Ostermarsch für Diplomatie statt Weltkrieg

Ostermarsch für Diplomatie statt Weltkrieg

Ostermarsch für Diplomatie statt Weltkrieg

Ein Artikel von Bernhard Trautvetter

Die Friedensbewegung wird von Militaristen diffamiert, da sie fordert, dass die Politik sich aktiv für Diplomatie statt Waffenlieferungen einsetzt. In dieser Atmosphäre finden die diesjährigen Ostermärsche statt. Zunächst waren die Ostermärsche eine Bewegung hauptsächlich gegen Atomwaffen – sie knüpften damit an die „Kampf dem Atomtod“-Bewegung der 1950er-Jahre an. Die Ostermärsche wurden schnell zum Vorbild für Friedensaktionen in ganz Europa. Von Bernhard Trautvetter.

Die Ostermärsche 2024 finden in einer Atmosphäre einer lange schon anhaltenden und massiven Diskreditierung der Friedensbewegung statt. Zur antipazifistischen Stimmungsmache sagte der Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll auf der ersten großen Friedensdemonstration der Friedensbewegung in den 1980er-Jahren, am 10. Oktober 1981, in der Bundeshauptstadt Bonn:

Es ist gestern ein Wort gefallen im Bundestag von Herrn Bundeskanzler Schmidt, über das ich … nicht lange reden will – es ist das Wort ‚zwielichtige Gestalten‘. Dies ist eine ganz gefährliche Formulierung. Denn wir haben ja erlebt, dass äußerst zwielichtigen Gestalten in die höchsten Regierungsämter gekommen sind.

Der Sozialdemokrat Erhard Eppler erklärte in seiner damaligen Rede zu Heinrich Bölls Ärger über die Diffamierung von Friedensbewegten:

Wir haben keine Angst davor, was die Medien über uns reden und schreiben. Wir haben keine Angst vor moralischer Abqualifizierung durch den höchsten Repräsentanten unseres Staates. Wir haben keine Angst davor, als Kommunistenknechte diffamiert zu werden. Das ist Gustav Heinemann nicht anders gegangen.“

Gustav Heinemann war der erste sozialdemokratische Bundespräsident, und er setzte sich für den Frieden und gegen den Vietnamkrieg der USA ein. Auch er wurde wegen seine Parteinahme für kritische Kräfte ausgegrenzt. Die frühen Ostermärsche unterlagen auch der Diffamierung, die fünfte Kolonne Moskaus zu sein.

Erster (west)deutscher Ostermarsch fand 1960 statt

Der erste bundesdeutsche Ostermarsch fand 1960 im Landkreis Celle nahe dem ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen statt. Die Friedensaktivisten demonstrierten gegen Atomraketen. Kurz zuvor hatte die NATO in Bergen-Hohne „Honest-John”-Raketen stationiert. Sie sollten nach Regierungs- und NATO-Plänen Atomsprengköpfe aufnehmen.

Die Ostermärsche griffen eine Aktionsform der pazifistischen britischen „Campaign for Nuclear Disarmament” (‚Kampagne für nukleare Abrüstung‘) auf, die 1958 an Ostern unter anderem auch gegen den damals von der britischen Regierung geplanten Bau einer Wasserstoffbombe demonstrierte.

Gewerkschaftler, Kirchengruppen, bürgerliche Intellektuelle beteiligten sich in einer großen Vielfalt an den Ostermärschen in der 1960er-Jahren. Andreas Buro, der den ersten Ostermarsch in Deutschland mitorganisiert hat, erklärte:

„Es war eigentlich die erste neue soziale Bewegung in der Bundesrepublik, die unabhängig von Parteien aus eigener Kraft und eigener Finanzierung über Spenden eine sehr bunte, neuartige Protestkultur entwickelt hat.

Die Ostermärsche wurden schnell zum Vorbild für Friedensaktionen in ganz Europa.

Die Kuba-Krise, während der die Welt am Rande des Atomkriegs stand, und der in den 1960er-Jahren erfolgte Eintritt der USA in den Vietnamkrieg sowie die Angst vor einem atomaren Weltkrieg führten damals dazu, dass die Ostermärsche zu einer Massenbewegung anwuchsen.

