Zensur und soziale Netzwerke: Berliner Unternehmer wehrt sich gegen LinkedIn und klagt

Zensur und soziale Netzwerke: Berliner Unternehmer wehrt sich gegen LinkedIn und klagt

Zensur und soziale Netzwerke: Berliner Unternehmer wehrt sich gegen LinkedIn und klagt

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Eine Zensur findet nicht statt.“ So steht es in unserem Grundgesetz. Doch, stimmt das? Was soziale Netzwerke angeht, das heißt etwa Plattformen wie Facebook oder LinkedIn, werden bisweilen unliebsame Beiträge sehr schnell gelöscht. Dem Berliner Mittelständler Jörg Kuttig ist das mehrmals auf seinem LinkedIn-Kanal passiert. Bei dem US-amerikanischen Konzernunternehmen stieß er auf taube Ohren. Sein gesamtes Profil wurde gelöscht. Das lässt sich Kuttig nicht gefallen und ist auf einem Klageweg – wenn nötig, wie er sagt, auch durch alle Instanzen. Im Interview mit den NachDenkSeiten führt der Unternehmer aus, warum er klagt. Es geht, so Kuttig, um mehr als nur seine Befindlichkeiten. Das hohe Gut der Meinungsfreiheit sieht er in Gefahr. „Mittlerweile beziehen viele Menschen einen Großteil ihrer Informationen aus sozialen Medien. Wenn in diesen Medien Informationen gelöscht werden, die auch für die politische Willensbildung wichtig sind, gerät letztlich nicht weniger als unsere freiheitliche demokratische Grundordnung in Gefahr“, so Kuttig. Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Marcus Klöckner: Herr Kuttig, Sie klagen gegen das Netzwerk LinkedIn. Worum geht es?

Jörg Kuttig: LinkedIn hat zunächst einige meiner Beiträge entfernt und später mein Profil ganz gesperrt. Die Klage hat das Ziel, dass LinkedIn die Beiträge und das Profil wiederherstellen muss.

Wie viele Beiträge wurden gelöscht?

Insgesamt wurden 15 meiner Beiträge gelöscht. Sieben davon waren ab dem Moment der Löschung dauerhaft verschwunden, bei den anderen acht hatte LinkedIn die Löschung zwischenzeitlich rückgängig gemacht. Die sind dann aber wieder mit der Profilsperre verloren gegangen, zusammen mit allen meinen anderen, nie vorher gelöschten Beiträgen, das waren etwa 400.

Worum ging es in den Beiträgen?

In den gelöschten Beiträgen ging es um Zweifel an der Sicherheit der neuartigen Impfstoffe, die in der Corona-Krise propagiert worden sind. In den vor der Profilsperre ungelöschten Beiträgen ging es auch um andere Themen der Corona-Krise, insbesondere um Zweifel an der Angemessenheit der Schließungen von Kitas, Schulen und Hochschulen nach dem ersten Lockdown. Zu anderen politischen Themen hatte ich keine Beiträge gepostet.

Würden Sie die kritischen Stellen bitte anführen, damit unsere Leser sehen, was Sie geschrieben haben?

Die 15 gelöschten Beiträge enthielten keine Texte, die ich selbst geschrieben hatte. Sie enthielten Zitate aus Texten Dritter. Zur Begründung der Profilsperre ist von LinkedIn nur auf die letzten drei gelöschten Beiträge Bezug genommen worden.

Im ersten Beitrag hatte ich aus einem von der Berliner Zeitung veröffentlichten Artikel zitiert. Verfasser ist Herr Dr. Alexander Zinn. Die Überschrift lautet „Zwischenruf eines Geimpften: Warum ich Verständnis für die Impfskeptiker habe“.

Die im zweiten Beitrag verwendeten Zitate stammten aus einem im Internet veröffentlichten offenen Brief an alle Bundestagsabgeordneten. Verfasser ist die aus über 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bestehende Gruppe „7 Argumente“. Der Brief ist überschrieben mit „Eine Impfpflicht ist verfassungswidrig“.

