Rezos YouTube-Video ist ein großer Beitrag zur dringend notwendigen Stärkung des Interesses für politische Zusammenhänge

Rezos YouTube-Video ist ein großer Beitrag zur dringend notwendigen Stärkung des Interesses für politische Zusammenhänge

Rezos YouTube-Video ist ein großer Beitrag zur dringend notwendigen Stärkung des Interesses für politische Zusammenhänge

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Wenn heute immer wieder und mit Recht die miserable Qualität der politischen Entscheidungen und der politischen Debatte beklagt wird, dann hat das auch damit zu tun, dass es vielen politischen Entscheidungen an sachlicher Qualität fehlt. Und dies wiederum ist auch die Folge dessen, dass in die Politik seit einiger Zeit vor allem Karrieristen streben und weniger junge Leute mit Sachverstand. Die vom Grundgesetz vor 70 Jahren anvisierte Willensbildung in den Parteien ist auch deshalb ziemlich miserabel geworden. In dieser Situation ist das Video von Rezo ein hoffnungsvolles Zeichen. Es ist – Stand 8:00 Uhr am 24. Mai – über 7 Millionen mal aufgerufen worden; vermutlich erreicht es mehrheitlich junge Menschen. Schönheitsfehler: Wahlempfehlung mit Schlagseite. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Bei Jüngeren Interesse für Politik zu wecken und Zusammenhänge zu erklären, ist ungemein wichtig und richtig. Hoffentlich zieht es intelligente und engagierte Menschen an, sich einzumischen und auch persönlich in die Politik zu gehen.

Es folgen ein paar Anmerkungen zum Inhalt und zum Umgang mit dem Video:

  1. Vorweg und ohne Vorbehalt: Es ist sinnvoll, dieses Video weiter zu verteilen und es auch für Diskussionen im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis zu nutzen. Übrigens auch in den Gesprächskreisen der NachDenkSeiten.
  2. Zu den Inhalten – was kommt in dem Video vor. Eine Auswahl:
    • Die CDU, gemeint ist damit CDU und CSU, hat total versagt. Sie manipuliert, ist inkompetent, sie setzt sich Ziele, die sie dann nicht einhält. Ähnlich stehen werde es um die SPD.
    • Die miserable Verteilung der Einkommen und Vermögen wird beschrieben.
    • Mangelnde Chancengleichheit, Aufstiegschancen sind geringer als in anderen Ländern.
    • Klimaschutz, Artensterben, dabei ausführlich zur tödlichen Nutzung von Kohle, Öl usw. Insgesamt werde von der Union eine zukunftszerstörende Politik gemacht. Dabei bringt der Autor des Videos viele Hinweise auf wissenschaftliche Erkenntnisse.
    • Der Wandel von alten Arbeitsplätzen, zum Beispiel Kohleabbau, zu neuen wird beschrieben.
    • Drohneneinsatz, Atombomben und ihre Modernisierung – die CDU ist den USA hörig.
    • Der Westen erzeugt mit seinen Drohneneinsätzen und Kriegen Terroristen
    • Merkels Befürwortung des Irak-Krieges und ihr opportunistischer Wandel
    • Die Inkompetenz anderer Politiker wie zum Beispiel von Sigmar Gabriel, Martin Schulz, Michael Roth wird gezeigt. Genauso das jämmerliche Bild der Vertreter von Ministerien auf der Bundespressekonferenz
    • Inkompetenz der CDU wird auch an weiteren Beispielen sichtbar gemacht: Umgang mit Drogen, Alkohol und dem Urheberrecht

    Ergänzende Anmerkungen zu den Schwerpunkten:

  3. Zum Schwerpunkt Klimaschutz und Schutz vor zukunftzerstörender Politik

    Mit Recht ist dieses Thema ein Schwerpunkt des Videos. Leicht kritisch anzumerken wäre: die Penetranz der wiederholenden Hinweise auf wissenschaftliche Erkenntnisse stört ein bisschen.

    Aber wirklich richtig ist der Hinweis auf die Dringlichkeit. Es ist dringlich wegen der jungen Generation und der kommenden Generationen. Zurzeit geschieht ja praktisch noch nichts Entscheidendes. Siehe dazu die NachDenkSeiten-Beiträge vom 13. Mai “Zerstörung der Artenvielfalt. Dramatisch am Montag. Vergessen am nächsten Montag. Wo bleibt die Wegweisung der Bundesregierung?” und 7. Mai “Verlust der Artenvielfalt – massives Umsteuern ist angesagt“. Rezo nennt zum Beispiel den Luftverkehr. Dort wird nichts, überhaupt nichts umgesteuert. Genauso in der Landwirtschaftspolitik.

    Also das Fazit: Dieser Schwerpunkt des Videos ist ausgesprochen berechtigt.

  4. Verteilungsgerechtigkeit und Chancen

    Bei diesem Thema verklärt der Autor ein bisschen die frühere Vergangenheit. Die Chancen zum beruflichen Aufstieg junger Leute war in den fünfziger Jahren und in den beginnenden sechziger Jahren ausgesprochen ungleich verteilt. Kinder aus Arbeiterfamilien hatten kaum eine Chance. Schon beim Zugang auf weiterführende Schulen und zu Universitäten wurde selektiert. In von der SPD regierten Bundesländern war die Lage in der Regel besser. In den sechziger Jahren und siebziger Jahren wurde sie dank des Regierungswechsels von CDU/CSU zur SPD insgesamt besser; und seitdem ist sie wieder schlechter geworden. Darauf wird mit Recht hingewiesen. Es hätte dem Video aber gut getan, wenn dieser Wandel und damit auch der Wandel der SPD sichtbar gemacht worden wäre.