Zunächst waren die Ostermärsche eine Bewegung hauptsächlich gegen Atomwaffen – sie knüpften damit an die ‚Kampf dem Atomtod‘-Bewegung der 1950er-Jahre an, die sich erfolgreich gegen die Pläne der CDU-Regierung wandte, die Bundeswehr atomar aufzurüsten. Im weiteren Verlauf entwickelten die Ostermärsche sich zu einer breiten Bewegung für Abrüstung.

Jedes Jahr unterschrieben mehr und mehr Bundesbürger die Ostermarsch-Aufrufe. Bekannte Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft, wie die Philosophen Walter Jens und Ernst Bloch oder die Schriftsteller James Krüss und Hans Magnus Enzensberger, unterstützten die Bewegung. Die Ostermärsche der frühen 1960er-Jahre gelten auch als eine der Wurzeln der Außerparlamentarischen Opposition (APO) der Jugendbewegung der späten 1960er- und der 1970er-Jahre.

1968 beteiligten sich circa 300.000 Menschen an Kundgebungen der bundesdeutschen Ostermarschbewegung. Die Friedenskräfte wendeten sich gegen den Vietnam-Krieg und die damals drohenden Notstandsgesetze, zu denen auch der Einsatz der Bundeswehr nach innen zählt. Weltanschauliche Differenzen polarisierten bereits das Bündnis, sodass die Ostermärsche in den 1970er-Jahren nicht stattfanden.

Nach dem Beschluss der NATO, atomare Mittelstreckenraketen mit Enthauptungsschlagfähigkeiten in Europa aufzustellen, erfuhr die Friedensbewegung insgesamt und die der Ostermärsche konkret einen Aufschwung. Hunderttausende beteiligten sich an Aktionen in vielen Teilen Europas. Der sozialdemokratische Spitzenpolitiker Erhard Eppler erklärte in dieser Zeit des Aufschwungs der Friedensbewegung:

„Friedensbewegung ist der Zweifel an einer Sicherheitskonzeption, die letztlich nur mit dem eigenen Selbstmord drohen kann”, sagt er auf einer Demonstration. Der Friede sei eine viel zu ernste Sache, „als dass man ihn den Raketenzählern und Lobbyisten überlassen könne”.

Ostermärsche heute

Die bekannte Theologin Käßmann fordert ein Ende der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine:

„Wir wollen nicht, dass die Eskalation weitergetrieben wird und noch mehr Waffen in das Kriegsgebiet geliefert werden. Denn mit diesen Waffenlieferungen werden wir mitverantwortlich für all die Toten.“

Die Friedensbewegung wird von den Militärstrategen auch in der Bundesregierung diffamiert, da sie fordert, dass die Bundesregierung sich aktiv für Diplomatie statt Waffenlieferungen einsetzt. Friedenskräfte aus allen Teilen Deutschlands haben in einer Anzeige zu den Ostermärschen 2024 erklärt:

Wir benötigen eine grundlegende Abkehr von Kriegslogik und Militarisierung. Deutschland muss „friedensfähig“, nicht „kriegstüchtig“ werden!

Deshalb fordern wir bei den Ostermärschen die Bundesregierung dazu auf, sich für Verhandlungen und Diplomatie einzusetzen und dazu beizutragen, dass die Waffen endlich schweigen. In der Ukraine, in Israel und Palästina und überall sonst auf der Welt! Statt weiter aufzurüsten, muss abgerüstet werden! Die unglaublichen Steigerungen der Rüstungsausgaben und die Erfüllung des 2%-Ziels der NATO führen schon jetzt dazu, dass immer mehr Geld für wichtige zivile Bereiche wie etwa Bildung, Rente, Sozialleistungen und Klimaschutz fehlt. Zudem muss sich die Bundesregierung aktiv und konsequent für ein Verbot von Atomwaffen einsetzen! Dafür ist die Beendigung der nuklearen Teilhabe Deutschlands und der Abzug der US-Atombomben aus Büchel nötig. Außerdem muss der Praxis, Waffen in autoritäre und menschenrechtsverletzende Staaten, wie etwa Saudi-Arabien, zu exportieren, eine klare Absage erteilt werden!

Diese Forderungen sind in einer Zeit, in der ein Atomkrieg wahrscheinlicher denn je ist, überlebensnotwendig. In einer Epoche, in der die Staaten der Welt die ökologische Katastrophe abzuwenden haben, gibt es dazu keine vernünftige Alternative.

Unter diesem Link befinden sich Informationen darüber, welche Ostermarsch-Aktivitäten wo geplant sind.

Titelbild: penofoto / Shutterstock