Afrika kann sich einen Krieg in der Sahelzone nicht leisten

Afrika kann sich einen Krieg in der Sahelzone nicht leisten

Afrika kann sich einen Krieg in der Sahelzone nicht leisten

Ein Artikel von Franklyne Ogbunwezeh

Seit dem jüngsten Militärputsch in der Republik Niger hat sich das Säbelrasseln zwischen einigen Mitgliedsstaaten der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) und der neuen Junta in Niamey verschärft. Am 26. Juli 2023 hatte der Kommandeur der Präsidentengarde, Abdourahamane Tchiani, den demokratisch gewählten Präsidenten der Republik Niger, Mohamed Bazoum, festgenommen und abgesetzt. In einem beispiellosen Schritt verhängte die ECOWAS unter dem Vorsitz Nigerias in Absprache mit den Vereinigten Staaten, Frankreich und der EU, welche alle erhebliche mineralische, politische, wirtschaftliche und militärische Interessen in dem uranreichen Land haben, Sanktionen und drohte mit militärischen Maßnahmen. Die Wirtschaftsvereinigung stellte den Putschisten das Ultimatum, Bazoum umgehend wieder zu bemächtigen, andernfalls würden militärische Maßnahmen folgen. Dieses Ultimatum lief am Sonntag, dem 6. August, aus. Von Franklyne Ogbunwezeh.

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Indessen hatte Nigeria im Rahmen seiner Sanktionen einseitig die Stromzufuhr nach Niger unterbrochen und damit gegen die Bestimmungen des von neun Anrainerstaaten – Guinea, Mali, Elfenbeinküste, Burkina Faso, Benin, Niger, Nigeria, Kamerun und Tschad – am 16. Februar 1963 unterzeichneten Abkommens über den Fluss Niger verstoßen.

Niamey reagierte, indem es sich weigerte, die hochrangige Delegation zu empfangen, die der ECOWAS-Vorsitzende, Ahmed Tinubu, nach Niger geschickt hatte. Am Montag, dem 7. August, sperrte Niamey seinen Luftraum, was zu einer Verschärfung der Lage führt, weil dies die Umleitung der Flugrouten zahlreicher europäischer und amerikanischer Fluggesellschaften zur Folge hatte. Im Einzelfall führte dies zu einer Verlängerung des Fluges um bis zu 1.000 km und erhöhten Treibstoffkosten.

Mali und Burkina Faso, zwei westafrikanische Länder, die von starken Militärregimes geführt werden, stellten sich hinter die Putschisten und brachen damit den Schulterschluss mit der ECOWAS. Sie gaben zu verstehen, dass jedes militärische Vorgehen gegen Niger einer Kriegserklärung auch gegen sie gleichkomme. Dies deutet nicht nur auf Risse in der ECOWAS-Allianz hin, sondern auch auf die Möglichkeit eines Krieges, der ganz Westafrika erfassen könnte.

Die Vereinigten Staaten von Amerika und die EU fordern die Wiederherstellung einer demokratisch gewählten Regierung und verurteilen den Putsch. Neben der Verhängung von Sanktionen drohten sie weitere Maßnahmen an, darunter auch die Option eines militärischen Eingriffes, um ihre Ernsthaftigkeit zu demonstrieren.

Hinter dem Interesse der USA an der Wiederherstellung des Status quo stehen rationale und realpolitische Gründe. Die Republik Niger beherbergt eine der größten operativen US-Drohnenbasen, von der aus sie und ihre Verbündeten Operationen gegen den islamischen Terrorismus durchführen. Frankreich seinerseits bezieht 32 Prozent des Urans, mit dem die 59 Atomreaktoren betrieben werden, die 80 Prozent des französischen Strombedarfs erzeugen, aus Niger. Für die EU ist ein befreundetes Niger das letzte Bollwerk zwischen Europa und den Wellen illegaler Migranten aus Subsahara-Afrika, die das Mittelmeer überqueren wollen. Diese beträchtlichen militärischen Ressourcen, geostrategische Interessen und die neue Furcht vor einer russischen Invasion in Afrika erklären die Reaktion dieser Staaten.