Auch die im dritten Beitrag enthaltenen Zitate stammten aus einem im Internet veröffentlichten offenen Brief an alle Bundestagsabgeordneten. Dessen Verfasser ist der Verein „KRiStA – Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte“. Auch in dem Brief geht es um die Verfassungswidrigkeit einer Impfpflicht mit den neuartigen Impfstoffen.

Das haben Sie veröffentlicht. Und dann? Wie lange waren die Beiträge online? Und: Wurden Sie über die Löschung informiert?

In der Regel waren alle gelöschten Beiträge jeweils nur wenige Stunden online. Ich wurde jeweils unmittelbar nach der Löschung per standardisierter E-Mail darüber informiert, dass der Beitrag gemeldet und daraufhin gelöscht wurde. Dabei wurde als Grund für die Löschungen jeweils nur ein einziges Wort angegeben: „Falschinformationen“. Ich beantragte jeweils umgehend eine erneute Prüfung, wobei ich in jedem Antrag ausführlich erläuterte, warum die Löschung ungerechtfertigt war. LinkedIn antwortete auf jeden Antrag kurzfristig mit einer zweiten standardisierten E-Mail. Wenn der Beitrag wieder eingestellt wurde, enthielt die zweite E-Mail eine nicht auf Einzelheiten eingehende, wortkarge Entschuldigung. Wenn der Beitrag gelöscht blieb, teilte mir LinkedIn mit der zweiten E-Mail mit, dass die Prüfung einen Verstoß gegen die Community-Richtlinien bestätigt habe. Dabei wurde dieselbe Begründung wie in der ersten E-Mail angegeben: „Falschinformationen“.

Erst in der Klageerwiderung der LinkedIn vertretenden Rechtsanwälte sind die Löschungen ausführlicher begründet worden: die in meinen Beiträgen enthaltenen Behauptungen stünden nicht im Einklang mit bestimmten Verlautbarungen der Ständigen Impfkommission beziehungsweise der Weltgesundheitsorganisation, deshalb handele es sich bei ihnen um „falsche oder irreführende Informationen“, deren Verbreitung gemäß Community-Richtlinien verboten ist. Der mich vertretende Rechtsanwalt Professor Härting hat diese Vorwürfe in einer Replik entkräftet. Nun muss das Landgericht Berlin entscheiden.

Nun könnte man sagen: Solche Plattformen löschen immer wieder Beiträge – teilweise ist ein fragwürdiges Vorgehen zu beobachten. Viele Nutzer nehmen das hin. Sie klagen. Warum? Was ist Ihre Motivation?

In dieser Angelegenheit geht es zuvorderst um das durch Artikel 2 unserer Verfassung geschützte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, und das ist zu wichtig, als dass diese Zensur hinnehmbar wäre. Weder der STIKO noch der WHO noch irgendeiner anderen Institution oder einer natürlichen Person darf Unfehlbarkeit zugesprochen werden, das wäre das Gegenteil von Wissenschaftlichkeit.

Die schädlichen Nebenwirkungen der neuartigen Impfstoffe sind nie ausreichend erfasst worden. Schon deshalb ist die Behauptung, ihr Nutzen würde ihr Risiko überwiegen, gar nicht belegbar. Dazu kommt, dass der Nutzen fragwürdig ist. Dennoch wird an den Stoffen festgehalten. Mehr noch: Es droht die Gefahr, dass diese Art Impfstoffe schon sehr bald für „alternativlos“ deklariert werden.

Olaf Scholz hat die Empfänger der neuartigen Impfstoffe im Nachhinein als „Versuchskaninchen“ bezeichnet. Es war sehr vielen Empfängern zum Zeitpunkt der Impfung gar nicht bewusst, dass sie eine solche Rolle übernommen haben, denn die Informationen zu den Risiken waren gar nicht rechtzeitig bis zu ihnen durchgedrungen.

