Umfassend und ausgewogen? – „Damit sich mehr Menschen in Sicherheit bringen können“ – Kinder-Nachrichtensendung logo „erklärt“ den Krieg in Nahost

Umfassend und ausgewogen? – „Damit sich mehr Menschen in Sicherheit bringen können“ – Kinder-Nachrichtensendung logo „erklärt“ den Krieg in Nahost

Umfassend und ausgewogen? – „Damit sich mehr Menschen in Sicherheit bringen können“ – Kinder-Nachrichtensendung logo „erklärt“ den Krieg in Nahost

Ein Artikel von Frank Blenz

In unseren Staatsmedien wird in Sachen politischer Information und Bildung nach diesem Motto gehandelt: Wie bei den großen, so auch bei den kleinen Leuten. Beispiel: Viele Menschen beschäftigt der Krieg in Israel und Gaza, auch die jungen Zuseher. Der Auftrag des ÖRR scheint zu sein, kindgemäß und wohldosiert Nachrichten und Informationen ganz wie bei den Erwachsenen zu vermitteln – tendenziell. Das Nachrichtenformat für Kinder beim ZDF namens logo folgt – wie unsichtbar wirkend, doch deutlich vernehmbar – einer politisch gewollten Richtung, die da heißt: Israel kommt gut weg, Palästina, also Gaza schlecht. Wie macht man das? Man braucht nur mal logo anschauen. Ein Kommentar von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

ZDF „logo“ unterrichtet das junge Publikum zunächst:

Seit dem 7. Oktober greift die Terrorgruppe Hamas Israel an.

  • Israel reagiert mit Gegenangriffen auf den Gazastreifen.
  • Auf beiden Seiten gibt es viele Tote und Verletzte.

Am 7. Oktober hat die Terrorgruppe Hamas Israel angegriffen. Dabei wurden viele Menschen getötet. Seitdem wehrt sich Israel und greift die Hamas im Gazastreifen an. Israel hat Soldaten und Panzer dorthin geschickt. Sie sollen die Hamas-Terroristen bekämpfen.

Menschen aus Israel wurden entführt

Die Hamas hat bei ihrem Angriff vor einem Monat auch Menschen aus Israel als Geiseln genommen. Das heißt: Die Terroristen haben die Menschen gefangen genommen und in den Gazastreifen verschleppt.

Wie es den Menschen geht und ob sie noch leben, wissen die meisten Familien der Geiseln nicht. Israelische Soldaten sollen versuchen, die Geiseln im Gazastreifen zu finden und zu befreien.

Unter dem Krieg leiden vor allem Menschen, die nicht direkt etwas mit dem Krieg zu tun haben. Man nennt sie auch Zivilisten. Für sie ist die Situation in Israel und im Gazastreifen gerade ziemlich schlecht. Auf beiden Seiten gibt es viele Tote und Verletzte.

Ein einleitendes Wort. Dass im Nahen Osten erneut ein offener Krieg begonnen hat, weil Israel von Gaza aus brutal, fanatisch und heimtückisch angegriffen wurde und dabei mehr als 1.400 Menschen in Israel um ihr Leben gebracht wurden (die Verletzten und Traumatisierten nicht zu vergessen), erzeugt bis heute bei mir und bei Menschen in meinem Umfeld, bei kleinen und bei großen Menschen, großes Entsetzen und Protest. Dass der Gegenschlag Israels entfesselter denn je im Gang ist und kein Innehalten in Sicht scheint, ebenso. Krieg, Rache, Tod und Leid sind keine Lösung.

Wir erfahren diese schlimme Katastrophe aus den Medien, wobei die Menge und Qualität der Informationen, Meinungen, Richtungen darüber aber eher viele Fragen aufwirft und für Unverständnis sorgt als beruhigtes Informiertsein. Diese Irritation ereilt einen auch beim Kinder-TV. Mit Unverständnis registriert sei gesagt: logo findet „Die Situation der Zivilisten in Gaza ist gerade ‚ziemlich schlecht‘.“ und meint dann: „Auf beiden Seiten gibt es viele Tote und Verletzte.“ Zwischenfrage: Müsste es nicht aktuell angesichts vorhandener Zahlen heißen, „viele Tote und Verletzte unter der Bevölkerung von Gaza“? Auch von „ziemlich schlecht“ kann keine Rede sein, vielmehr davon, dass die Lage in Gaza unerträglich ist und all das doch verhinderbar gewesen war und es jederzeit möglich wäre, den Krieg zu beenden. Doch stattdessen wird Gaza in Schutt und Asche gelegt, werden viele zivile Opfer und eine Fluchtbewegung der palästinensischen Bevölkerung beinah biblischen Ausmaßes in Kauf genommen. Doch diese Drastik fehlt logo. Es wird relativiert, kindgemäß versteht sich.

So ist die Lage im Gazastreifen

Im Gazastreifen sind zum Beispiel gerade viele Zivilisten auf der Flucht. Sie mussten ihr Zuhause verlassen, um sich vor den israelischen Gegenangriffen in Sicherheit zu bringen. Viele finden aber keinen Schutz, weil Häuser zerstört wurden.

Die Hamas-Terroristen halten sich außerdem oft dort auf, wo viele Menschen sind, zum Beispiel in der Nähe von Krankenhäusern. Das bringt die Menschen dort in größere Gefahr.

