EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wird mit dem Karlspreis geehrt – wegen ihrer Verdienste?

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wird mit dem Karlspreis geehrt – wegen ihrer Verdienste?

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wird mit dem Karlspreis geehrt – wegen ihrer Verdienste?

Ein Artikel von Frank Blenz

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert, wird wohl das Motto der undurchsichtigen wie mächtigen Ursula von der Leyen heißen. Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin verlor zwar gerade im Pfizer-Gate-Fall vor dem Europäischen Gerichtshof. Doch freut sie sich sicher sogleich auf eine besondere Ehrung: Ursula von der Leyen erhält den Internationalen Karlspreis von Aachen. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

In der Begründung der Verleiher des Internationalen Karlspreises wird hervorgehoben, Ursula von der Leyen habe besondere Verdienste für Europa erbracht. Gemeint sind nicht (oder doch?) ihr Gebaren während der Corona-Pandemie und ihr ehrgeiziges wie rücksichtslos-unzivilisiertes Projekt „Rearm Europe“, übersetzt „Europa wiederbewaffnen“ (wobei Europa doch schon seit zig Jahren hochgerüstet ist!?). Ursula von der Leyens Ziel ist es, ein viele Milliarden Euro schweres „Programm“ (Ende offen) zur flächendeckenden Militarisierung der Europäischen Union durchzusetzen. Das geschieht mit den ihr bekannten Mitteln der Intransparenz, der Mauschelei, der Ignoranz demokratischer Spielregeln und/oder mittels ihrer Schauspielkunst in einer Art Demokratie-Show. Die beherrscht sie sehr gut. Man folge nur einmal eine Rede von der Leyens im Europäischen Parlament oder ihre stets stoisch ruhige Nichtreaktion auf Gegenreden der Opposition im hohen Haus zu Brüssel. ‚Ihr könnt sagen, was ihr wollt, ich mache dennoch, was mein Plan ist‘, wird sie sich denken.

Nun bekommt sie auch noch den Karlspreis, alles richtig gemacht. Doch Einspruch: von wegen verdienstvoll agieren für Europa. Verdienstvoll handelt von der Leyen einzig und konsequent für die Rüstungsindustrie, für die Nutznießer aus der politischen Klasse. Von der Leyen verdient dafür keine Preise. Wie sie handelt, dafür dürfte sie nicht an der Spitze der EU, von uns Bürgern stehen. Doch sie ist dort wie einbetoniert hingestellt, inzwischen schon in der zweiten Amtszeit, die lange noch bis 2029 dauern soll.

Sie verriet lächelnd: „Nein!“ – Und ja: kalte Machtpolitik wird belohnt

Denke ich an die EU-Kommissarin Ursula von der Leyen, erinnere ich mich an eine legendäre Episode im deutschen Unterhaltungsfernsehen. Die TV-Sendung „Extra 3“ des NDR nahm ein kurzes wie entlarvendes Zitat der Politikerin aufs Korn. Vor ihrer Zeit in Brüssel war von der Leyen Verteidigungsministerin der Bundesrepublik und wurde bei der ARD mal gefragt: „Ist jemand von ihren Kindern bei der Bundeswehr?“ Ihre Antwort (mit einem Lächeln): „Nein!“ Die vielsagende Aussage der Chefin der Bundeswehr steht für mich für eine feige Haltung, andere in die Schlacht zu schicken und selbst auf dem Sofa sitzen zu bleiben. Von der Leyen bewies ihr elitäres Denken und Tun in nur einer einzigen Sekunde.

Nun fällt der Name Ursula von der Leyen einmal mehr negativ auf: zum einen in Sachen Pfizer-Affäre. Während der Corona-Pandemie verhandelte von der Leyen direkt und „diskret“ mit dem Pfizer-Boss Albert Bourla per SMS über milliardenschwere Beschaffungsaktivitäten von überteuerten Corona-Impfstoffen. Sie tat es sicher nicht, wie sie beteuert, der Gesundheit für viele wegen. Sie tat es, weil damit enorm viel Geld verdient wurde. Die EU-Chefin wollte die heiklen Informationen über ihr Gebaren bis heute nicht öffentlich machen, obwohl die Bürger, für die sie ja die EU anführt, darauf ein Recht haben. Nun hat ein EU-Gericht gegen von der Leyens Sturheit und Arroganz geurteilt – wenngleich diese Justiz dazu viel zu lange brauchte –, dass von der Leyens Handeln ein klarer Rechtsbruch sei. Die EU-Kommission habe „keine plausible Erklärung dafür geliefert, warum sie die angeforderten Dokumente nicht besitzt“. Von der Leyens Wirken während der Pandemie wurde vom Gericht und der Öffentlichkeit endlich zu Recht kritisiert und entlarvt. Doch paradoxerweise wird die EU-Chefin nun gerade wegen dieses Handelns auch noch geehrt …

