Komplette Familie deutscher Staatsbürger im Gazastreifen ausgelöscht – Was sagt die Bundesregierung?

Komplette Familie deutscher Staatsbürger im Gazastreifen ausgelöscht – Was sagt die Bundesregierung?

Komplette Familie deutscher Staatsbürger im Gazastreifen ausgelöscht – Was sagt die Bundesregierung?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Eine sechsköpfige Familie deutscher Staatsbürger ist, wie erst jetzt bekannt wurde, bei einem israelischen Bombenangriff Ende Oktober auf ein Wohnhaus in Gaza getötet worden: Der Vater, Anästhesist in einer Dortmunder Klinik, die Mutter und ihre vier Kinder im Alter von zehn bis unter einem Jahr. Das Auswärtige Amt bestätigte am 11. Dezember den Tod der Familie, erklärte aber zugleich, „dass wir uns grundsätzlich zu Einzelfällen nicht äußern“. Die NachDenkSeiten wollten auf der Bundespressekonferenz wissen, ob diese Aussage generell für alle Fälle gilt, in denen deutsche Staatsbürger durch mutmaßlich völkerrechtswidrige Angriffe einer staatlichen Armee auf zivile Ziele getötet werden. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Es handelt sich um die deutsch-palästinensische Familie Abujadallah. Der Vater, Yousef Abujadallah, hatte gerade seine Facharztausbildung abgeschlossen und hätte eigentlich am 1. November seine neue Stelle in einer Dortmunder Klinik antreten sollen. Zuvor wollte der Anästhesist aber noch kurz seine Familie in Gaza besuchen. Dort wurde aber er, seine Frau Ayah, der älteste Sohn Salahuddin, der Mitte Dezember seinen elften Geburtstag gefeiert hätte, der neunjährige Mohammad, der dreijährige Abdulrahman sowie der jüngste Sohn Omar, der noch nicht einmal das erste Lebensjahr erreichte hatte, am 25. Oktober im Wohnzimmer ihres Hauses von israelischen Bomben getötet.

Es ist der erste öffentlich bestätigte Fall, dass deutsche Staatsbürger durch israelische Bombardierungen ziviler Ziele getötet worden sind. Das bisherige Medienecho in Deutschland zu dem Fall ist mehr als überschaubar. Eine Ausnahme bildet die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung, die in einem Beitrag unter dem Titel „Familie Abujadallah lebt nicht mehr“ biografische Hintergrundinformationen und Alltagsbilder der getöteten Familienmitglieder präsentierte sowie Freunde und Familienangehörige zu Wort kommen ließ. Das Porträt der getöteten Familie ist allerdings, nicht frei von einem gewissen Zynismus, hinter einer Bezahlwand (Paywall) versteckt.

Quelle: Screenshot von sueddeutsche.de

Das Auswärtige Amt wollte sich auf Nachfrage der NachDenkSeiten weder näher zu dem Fall äußern noch in irgendeiner Form die Auslöschung einer kompletten Familie deutscher Staatsbürger verurteilen oder deren Tötung aus völkerrechtlicher Perspektive einordnen. Auch zum völkerrechtswidrigen Einsatz von weißem Phosphor durch die israelische Armee, wie er mittlerweile von zahlreichen internationalen Organisationen bestätigt wird, wollte sich das AA nicht näher äußern:

Auszug aus dem Protokoll der Regierungspressekonferenz in der BPK vom 13. Dezember 2023:

Frage Warweg
Im Gazastreifen wurde durch ein israelisches Bombardement eine sechsköpfige Familie deutscher Staatsbürger getötet. Der Vater war Anästhesist im Dortmunder Klinikum, die Kinder hatten ein Alter von zehn bis unter einem Jahr. Ich war jetzt überrascht, im Protokoll vom Montag zu sehen, dass die Bundesregierung bzw. das Auswärtige Amt diesen Fall zwar bestätigt, aber dann erklärt hat, Sie würden grundsätzlich zu solchen Einzelfällen keine weitere Stellungnahme vornehmen.

Meine Verständnisfrage: Verstehe ich das richtig, dass man grundsätzlich bei der Tötung einer kompletten Familie deutscher Staatsbürger diesen Fall nicht weiter kommentiert, egal ob die Bombardierung mutmaßlich völkerrechtswidrig durch israelisches, russisches, iranisches oder US-amerikanisches Militär vorgenommen wird?

Deschauer (AA)
Herr Warweg, ich mache mir die Kombination der verschiedenen Elemente und Vorwürfe in Ihrer Fragestellung erst einmal

Zusatz Warweg
Welche sollen das gewesen sein?

