgericht sowohl das Gesetz über nationale Solidarität als auch das Gesetz über öffentliche Integrität für verfassungswidrig. Beide Gesetze waren als „wirtschaftlich dringlich” vorgelegt worden, obwohl sie sehr unterschiedliche Themen behandelten, nicht nur wirtschaftliche. Dieser Rückschlag für die Regierung lässt größere Auseinandersetzungen erwarten. Andererseits genehmigte dasselbe Gericht Fragen der Regierung für eine Volksbefragung, darunter auch die Frage nach der Einberufung einer neuen verfassungsgebenden Versammlung. Noboa hatte ursprünglich direkt beim Wahlgericht eingereicht, um sich seiner Verpflichtung zur Einholung eines verfassungsrechtlichen Gutachtens zu entziehen.

Referendum und verfassungsgebende Versammlung nach Maß

Im Prinzip erscheinen ein Referendum und sogar eine verfassungsgebende Versammlung als demokratische Maßnahmen. In diesem Fall handelt es sich jedoch um einen unverfrorenen Versuch, die Rechte der Bürger einzuschränken, mehr Macht zu konzentrieren und sogar US-Militärstützpunkte auf ecuadorianischem Territorium zuzulassen. Das ist alles andere als demokratisch und völlig volksfeindlich.

Zu diesem Zweck wurde bereits die Methode zur Sitzverteilung bei Wahlen für mehrere Mandate angepasst. Dabei kommt das D’Hont-Verfahren zur Anwendung, das die stärksten Kräfte begünstigt und die Wahl mittlerer oder kleiner politischer Strukturen unmöglich macht. Dies könnte zur Dominanz der beiden größten Kräfte führen und verhindern, dass sich Volks- oder Indigenenkräfte direkt in der verfassungsgebenden Versammlung äußern können.

Es handelt sich also um eine völlig undemokratische Vorgehensweise, die abgelehnt werden muss, bevor sich die politische Macht noch stärker in den Händen derjenigen bündelt, die bereits wirtschaftliche Macht und Reichtum kontrollieren.

Förderung des Rohstoffabbaus trotz Volksbefragungen

Bei einer Volksbefragung hatten rund 80 Prozent der Bevölkerung des Kantons Cuenca den Metallbergbau abgelehnt, da dieser die Páramos und die Wasserversorgung gefährden würde. Die Zentralbehörden versuchten jedoch, dieses Votum zu umgehen, indem sie die Genehmigungen an ein multinationales Unternehmen erteilten. Dies löste Proteste aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen aus, wobei die auffälligste eine Demonstration von mehr als 100.000 Menschen in der Stadt Cuenca am 16. September war. Diese sollte verhindern, dass das Ergebnis der Volksbefragung unterlaufen wird. Ein Ergebnis, das laut Verfassung von der Regierung umgesetzt werden muss.

Danach kündigte der Präsident, als wäre er ein Vertreter des Unternehmens, mögliche Gerichtsverfahren gegen die lokalen Behörden[3] an. Er wies jedoch darauf hin, dass die von seiner Regierung erteilte Umweltgenehmigung entzogen werden würde, ohne zunächst etwas über die endgültige Lösung zu sagen, die eine Aufhebung des Bergbauprojekts Loma Larga einschließen würde.[4]

Das Gleiche gilt für die Nichtbeachtung des Referendums, das auf nationaler Ebene die Schließung der Ölquellen des ITT-Projekts forderte, in einem Gebiet, das aufgrund seiner Biodiversität und als Lebensraum der beiden in freiwilliger Isolation lebenden Völker, der Tagaeri und Taromenane, besonders geschützt ist.

Die Missachtung der Verfassung und der Gesetze, die den Staat dazu verpflichten, den Willen der Bevölkerung, ausgedrückt durch deren Stimmabgabe in Volksbefragungen, zu respektieren, ist ein weiterer Beweis für Autoritarismus. Zudem entwertet dies die Volksbefragung, die Noboa im November durchführen möchte, denn er kann die Volksbefragungen nicht einfach nach seinem persönlichen Willen respektieren.

Hamas in Ecuador?

Die Regierung hat sich nicht gegen den Völkermord der israelischen Regierung in Gaza ausgesprochen. Überraschend ist jedoch, dass Noboa am 10. September dieses Jahres das Präsidialdekret 118 erlassen hat, in dem er beschließt, „den Einfluss und die Auswirkungen der Organisationen namens ‚Hamas’ und ‚Hisbollah’ in Verbindung mit terroristischen Handlungen oder Angriffen, die sie auf ecuadorianischem Gebiet begehen könnten, abzulehnen und zu verurteilen”.

Der Einfluss dieser Organisationen, die er zuvor als terroristisch eingestuft hat, auf Ecuador muss äußerst geheim sein, denn Noboa und seine Regierung haben ihn nicht erläutert. Tatsache ist, dass es sich dabei sicherlich um eine Drohung gegen diejenigen handelt, die den Völkermord und andere Kriegsverbrechen anprangern, indem Meinungsäußerungen und Menschenrechtsverteidiger kriminalisiert werden.

Die einfache Bevölkerung setzt ihren Kampf fort

Trotz der Einschränkungen der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und der Handlungsfreiheit ist es der Regierung nicht gelungen, die ecuadorianische einfache Bevölkerung zum Schweigen zu bringen. Die kommenden Tage werden dies zeigen, allerdings unter Bedingungen zunehmender Repression.

Das Vorgehen der Regierung Noboa schadet auch allen Ländern der Region, die wissen, dass rechte Kräfte Schwierigkeiten haben, ihre Politik umzusetzen, was sie noch gewalttätiger und irrationaler macht.

Übersetzung: Hans Weber, Amerika21.

Titelbild: Der ecuadorianische Präsident Daniel Noboa (Mitte, in Zivil gekleidet) bei der Einweihung einer neuen Polizeistation im Juli 2025 – Quelle: @Presidencia_Ec


[«1] Die Nationalversammlung ist das Parlament von Ecuador. (A. d. Ü)

[«2] Dieser Marsch wurde von Präsident Noboa aufgerufen. (A. d. Ü.)

[«3] Der Bürgermeister von Cuenca, Cristian Zamora, unterstützt den Widerstand gegen das Bergbauprojekt Loma Larga, das vom kanadischen Konzern Dundee Precious Metals betrieben wird. (A. d. Ü.)

[«4] Im Juni genehmigte das Umweltministerium, das inzwischen in eine Abteilung des Ministeriums für Energie und Bergbau umgewandelt wurde, die Lizenz. Diese wurde später vorübergehend entzogen. Zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung hat die Regierung die Lizenz endgültig entzogen. (A. d. Ü.)