Stichwort Karlspreis

Von der Leyens Miene wird sich aufhellen, sie kann sich auf die baldige Ehrung, auf den Internationalen Karlspreis 2025 und eine Menge Geld (eine Million Euro) freuen. Die Kurzbegründung auf der Seite www.karlspreis.de:

Die Präsidentin der Europäischen Kommission Dr. Ursula von der Leyen wird 2025 mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen ausgezeichnet. Für ihre Verdienste um die Einheit der Mitgliedstaaten, die Eindämmung der Pandemie, die Geschlossenheit des Verteidigungswillens gegen Russland und die Impulse zum Green Deal einerseits sowie zur Ermutigung gegenüber den anstehenden Aufgaben ehrt das Direktorium der Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises die Präsidentin der Kommission der Europäischen Union.

Warum hören die Aachener Preisverleiher nicht auf Kritiker?

Der Internationale Karlspreis von Aachen wurde 1950 erstmals vergeben. Das hehre Anliegen: Persönlichkeiten oder Institutionen zu würdigen, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient machen. Wenn diese Intention richtig interpretiert würde, hieße das, sich wirklich und fern von Machtinteressen für die Menschen des Kontinents, für die verschiedenen Völker (dazu gehören auch die Völker im Osten des Kontinents, z.B. Russland) und ihre Nachbarn weltweit mit all ihren Interessen und Besonderheiten einzusetzen und diese dennoch zu einen. Das gelänge, wenn sozial, ökonomisch und kulturell Frieden, Ausgleich, ein Miteinander sowie Fairness herrschten und Krisen engagiert angegangen würden. Seit 2019 ist Ursula von der Leyen am Ruder, und an dieses gelang sie, nebenbei erwähnt, nicht etwa durch eine Wahl … Und ja: Sie verdiente den Preis, handelte sie wie gerade besprochen. Doch finden Kritiker bei ihr anderes, und die hellwache Öffentlichkeit schüttelt ebenso mit dem Kopf ob der Persönlichkeit von der Leyen. Ein Kritiker, Martin Sonneborn, EU-Parlamentarier von Die Partei, sagte in einem Interview für Cicero (nebenbei: Das Magazin wurde einst vom neuen deutschen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gegründet.):

Seit Frau von der Leyen die Kommission führt, vertritt diese mehr denn je die Interessen großer US-Konzerne und der Nato – aber nicht die ihrer Bürger. Das Magazin Politico hat sie als „die amerikanische Präsidentin der EU“ betitelt. Jetzt hat sie angedroht, europäische Waffenkäufe nach dem Vorbild der Impfstoffbeschaffung zu organisieren. Ich sehe weitere 35 Milliarden verschwinden.

Ein Preis für die hohe Vertreterin der EU-Kommission, die einen schlechten Ruf hegt und pflegt und so tut, als hätte sie einen guten Ruf

Um die Ecke gedacht: Würde von der Leyen, die EU-Kommission, ja das EU-Parlament Europa nah an den Menschen, ihnen wirklich verbunden, dabei verbindend agieren, hätten all die Genannten keinen schlechten Ruf. Stattdessen haben sie einen „guten Ruf“ eben nur bei denen, die über die wirklichen Aufgaben und Erfordernisse zum Wohl der Bürger hinwegsehen, weil sie anderes im Sinn haben. Die Eliten feiern sich halt gern. Zynischerweise winken sie eben fortdauernd unsoziales, aggressives, spaltendes Verhalten durch und verkaufen das Ganze dem Fußvolk noch als verdienstvoll, als fürsorglich, klug und richtig – nicht zu vergessen als alternativlos.

Warum erhält von der Leyen diesen Preis dafür, dass sie wie ihre anderen bellizistischen Mitstreiter Europa aufrüsten will? Ich wäre sehr dafür, würde ihr Programm „Peace for Europe“ heißen statt „Rearm Europe“. Beinah unfreiwillig tragikomisch klingt „rearm“ in den Ohren von der englischen Sprache nicht so mächtigen Menschen: Meint die Frau etwa das „Wiederverarmen Europas“?

Karlspreis für eine Frau, die Europa zur Festung macht und den Kontinent damit spaltet

Ursula von der Leyen ist eine entscheidende Kraft bei den Plänen für eine EU-weite wie beispiellose Aufrüstung und bekommt dafür also noch den Karlspreis. Summen sind im Gespräch, die einfache Leute sprachlos werden lässt: 800 Milliarden Euro extra (neben den Jahresbudgets europäischer Länder) sollen in die europäische und weitere internationale Rüstungsindustrie fließen – unser aller Geld. Munition, neue Rüstungsfabriken, die Umwandlung von zivilen Produktionsstätten in Waffenschmieden. Genaueres gibt von der Leyen nicht preis. Kritiker sagen, es fehlt dazu ebenfalls die umfangreiche öffentliche, transparente Diskussion. Da kommt dann noch ein Zauberwort ins Spiel: Schuldenbremse. Diese gibt es auch in Brüssel, sie wurde bisher stets konsequent (alternativlos halt) angezogen, wenn es um die echten Interessen der Bürger ging – Stichwort Soziales.