Deschauer (AA)
dass wir nicht kommunizieren a priori nicht zu eigen; denn das tun wir. Und zwar hat mein Kollege eine Frage zu genau zu diesem Fall, der uns bekannt ist und zu dem wir hier Stellung genommen haben, am Montag beantwortet und dann auch noch in einem ausführlicheren „Unter-drei“-Teil just weil es sich um grundsätzliche Kommunikation auch handelt, dass wir zu Konsularfällen im Detail auch aufgrund des Persönlichkeitsrechts nicht detailliert Auskunft geben noch einmal Stellung genommen. Darauf verweise ich sehr gerne. Das ist zwei Tage her. Insofern ist, glaube ich, die vollumfängliche Antwort bereits vonseiten der Bundesregierung gegeben worden.

Zusatzfrage Warweg
Gut, aber Sie müssen jetzt auch den Leser des Protokolls verstehen. Die Protokolle sind zumindest beim Auswärtigen Amt öffentlich für jeden einsehbar, und da sieht man nur: sechs getötete deutsche Staatsbürger; wir äußern uns grundsätzlich zu solchen Fällen nicht. Da fände ich eine Klarstellung schon ganz gut auch gerne öffentlich und nicht „unter drei“, ob der Tod deutscher Staatsbürger durch ausländisches Militär, egal welcher Provenienz, von der Bundesregierung thematisiert und kommuniziert wird. Ja oder nein? Das hat sich zumindest für mich durch Ihre Antwort nicht ergeben.

Deschauer (AA)
Dann muss ich leider noch einmal auf meine Einführung zurückkommen, dass ich mir die in der Fragestellung schon gemachten Vorwürfe nicht zu eigen mache, sondern sage, dass wir zu konsularischen Fällen nicht detailliert „unter eins“ Auskunft geben können.

Wir müssen davon ausgehen das hat mein Kollege am Montag hier gesagt und das sage ich hier sehr gerne noch einmal  , dass eine deutsche Familie getötet wurde. Außerdem hat mein Kollege am Montag „unter drei“ das werde ich heute aber nicht noch einmal in der gleichen Form ausführen die Hintergründe erläutert, wie und warum wir kommunizieren. Das hat eben auch mit Persönlichkeitsrechten von Menschen zu tun, und das gilt für jeden Fall. Deswegen gehen wir dazu „unter eins“ nicht näher ins Detail. Bei dieser Antwort belasse ich es jetzt mit Verweis auch noch einmal auf Montag.

Frage Warweg
Um das noch einmal konkret zu machen: Entsprach die Tötung der bereits erwähnten sechsköpfigen deutschen Familie beim Bombardement eines Wohnhauses dem Rahmen des Selbstverteidigungsrechts Israels?

Deschauer (AA)
Herr Warweg, ich führe unseren Austausch in dieser Sache nicht mehr weiter. Wir haben hier klar Position bezogen, wie wir gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber Israel in internen Gesprächen in der Region kommunizieren, und das ist, glaube ich, sehr deutlich.

Zusatzfrage Warweg
Dann noch eine Frage eher grundsätzlicher Art: Zumindest laut Menschenrechtsorganisationen wurde jetzt auch der Einsatz von weißem Phosphor im Libanon nachgewiesen. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung oder hat sie eigene Erkenntnisse, dass Israel völkerrechtswidrig weißen Phosphor im Libanon eingesetzt hat?

Deschauer (AA)
Die Medienberichterstattung haben wir zur Kenntnis genommen. Ich habe aber keine eigenen Erkenntnisse, die ich mit Ihnen teilen kann, und auf dieser Basis kann ich auch keine Einschätzung vornehmen.

Der von Florian Warweg und der AA-Sprecherin erwähnte BPK-Protokolleintrag vom 11. Dezember lautet wie folgt:

Frage Başay
Ich hätte noch eine Frage an Herrn Fischer. Am Wochenende ist bekannt geworden, dass eine Familie durch israelische Bombardements in Gaza gestorben ist. Können Sie dazu mehr sagen als bisher? Warum wurde das so spät veröffentlicht?

Fischer (AA)
Ich kann Ihnen sagen, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt leider davon ausgehen müssen, dass unter den Opfern der Kämpfe in Gaza auch eine deutsche Familie ist, die sich dort aufgehalten hat. Aber Sie wissen, dass wir uns grundsätzlich zu Einzelfällen nicht äußern. Ich kann Ihnen aber noch ein paar Erläuterungen „unter drei“ anbieten, wenn Sie das möchten.

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 13.12.2023