In nicht allzu ferner Zukunft wird es auch noch um viel mehr als Impfstoffe gehen. Die Gentechnik schreitet sehr schnell voran. Darin liegen enorme Chancen, aber auch ebensolche Risiken. Nach den Erfahrungen aus der Corona-Krise ist davon auszugehen, dass wir Bürger auch künftig bezüglich der Risiken neu entwickelter Produkte nicht ausreichend vorab durch Hersteller, Leitmedien oder Regierung informiert werden. Wir werden vielmehr wieder auf Möglichkeiten des direkten Austausches untereinander angewiesen sein. Und eine wichtige Möglichkeit ist der Austausch über große soziale Medien. Ich möchte mit der Klage dazu beitragen, dass diese Möglichkeit wieder hergestellt wird.

Vordergründig geht es um die gelöschten Beiträge. Aber bei Licht betrachtet geht es Ihnen also um mehr?

Es geht nicht nur um meine Beiträge oder sonst irgendwie nur um mich. Viele andere sind auch betroffen. Potenziell kann es zudem irgendwann alle anderen treffen, und zwar nicht nur zum Thema Impfungen, denn es geht nicht nur um das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Es geht auch um ein weiteres Grundrecht, nämlich das in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschriebene Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung. Dort steht auch ausdrücklich: „Eine Zensur findet nicht statt.“

Was bedeutet es denn aus Ihrer Sicht, wenn große soziale Medien eine solche Löschpraxis wie LinkedIn veranschlagen?

Mittlerweile beziehen viele Menschen einen Großteil ihrer Informationen aus sozialen Medien. Wenn in diesen Medien Informationen gelöscht werden, die auch für die politische Willensbildung wichtig sind, gerät letztlich nicht weniger als unsere freiheitliche demokratische Grundordnung in Gefahr.

Besonders erschreckend ist, dass die Politik den Medienunternehmen nicht Einhalt gebietet, sondern sie sogar noch antreibt zu zensieren. Willy Brandt hat einmal gesagt: „Der Respekt vor dem mündigen Bürger verlangt, dass man ihm Schwierigkeiten nicht vorenthält.“ Im Hinblick auf die schädlichen Nebenwirkungen der neuartigen Impfstoffe scheint mir dieser Respekt völlig verloren gegangen zu sein.

Kann denn jeder Bürger, der betroffen ist, klagen, sprich: so vorgehen wie Sie?

Rein rechtlich schon, aber solch eine Klage kostet viel Zeit, Energie und Geld, das kann sich nicht jeder Bürger leisten. LinkedIn hatte mir und anderen Betroffenen einen Vergleich angeboten, der sinngemäß lautete: „Sie ziehen die Klage zurück, wir schalten Ihr Profil wieder frei, aber Ihre betroffenen Beiträge bleiben gelöscht.“ Ich habe das abgelehnt. Aber alle, die ich kenne, sind darauf eingegangen, weil zu dem Zeitpunkt, zu dem der Vergleich angeboten wurde, ihr Budget erschöpft war. Als gerecht empfinden sie den Vergleich allerdings nicht.

Auch Geduld ist erforderlich. Mein Profil ist im April 2022 gesperrt worden, meine Klage ist im Juli 2022 eingereicht worden, das Gericht hat den Verhandlungstermin auf Mai 2024 bestimmt, dann wird das Profil schon mehr als zwei Jahre gesperrt sein.

Verraten Sie uns, wie viel Sie die Klage bisher gekostet hat?

Bisher sind Kosten in Höhe von gut 50.000 Euro angefallen. Dabei wird es aber wahrscheinlich nicht bleiben. Denn wenn ich vor dem Landgericht gewinne, wird LinkedIn vermutlich Revision beim Oberlandesgericht einlegen, umgekehrt werde ich das ganz sicher tun, und das Gleiche gilt auch für den Bundesgerichtshof.

