Piraten des Potomac: US-Regierung lässt Tanker mit iranischem Öl im Wert von 56 Millionen US-Dollar entführen und in Texas entladen

Piraten des Potomac: US-Regierung lässt Tanker mit iranischem Öl im Wert von 56 Millionen US-Dollar entführen und in Texas entladen

Piraten des Potomac: US-Regierung lässt Tanker mit iranischem Öl im Wert von 56 Millionen US-Dollar entführen und in Texas entladen

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Mutmaßlich auf Befehl der US-Regierung wurde am Wochenende ein Tanker mit iranischem Öl im Golf von Mexiko beschlagnahmt. Laut vorliegenden Schiffsverfolgungsdaten wird die Ladung im Wert von weit über 50 Millionen US-Dollar derzeit in der Nähe von Houston (Texas) entladen. Der US-Senat will den Erlös der Kaperung „den Opfern von 9/11“ zukommen lassen. Stützen kann er sich dabei auf ein skandalträchtiges Urteil eines New Yorker Gerichtes, welches mit einer abenteuerlichen Begründung den Iran im März 2016 zu einer zweistelligen Milliardensumme Schadenersatz wegen der Anschläge vom 11. September 2001 verurteilt hatte. Wie man sieht, der vorliegende Fall ist nicht nur ein Akt der maritimen, sondern auch der juristischen Piraterie. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Joshua M. Landis, Leiter des Center for Middle East Studies an der University of Oklahoma, machte am 20. August erstmals auf den Fall aufmerksam. Auf X-Twitter erklärte er:

„Die USA beginnen mit der Entladung von iranischem Öl im Wert von 56 Millionen Dollar in einem texanischen Hafen, nachdem sie einen #Iran-Tanker beschlagnahmt haben. US-Senatoren erklärten, das Geld könnte für die US-Opfer der Anschläge vom 11. September verwendet werden.“

Landis verweist dabei auf einen Artikel der US-Nachrichtenagentur The Associated Press (AP). Dort heißt es unter anderem:

„Monatelang lag das Schiff im Südchinesischen Meer vor der Nordostküste Singapurs, bevor es plötzlich und ohne Erklärung in den Golf von Mexiko fuhr. Analysten gehen davon aus, dass die Ladung des Schiffes von amerikanischen Behörden beschlagnahmt wurde.

Die von The Associated Press analysierten Schiffsverfolgungsdaten zeigten, dass die unter der Flagge der Marshall-Inseln fahrende Suez Rajan mit dem stundenlangen Schiff-zu-Schiff-Transfer ihres Öls auf einen anderen Tanker, die MR Euphrates, in der Nähe von Galveston, etwa 70 Kilometer (45 Meilen) südöstlich von Houston, begann.“

Die Geschichte des Tankers „Suez Rajan“, der unter Flagge der Marshall-Inseln fährt und von einer griechischen Reederei betrieben wird, begann im Februar 2022. Damals erklärte die radikale anti-iranische US-Lobbygruppe „United Against Nuclear Iran“, in dessen Vorstand hochrangige ehemalige US-Diplomaten sowie Politiker von Demokraten und Republikanern sitzen, dass der fragliche Tanker Öl von der iranischen Insel Khargh, dem wichtigsten Ölumschlagplatz im Persischen Golf, transportiere. Daraufhin begann die von internationalem Völkerrecht nicht gedeckte Jagd der US-Behörden auf den Tanker, der wohlgemerkt von einer in der EU ansässigen Reederei betrieben wird.

Die Entladung des gekaperten Tankers mit dem geladenen iranischen Öl in einem texanischen Hafen startete übrigens am 19. August, auf den Tag genau der 70. Jahrestag des CIA-Putsches („Operation Ajax“) gegen den demokratisch gewählten iranischen Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh am 19. August 1953.

Eine Gruppe einflussreicher demokratischer und republikanischer US-Senatoren rief vor dem Hintergrund der „Entladung“ das Weiße Haus auf, das Geld aus dem Erlös des geklauten Öls dem US-Fonds „für Opfer des staatlich geförderten Terrorismus“ zur Verfügung zu stellen. Dieser Fond dient vor allem der Entschädigung von Opfern der Anschläge vom 11. September 2001. „Wir sind es diesen amerikanischen Familien schuldig, unsere Sanktionen durchzusetzen“, heißt es in dem Aufruf der Senatoren. Joni Ernst, republikanischer Senator aus Iowa und einer der Mitunterzeichner, betonte gegenüber Pressevertretern:

„Kein ausländischer Gegner sollte Amerikas Stärke in Frage stellen. Um sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passiert, muss die Biden-Administration unsere bestehenden Sanktionen durchsetzen, dem Terrorismus (…) kein grünes Licht mehr geben und diese Beschwichtigungspolitik gegenüber einer Nation beenden, die ‘Tod für Amerika’ skandiert.“

Was hat denn der Iran mit den Anschlägen von 9/11 zu tun gehabt, wird sich jetzt vielleicht der geneigte Leser fragen. Nach allem, was man weiß, gar nichts. Das hat aber ein New Yorker Gericht 2016 nicht davon abgehalten, den Iran zu insgesamt 10,5 Milliarden US-Dollar zu verurteilen. Die damalige hanebüchene und jedem rechtsstaatlichen Ansatz hohnsprechende Begründung lautete: Der Iran hätte „nicht ausreichend bewiesen, dass er nicht in die Anschläge des Terrornetzwerks Al-Kaida verwickelt war“.

Mit der völkerrechtlich nicht gedeckten Beschlagnahmung des Tankers haben die USA mal wieder eine Eskalationspirale in der Region in Gang gesetzt. Denn die Reaktion Teherans auf die Kaperung und den Diebstahl des Öls ließ nicht lange auf sich warten. Konteradmiral Alireza Tangsiri der iranischen Kriegsmarine verkündete in diesem Zusammenhang:

„Wir erklären hiermit, dass wir jede Ölgesellschaft, die versucht, unser Rohöl von dem Schiff zu entladen, zur Verantwortung ziehen werden, und wir machen auch Amerika dafür verantwortlich. Die Zeit der Straflosigkeit ist vorbei. Wer zuschlägt, muss damit rechnen, dass wir zurückschlagen werden.“

Und es blieb nicht bei leeren Worten. Mittlerweile hat der Iran im Gegenzug zwei Tanker in der Nähe der Straße von Hormuz beschlagnahmt, darunter einen mit Ladung für den US-amerikanischen Ölkonzern Chevron Corp.

Gleichzeitig entsandten die USA zwei Kriegsschiffe in die Region, die USS Bataan und die USS Carter Hall, welche am Wochenende, gedeckt von F-35-Kampfjets, die Straße von Hormuz durchquerten, die schmale Mündung des Persischen Golfs, durch die 20 Prozent des weltweit geförderten Öls transportiert werden. Hauptleidtragende der Auswirkungen dieser von der US-Regierung initiierten Provokation sind im Zweifel die Bevölkerung und (verbliebene) Industrie Europas, die schon seit längerem unter sowieso schon hohen Energiepreisen ächzen. USA, unser Freund und Helfer in der Not …

Titelbild: Shutterstock / patrice6000

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