Auf der anderen Seite steht die ECOWAS, die von einem nigerianischen Präsidenten angeführt wird, dessen Wahl umstritten war und der es nach Meinung vieler eilig hat, in Niger Stärke zu zeigen, nicht nur, um von innenpolitischen Problemen abzulenken, mit denen seine Regierung konfrontiert ist, einschließlich der Frage nach seiner Legitimität, sondern auch, um politische Glaubwürdigkeit im Westen zu gewinnen.

Die französische Tageszeitung Le Monde erklärte in der Ausgabe vom 3. August 2023: „Die Glaubwürdigkeit von Bola Tinubu wird davon abhängen, was er in Niger tun kann“. Beunruhigend sind auch Untersuchungsberichte, in denen behauptet wird, Tinubu sei ein Agent des US-Geheimdienstes gewesen, der aufgrund seiner Drogenvergangenheit Geheimdienstinformationen gesammelt habe, wofür er von einem US-Gericht gezwungen wurde, Hunderttausende von Dollar einzubüßen.

Das Ultimatum an die Putschisten in Niamey lief am Sonntag, dem 6. August, ab. Während die Welt auf den nächsten Zug in diesem politischen Schachspiel mit weiterreichenden Folgen für die ganze Region wartet, mehren sich die Anzeichen dafür, dass ein überstürzter Einmarsch in Niger ein falscher Schritt wäre.

Politische Kreise um Bola Tinubu betrachten Nigeria als afrikanische Großmacht und glauben, dass eine solche Operation, unterstützt von amerikanischer Logistik und Hardware, Niamey innerhalb weniger Tage einnehmen könnte. Aber vielleicht sind sie zu optimistisch. Wie Declan Walsh in der New York Times vom 7. August feststellte, „ist Niger doppelt so groß wie Frankreich, und seine kampferprobte Armee wurde von amerikanischen und europäischen Spezialeinheiten ausgebildet“. Anekdotische Belege zeigen auch, dass der Staatsstreich in Niger und in der gesamten Region Unterstützung in der Bevölkerung gefunden hat. Eine Einnahme Nigers, um für Ordnung zu sorgen, dürfte daher schwierig werden.

Viele prominente Stimmen in Afrika lehnen ein militärisches Vorgehen immer nachdrücklicher ab. Auch in Nigeria, von dem erwartet wird, dass es Truppen zu einer Militäroperation beisteuert, ist eine Abneigung zu beobachten, das Land in den Krieg zu führen. Dies zeigte sich darin, dass der nigerianische Senat sich weigerte, Präsident Tinubu die Befugnisse zu erteilen, die er für eine Militäraktion in Niger benötigte.

Viele Menschen in Nordnigeria haben tradierte Verbindungen zu Niger und sind gegen jede Militäraktion gegen ihre Verwandten in der Republik Niger. Die Fraktion Nordnigerias hat sich in einem deutlich formulierten Brief, der im Senat verlesen wurde, gegen die Militäraktion in Niger ausgesprochen.

Interessant ist, dass einige Befürworter der Militäraktion in Niger, insbesondere im ECOWAS-Block, das Malabo-Protokoll zur Beendigung verfassungswidriger Regierungswechsel in Afrika nicht ratifiziert haben, was ein wirksames Vorgehen in Niger erschwert. Dieses Protokoll der Afrikanischen Union ist das Ergebnis eines langwierigen und komplexen Prozesses und wurde 2014 angenommen, ist aber noch nicht in Kraft, da nur 15 der 55 AU-Mitgliedsstaaten Ratifizierungsurkunden abgegeben haben. Nigeria ist einer der 40 Staaten, die das Instrument, das eines der wirksamsten Instrumente zur Bekämpfung verfassungswidriger Regierungswechsel in Afrika hätte sein können, noch nicht ratifiziert haben.

Obwohl die Demokratie als das beste Regierungssystem angepriesen wird, verraten Handlungen wie die Nicht-Ratifizierung dieses Protokolls, dass die Demokratie nur ein Deckmantel ist, den die afrikanische politische Klasse benutzt, um an der Macht zu bleiben. Und dies ist einer der Faktoren, die zu Militärputschen führen, die letztendlich die Stabilität von Ländern und ganzen Kontinenten gefährden.

Afrika kann sich keine Militäroperation leisten, die zum Ausbruch eines Krieges führen könnte. Jeder Krieg in der Sahelzone hätte nicht nur für Afrika, sondern auch für Europa und die Vereinigten Staaten verheerende Folgen. Er wird zu einer Destabilisierung der Sahelzone und zu einer massiven Vertreibung und Flucht führen.