    Weitere Videos wären bei diesem Thema sinnvoll, zum Beispiel dazu, wie man sich den Weg zu einer besseren Verteilung der Einkommen und Vermögen vorstellen könnte.

  5. Krieg und Frieden

    Die Passagen zu den Drohneneinsätzen, über das deutsche Ramstein und das gefügige, feige Schweigen der Bundesregierung und auch über die Modernisierung der Atomwaffen sind voll in Ordnung. Es fehlt bei diesem Kapitel aber der Hinweis auf die neue Konfrontation in Europa, die ja entgegen der ursprünglichen Absicht von 1989/1990 betrieben worden ist. Es fehlt der Hinweis auf die Entscheidung von Rot-Grün zum Kosovo-Krieg – mit Unterstützung der CDU/CSU.

    Auch die sonstigen vielen Kriege des Westens kommen etwas kurz. Aber man kann ja auch nicht alles unterbringen, wenn man ein Video von 55 Minuten herstellt.

  6. Die Zerstörung der CDU

    Dieser Titel des Videos klingt etwas bombastisch, ist aber aus meiner Sicht berechtigt, auch deshalb, weil die Rolle der Union und ihr Verhalten bei den üblichen Betrachtungen über 70 Jahre Bundesrepublik viel zu gut weg kommt. Dazu ein paar ergänzende Bemerkungen, holzschnittartig:

    Echte Demokratie gab‘s in der Bundesrepublik fast nie. Es gab nie gleiche Chancen für das konservative und das progressive Lager in der Bundesrepublik Deutschland. Die Union und ihr erster Bundeskanzler Konrad Adenauer sind mithilfe von viel Geld aus dubiosen, aus Naziquellen und aus alliierten Quellen 1949 an die Macht gekommen. Sie hat den kalten Krieg mit betrieben und schon anfangs der fünfziger Jahre die damals gebotene Chance, nicht aufzurüsten und die deutsche Teilung schon damals zu heilen, nicht genutzt, sondern abgewiesen.

    Es gab dann 1969 den Kanzlerwechsel und 1972 die Verteidigung dieses politischen Wechsels. Aber dies konnte nur gegen den massiven Einsatz des Großen Geldes und mithilfe von Hunderttausenden Menschen, die sich damals gegen den massiven Einsatz der reichen Unterstützer der Union gewehrt haben, erreicht werden.

    Dann wurde der nächste Wechsel zugunsten der CDU/CSU und ihres Bundeskanzlerkandidaten Helmut Kohl mit massiven finanziellen Zuwendungen erreicht. Kohl konnte praktisch über nahezu unbegrenzte Mittel für die entsprechende Propaganda verfügen. Damit wurde damals das kleine Pflänzchen der demokratischen Kontrolle und des demokratischen Wandels wieder zertrampelt.

    Dies zur vergangenen, zur früheren Rolle der CDU/CSU. In Rezos YouTube-Video wird mit Recht auf das Versagen der Union in den letzten drei Jahrzehnten abgehoben.

    Beides zusammen, das aktuelle Versagen und die Machtergreifung der Union mithilfe des Großen Geldes schon 1949 und mehrmals danach, reicht, um den Titel des YouTube-Videos zu rechtfertigen. Es wäre für die Demokratie in unserem Land ein großer Gewinn, wenn die Union zurechtgestutzt würde. Das geschieht vermutlich nicht, weil CDU und CSU ausreichend großen Einfluss auf die meisten Medien haben. Schauen wir mal, ob das Rezo-Video noch Einfluss auf das Wählerverhalten am kommenden Sonntag hat. Nötig wäre es.

  7. Die AfD wird im Video gekonnt als ausgesprochen mangelhafte Alternative dargestellt.

    Sie nicht zu wählen, wird offen und mit Recht propagiert.

  8. Die sonstige Wahlempfehlung, die zwischendurch und gegen Ende des Videos deutlich formuliert wird, hinkt leider. Sie hat eine Schlagseite zugunsten der Grünen – das widerspricht leider der Grundabsicht des Videos, aufzuklären und die Wahrheit offenzulegen.

    Denn so, wie sich die SPD im Laufe der letzten drei Jahrzehnte gewandelt hat (oder von außen beeinflusst und gewandelt worden ist), haben sich auch die Grünen massiv verändert. Sie haben nach der Regierungsbildung von 1998 als Regierungspartner in der rot-grünen Koalition die Entscheidung zum Kosovo-Krieg mitgetragen und zur Agenda 2010. Beides ist nicht gegen ihren Widerstand geschehen, sondern durch massive Unterstützung ihrer Fraktion und vor allem des Vizekanzlers Joschka Fischer.

    Von den Grünen kann man ein bisschen erwarten, dass sie mehr als die anderen zur Rettung von Umwelt und Natur tun. O. k. Aber: Von ihnen zu erwarten, sie würden uns zum Beispiel vor der Abhängigkeit der USA bei Kriegseinsätzen und Drohneneinsätzen bewahren, ist ziemlich naiv. Von ihnen zu erwarten, dass sie etwas für eine bessere Einkommens- und Vermögensverteilung tun und dass sie die Chancen der weniger begüterten jungen Leute verbessern, ist ziemlich realitätsfern, naiv oder Absicht.

    Das ist schade.

    Das bringt mich allerdings nicht zu dem Ergebnis, die oben formulierte Empfehlung, dieses Video weiterzuverbreiten und zu nutzen, zurückzuziehen. Allerdings sollte man diesen kleinen Vorbehalt bei der Wahlempfehlung beachten. Ein weiterer Anstieg der Wählerstimmen für diese Grünen würde nämlich die negative Entwicklung dieser Partei verstärken, statt den sozial und friedenspolitisch orientierten Flügel wiederzubeleben.