Es hätte die Möglichkeit gegeben, zunächst eine einstweilige Verfügung zu beantragen, statt gleich Klage einzureichen. Das hätte zunächst geringere Kosten verursacht. Es wäre auch aussichtsreich gewesen, denn es hat schon entsprechende einstweilige Verfügungen gegen LinkedIn gegeben, und LinkedIn hat es bislang bei denen belassen. Das hat aber immer nur vorläufigen Charakter, nie endgültigen, es schafft also keine echte Rechtssicherheit. Deshalb habe ich mich entschieden, den beschwerlichen Weg über ein Hauptsacheverfahren zu gehen, und zwar erforderlichenfalls bis zur letzten Instanz. Dieser Weg ist meines Wissens noch nie beschritten worden und im Erfolgsfall könnten sich viele andere auf das in meinem Prozess ergangene Urteil berufen.

Das heißt: Um sich in so einem Fall zu wehren, braucht man viel Geld?

Ja, leider. In der Hinsicht nützt es auch nicht viel, wenn man einen solchen Prozess gewinnt, denn selbst in dem Fall wird einem nur ein kleiner Teil der Kosten erstattet. Die Gegenseite juckt das nicht, denn LinkedIn gehört Microsoft und hinter Microsoft steht Bill Gates, und für den sind die Beträge, um die es geht, „peanuts“. Mir hingegen tun sie schon weh, aber ich handele nach der Devise „Augen zu und durch“.

Man kann selbstverständlich versuchen, an finanzielle Unterstützung durch Dritte zu kommen. Es gibt zum Beispiel eine Initiative namens „Meinungsfreiheit im Netz“. Für mich ist das allerdings nichts, ich lege sehr großen Wert darauf, völlig unabhängig agieren zu können.

Übrigens: Wichtiger noch als finanzielle Unterstützung ist die Unterstützung durch Sachverständige. Leider sind viele Sachverständige selbst gegen angemessenes Honorar nicht bereit, als Zeuge aufzutreten, weil Sie berufliche Sanktionen befürchten.

Wie sieht es aus Ihrer Sicht um die Meinungsfreiheit generell aus? Gibt es ein Problem, das über LinkedIn und Co. hinausgeht?

Ja, ein solches Problem sehe ich tatsächlich. Um die Meinungsfreiheit in Deutschland steht es nach meiner Wahrnehmung schlechter als je zuvor in den Zeiten, die ich selbst bewusst erlebt habe. Soweit ich es erkennen kann, hat vor einigen Jahren ein Trend eingesetzt, der nach wie vor anhält. Besonders schmerzt, dass die Beschränkungen der Freiheit der Meinungsäußerung nicht nur von der Staatsgewalt ausgehen, sondern auch und sogar mehr noch vom Staatsvolk selbst, also von den Mitbürgern.

Zum Beispiel haben andere LinkedIn-Nutzer mir in öffentlich einsehbaren Kommentaren zu meinen Corona-Beiträgen Nähe zu Neonazis und Antisemiten vorgeworfen. Für mich ist das unfassbar, ich vertrete keinerlei entsprechende Ansichten, ich war über ein Vierteljahrhundert lang Mitglied der SPD, war vor dem Eintritt und bin seit dem Austritt parteilos, habe nie etwas anderes gewählt als SPD, FDP oder CDU.

Man kann mittlerweile täglich beobachten, wie gegen Andersmeinende auf absurde Weise die Nazi-Keule geschwungen wird. Die Spaltung der Gesellschaft wird immer größer. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas unter der Kanzlerschaft und Präsidentschaft von Sozialdemokraten passieren könnte. Willy Brandt hat einmal gesagt: „Wenn ich sagen soll, was mir neben dem Frieden das Wichtigste sei, dann lautet meine Antwort: Freiheit.“ Wir sollten mehr Willy Brandt wagen!

Titelbild: IB Photography/shutterstock.com