Von der Leyen ist mit ihrem unverdienten Karlspreis nicht allein

Der Internationale Karlspreis von Aachen gilt als der älteste und bekannteste Preis, mit dem Persönlichkeiten oder Institutionen ausgezeichnet werden, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient gemacht haben, heißt es auf karlspreis.de. Die Liste der bisherigen Preisträger liest sich für mich jedoch nicht durchgängig überzeugend. Ich lese Namen wie Bill Clinton, Tony Blair, Jean Claude Juncker, Donald Tusk, Angela Merkel, Wolfgang Schäuble oder Emmanuel Macron. Bei diesen Namen fallen mir lose einige politische Leistungen ein, die ich nicht verbindend und im vollen Interesse Europas empfinden kann und nicht für preisverdächtig halte.

Clinton? Nur einer der vielen mächtigen wie rücksichtlosen US-Präsidenten.

Blair? Der Ex-Premierminister Großbritanniens zündelte heftig mit den US-Amerikanern in Sachen Irakkrieg.

Tusk? Der aktuelle polnische Regierungschef hetzt tagtäglich gegen Russland, lässt sein Land wahnwitzig aufrüsten und schlägt schon mal vor, Landminen und Streumunition wieder zuzulassen.

Schäuble? Der zog kalt und hart alle Register neoliberalen Wirkens bei der schlimmen Staatsschuldenkrise Griechenlands.

Merkel? In diesem Beitrag auf den NachDenkSeiten schreibe ich über Merkels Buch „Freiheit“. 2008 erhielt Merkel den Karlspreis. Über eine Phase in ihrer Macht-Ära fand ich dazu einen Text über Syrien. Diese Zeilen lesen sich ganz anders als ‚EU als verbindende Kraft‘, die Bundesregierung eingeschlossen, also konkret Merkel. Zitat:

Seit dem Frühsommer 2011 hatten die Bundesregierung und die Europäische Union mit einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Syrien zum wirtschaftlichen Mangel des Landes beigetragen und einen Wiederaufbau verhindert. Die USA setzten mit dem „Caesar-Gesetz“ noch eins drauf und drohten Einzelpersonen, Unternehmen und Staaten mit Sanktionen, sollten sie mit Syrien Handel treiben oder dort Investitionen tätigen. Seit fast 10 Jahren halten US-Truppen die syrischen Ölquellen im Nordosten des Landes besetzt und kontrollieren – in Koordination mit den Truppen der Verbündeten Türkei, Jordanien und Israel – nahezu alle Grenzen des Landes.
(Quelle: Globalbridge)

Und Macron? Der französische Präsident wurde 2018 mit dem Karlspreis geehrt, in der Begründung steht u.a.:

„… Seine Leidenschaft und sein europäisches Engagement, sein Eintreten für Zusammenhalt und Gemeinsamkeit und sein entschiedener Kampf gegen jede Form von Nationalismus und Isolationismus sind zur Überwindung der europäischen Krise vorbildhaft, wegweisend und im positiven Sinne ansteckend.“
(Quelle: Karlspreis)

Doch steht Macron, siehe sein Heimatland, siehe auch den gegenwärtigen Konflikt mit Russland, eben nicht als ein Politiker da, der sich für Zusammenhalt und für die Überwindung der Krise in Europa und darüber hinaus wirklich engagiert. Warum wohl? Die Krise ist das Geschäftsmodell der Eliten. Macron ist Elite.

Eine Vision? Von der Leyen – EU-Kommissionschefin gibt neues Ziel: Peace for Europa, peace for the World

Was wäre das für eine lobenswerte Sache, würde Frau von der Leyen sagen, dass Europa sich in eine neue Phase der Entspannung, Abrüstung, Verständigung und Zusammenarbeit begeben wird. Europa wird sich aktiv und unnachgiebig einsetzen, Krisenherde zu befrieden. In den Medien wird von den zahlreichen Reisen der Politikerin und ihrer Kollegen zu lesen sein. Wo sie auftauchen, zeigen ihre Präsenz, ihre Worte, ihre Forderungen, ihre Angebote positive Wirkung. Abrüstung, Waffenstillstände, Entwicklungsprogramme haben Vorfahrt. Und im Jahr 2029 wird dort stehen, dass die Rüstungsausgaben um 60 Prozent zurückgegangen sind, dass im Nahen Osten spürbare Fortschritte gemacht wurden, dass die Zusammenarbeit mit Russland sich zunehmend normalisiert. Dafür erhält von der Leyen den Karlspreis 2029.

Titelbild: Shutterstock / Alexandros Michailidis

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