Alaska: Frieden statt Waffenstillstand

Alaska: Frieden statt Waffenstillstand

Alaska: Frieden statt Waffenstillstand

Gert-Ewen Ungar
Ein Artikel von Gert-Ewen Ungar

Bei dem Gipfeltreffen in Anchorage gab es im Gegensatz zur Behauptung des deutschen Mainstreams keine Verlierer, aber einen klaren Sieger: die Vernunft. Trump hat das Ziel aufgegeben, einen Waffenstillstand erreichen zu wollen. Stattdessen strebt er jetzt gemeinsam mit Russland an, den Konflikt durch den Aufbau einer neuen Sicherheitsarchitektur für Europa zu lösen. Als größte Widersacher dieser Lösung entpuppen sich die Westeuropäer. Sie halten an ihren Zielen und damit an den Kriegsursachen fest. Ein Kommentar von Gert-Ewen Ungar.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Treffen von US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin hat vor allem eins klar ans Licht gebracht: Die westeuropäischen Staatschefs und die EU-Kommission wollen keinen Frieden. Eine gehässige deutsche Presse redet die Bedeutung des Treffens klein und versäumt, darüber aufzuklären, welche weitreichenden Veränderungen mit ihm eingeleitet wurden.

Bereits zwei Tage vor dem Gipfeltreffen, das am 15. August auf der Militärbasis Elmendorf-Richardson unweit der Stadt Anchorage im US-Bundesstaat Alaska stattfand, sagten Außenminister Johann Wadephul und Verteidigungsminister Boris Pistorius der Ukraine weitere militärische Unterstützung zu. Die Bundesrepublik beteiligt sich an einem neuen NATO-Mechanismus, mit dem die Länder Westeuropas und Kanada der Ukraine Waffen zur Verfügung stellen werden.

Für 500 Millionen Dollar will man ein erstes Paket an Waffen in den USA kaufen und es an die Ukraine weiterleiten. Der Vorgang erinnert an die Abläufe des 28. Februar 2022, als sich vier Tage nach dem russischen Einmarsch russische und ukrainische Unterhändler in Weißrussland zu Verhandlungen getroffen haben, während die EU der Ukraine zeitgleich Waffenlieferungen in großem Umfang zugesagt. Die EU hat klar erkennbar versucht, eine diplomatische Lösung zu sabotieren.

In dieses Bild passt auch, dass die EU-Kommission und einige Staatschefs unmittelbar nach dem Gipfel in Alaska der Ukraine weitere Unterstützung zusagen, sie vor allem aber am Kriegsgrund festhalten wollen. In der gemeinsamen Erklärung vom 16. August heißt es, es dürfe weder Einschränkungen für die Kooperation der ukrainischen Streitkräfte mit anderen Ländern geben, noch dürfe sich Russland der Aufnahme der Ukraine in die EU und die NATO in den Weg stellen. Am Sanktionsregime will man festhalten. Bei einem Treffen in Brüssel wurde zudem erneut gesagt, Verhandlungen mit Russland soll es erst nach einem Waffenstillstand geben.

Die Absicht, die Ukraine in die NATO aufnehmen zu wollen, ist einer der entscheidenden Auslöser des Konflikts. Solange daran festgehalten wird, ist es daher kaum vorstellbar, dass er sich lösen lässt.

Das leitet zum nächsten wichtigen Punkt über. Trump traf Putin in der Erwartung, einen Waffenstillstand aushandeln zu können. Die westeuropäischen Staatschefs fordern seit geraumer Zeit von Russland einen bedingungslosen Waffenstillstand. Dieses Ziel wurde in Anchorage nicht erreicht. Die deutschen Medien halten dies für einen Sieg Putins. Dabei liegen die Gründe, warum es keinen Waffenstillstand geben kann, auf der Hand.