Wie erzähle ich es dem Kind, was mit Israel, Krankenhaus, Hamas und palästinensische Zivilisten, im Zusammenhang genannt, gemeint ist? Die Antwort müsste vielleicht lauten: Israel nimmt keine Rücksicht und zerstört auch Krankenhäuser. logo sagt, dass der Aufenthalt der Hamas die Zivilisten in Gefahr bringt. Warum sind so viele Menschen auf der Flucht? Die Gegenfrage müsste vielleicht lauten: Ist das von Israel gewollt, Gaza von palästinensischen Menschen zu befreien? Man bedenke zudem, es sind mehr als zwei Millionen Menschen betroffen.

Auf der Internetseite des logo-Beitrages ist eine Landkarte zu sehen. Kindern fällt beim Anblick der Ländergrafik auf, dass die Kräfteverhältnisse samt Größe der Flächen zwischen Israel und Palästina ungleich sind. Kinder fragen: Warum hat sich Israel so viel genommen, und warum müssen die Palästinenser in so einem kleinen „Streifen“ und einem Restbereich weiter rechts leben, warum können sie nicht friedlich zusammenleben? Wo ist das Problem?

Die Sendung logo samt des begleitenden Internetauftritts überzeugt die jungen Bürger in meiner Umgebung wenig, ihre Fragen kommen nicht vor. Und die Antworten auf andere Fragen in der Sendung überzeugen sie allein schon aus einem Bauchgefühl heraus nicht, dass logo vielleicht nicht die ganze Geschichte erzählt, erfahre ich. Eine Frage kommt auf: Wie kann es sein, wenn ein Land, „Gazastreifen“ genannt, kaputt ist und viele Kinder sterben, das dann als Verteidigung, als Gegenwehr zu bezeichnen?

Der ÖRR hat für die Wortfindungen rund um Gaza und Israel sogar richtige Sprachregelungen festgelegt. Wer sich die 44 Seiten bei der ARD anschaut, wird überrascht auch beim ZDF entdecken, wie derlei Sprachregelungen im Verlauf der Beiträge ebenfalls bei den Kleinen, bei logo verwendet und damit erfolgreich Worte ausgeblendet werden, die ein umfängliches, differenziertes, distanziertes Betrachten der Katastrophe zwischen Israelis und Palästinensern ermöglichten.

Doch Kinder sind nicht dumm, sie saugen neugierig Informationen, Gespräche, Emotionen auf: Das, was die Erwachsenen um sie herum, einschließlich meiner Person, besprechen, was die ärgert, was die fordern und dann jedoch von den ÖRR nicht oder ungenügend an Informationen und Meinungsäußerungen erhalten, macht auch die Kinder stutzig: Warum reden die Großen darüber, dass Israel nicht innehält und ohne Gnade zuschlägt? Warum erfahren die Kinder das bei logo nicht? logo muss ein Kind doch zum Schluss kommen lassen, dass Israel sich nicht lediglich wehrt, wie eingangs erwähnt, sondern zum Gegenangriff geblasen hat und diesen unerbittlich führt, viele Zivilisten zur hoffnungslosen Flucht zwingt, voll besetzte Krankenhäuser angreift, wohl wissend, dass dort vor allem Menschen sind, die keine Gegner, keine Feinde sind, oder?

Zu beobachten ist: Wenn das Kinderfernsehen via logo Politik erklärt, dann so, wie es bei den Erwachsenen auch gehandhabt wird – vermeide Informationen, die womöglich das gewünschte, das gängige, das wertebasierte Bild stören, in dem die eine Seite die Bösen, die andere Seite die Guten sind. Und wer die Guten sind, kann jedes Kind, wenn es logo unkritisch folgt, erfassen. Und wir, also wir Deutschen, wir gehören, klaro, sowieso dazu.

Kinder brauchen Hoffnung. logo liefert sie:

Hilfe für die Menschen

Die Zivilisten im Gazastreifen benötigen dringend Hilfe. Es fehlen zum Beispiel Lebensmittel, sauberes Trinkwasser, Medikamente und Kraftstoff. Einige LKW mit Hilfsleistungen konnten bereits in den Gazastreifen fahren. Doch das ist nur ein Bruchteil der Lieferungen, die vor dem Krieg ankamen. Experten sagen, dass die Hilfslieferungen nicht ausreichen, um die Menschen im Gazastreifen versorgen zu können.

Wichtige Politikerinnen und Politiker aus vielen Ländern fordern außerdem, dass die Kämpfe unterbrochen werden, damit besser geholfen werden kann. Israel hat nun laut den USA zugestimmt, täglich vierstündige Kampfpausen einzuhalten, damit sich mehr Menschen in Sicherheit bringen können.

Immerhin gibt es Hilfslieferungen. Und die USA und Israel im Verbund informieren, dass täglich vier Stunden Kampfpausen eingelegt werden. Auf dass die Menschen flüchten können…

Was schließlich bei logo fehlt, sind Informationen über den zunehmenden internationalen Protest gegen Israels Gegenangriffe, gegen den Krieg, gegen Vertreibung, für Frieden in Nahost. Es fehlen Fragen wie „Warum hat die Hamas angegriffen?“, „Was geschieht seit vielen Jahren im Nahen Osten?“, „Was hat es mit der Siedlungspolitik auf sich?“, „Wie muss ein Lösungsweg für Israel und für die Palästinenser aussehen?“.

Bei den Zahlen der Opfer in Israel und im Gazastreifen, die in die Zigtausende gehen, sind wir, ich und meine jungen Gesprächspartner, geschockt, wir sind uns einig: Von wegen Kampfpause, Schluss mit dem Krieg.

Titelbild: Screenshot ZDF/tivi