Die meisten Länder in der Sahelzone, in der auch Niger liegt, stehen auf dem Fragile States Index weit oben und sind bereits jetzt durch anhaltende Krisen, Konflikte geringer Intensität und terroristische Aufstände einem starken internen und externen Druck ausgesetzt. Afrika südlich der Sahara ist Schauplatz von mehr als 35 der 110 weltweiten bewaffneten Konflikte. Damit liegt es an zweiter Stelle nach dem Nahen Osten und Nordafrika mit 45 aktiven bewaffneten Konflikten. Auch hier liegen die meisten dieser Länder in der Sahelzone oder in deren Umgebung.

Die Länder in dieser Region gehören zu den ärmsten Volkswirtschaften der Welt und werden von einer Vielzahl innenpolitischer Probleme geplagt. Das Welternährungsprogramm betrachtet die Sahelzone aufgrund der zunehmenden bewaffneten Konflikte, der Verschlechterung der Sicherheitslage, der weit verbreiteten Armut und der Auswirkungen des Klimawandels” als besorgniserregend. Die Auswirkungen des islamischen Terrorismus sind bereits in der gesamten Region zu spüren. Niger beherbergt 300.000 nigerianische Flüchtlinge, die vor dem Terror von Boko Haram geflohen sind. Diese Flüchtlinge laufen Gefahr, im Falle einer bewaffneten Konfrontation zwischen den beiden Ländern ins Kreuzfeuer zu geraten.

Auch andere Länder in oder um die Region sind nicht stabil. Libyen ist ein gescheiterter Staat, der von internen Streitigkeiten und einem Bürgerkrieg zerrissen wird, nachdem die NATO den ehemaligen Staatschef Muamar Gaddafi unter Umständen gestürzt hat, die viele Afrikaner für fragwürdig halten.

Die Intervention der NATO im Jahr 2011 und die Tötung Gaddafis haben ein Machtvakuum geschaffen, das die Sahelzone destabilisiert hat. Viele Tuareg und zurückkehrende Kämpfer, die mit Gaddafi verbündet waren, kehrten mit einem Waffenarsenal aus Libyen in ihre jeweiligen Länder in der Sahelzone zurück. Dies ebnete den Weg für einen Zustrom dschihadistischer Kämpfer und die Verbreitung von Waffen in der gesamten Region, was zu sektiererischen Konflikten, Anarchie, Gewalt und einer erhöhten Fragilität der Region beitrug.

Der Sudan befindet sich in einem Bürgerkrieg zwischen zwei Generälen. Algerien, Benin, Ghana, Burkina Faso, Mali, die Zentralafrikanische Republik, Kamerun, der Tschad, die Elfenbeinküste, Mauretanien, Nigeria, Tunesien und Togo kämpfen mit terroristischen Aufständen, die die Fragilität der gesamten Region noch verstärken.

Nigeria, das führende Land in der ECOWAS, hat seine Armee in 30 seiner 36 Bundesstaaten im Einsatz, um Militäroperationen gegen islamische Dschihadisten wie Boko Haram, ISWAP, Fulani-Militante und sezessionistische Bewegungen wie die Pro-Biafra- und Yoruba-Bewegung im Südosten und Südwesten durchzuführen.

Auf wirtschaftlicher Ebene leidet Nigeria unter einer galoppierenden Inflation als Folge jahrelanger Misswirtschaft, die durch die kürzliche Abschaffung der Subventionen für Erdölerzeugnisse noch verschärft wurde. Dies alles führt zu einer zunehmenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Landes. Ein solches Land, das durch innenpolitische Probleme zerrissen ist, kann sich keinen Krieg leisten. Selbst wenn die Europäische Union und die Vereinigten Staaten für die Kriegsmaschinerie sorgen würden, müsste die ECOWAS, und hier insbesondere Nigeria als bevölkerungsreichste Nation, die Truppen stellen.

All dies deutet darauf hin, dass jede militärische Intervention, die eine weitere Destabilisierung dieser fragilen Region riskiert, unklug ist. Die Sahelzone ist in ihrer jetzigen Form ein Pulverfass. Der nächste fehlgeleitete Konflikt könnte sich zu einem verheerenden Krieg auswachsen.

Titelbild: vertukha/shutterstock.com