Für den Fall eines Waffenstillstands haben die willigen Koalitionäre Starmer, Macron und Merz die Entsendung von sogenannten Friedenstruppen in die Ukraine angekündigt. Sie werden darin von der EU-Kommission und einigen anderen EU-Staaten unterstützt. Das aber käme einer De-facto-Stationierung von NATO-Truppen in der Ukraine gleich. Um es klar zu sagen: Die Ankündigung einiger NATO-Länder, mit dem Abschluss eines Waffenstillstandes in der Ukraine ihr Militär zu stationieren, verhindert einen Waffenstillstand. Das ist sicherlich auch jenen Politikern klar, die sich jetzt darüber empören, dass Trump dieses Ziel nicht umsetzen konnte. Das ist scheinheilig.

Moskau hat wiederholt gesagt, dass es in der Forderung nach einem Waffenstillstand nicht den Willen zur Beendigung des Konflikts erkennt, sondern den Willen, Zeit zu gewinnen, um die Ukraine wieder aufzurüsten und den Konflikt zu verlängern. Nach allem, was war, wird es kein Minsk 3 geben, machte Russlands Außenminister Lawrow deutlich. Diese schlüssige Argumentation drang bisher nicht bis in die deutschen Medien durch.

Allerdings ist es Putin wohl gelungen, Trump diesen Zusammenhang aufzuzeigen. Das wäre dann allerdings kein Sieg für Putin, von dem in Deutschland gesprochen wird, sondern ein Sieg der Vernunft. Trump ist jedenfalls von seiner Forderung nach einem Waffenstillstand abgerückt. Abgerückt ist er auch von seiner Drohung mit zusätzlichen Zöllen gegenüber Ländern wie Indien und China, die nach wie vor Öl und Gas in Russland kaufen.

Allerdings wirkte Trump nach dem Treffen nicht wie jemand, der gerade über den Tisch gezogen wurde, sondern eher wie jemand, der die Größe der bevorstehenden Aufgabe verstanden hat. Russland will den Konflikt durch nichts weniger als die Schaffung einer neuen Sicherheitsarchitektur für Europa beenden, in deren Zentrum das Prinzip der kollektiven Sicherheit steht.

In aller Kürze bedeutet das: Es müssen sich alle voreinander sicher fühlen – auch Russland vor seinen Nachbarn im Westen, mit denen es seit Jahrhunderten schlechte Erfahrungen macht. Zu diesem Schwenk des Blicks und der notwendigen Einfühlung ist man in Westeuropa und in Deutschland derzeit leider noch unfähig. Allerdings ist es eben nicht so, dass der Ukraine-Konflikt durch russische Aggression ausgelöst wurde, sondern durch den erkennbaren Willen der westlichen Allianz zur militärischen Einkreisung Russlands.

An dieser Strategie will man aber weiter festhalten, machen nicht nur die Bekenntnisse zur weiteren Unterstützung der Ukraine, sondern auch die aktuellen Entwicklungen in Moldau deutlich. Zwar ist ein NATO-Beitritt bisher nicht im Gespräch, allerdings zeigt die NATO dort Präsenz. Ziel ist es, die Zusammenarbeit der moldauischen Streitkräfte mit der NATO zu verbessern. Das Engagement richtet sich klar gegen Russland. Westeuropa bleibt weiterhin Russlands aggressivster Nachbar.

Was daher wohl auch Trump klar geworden sein dürfte, Frieden in der Ukraine wird es mit den Westeuropäern nicht geben. Sie müssen daher draußen gehalten werden. Und danach sieht es aus.

Offenbar streben die USA nach einer Vertiefung der Beziehung mit Russland und einer Ausweitung des Handels vor allem im Energiebereich. Trump sagte im Anschluss an das Treffen in einem Interview mit dem Sender Fox News, er gehe davon aus, dass sich der Energiebedarf der USA in der nächsten Zeit verdoppeln werde. Als Grund nennt er den wachsenden Stromverbrauch der Rechenzentren, die künstliche Intelligenz zur Verfügung stellen. Dieses Problem ist in Deutschland bisher noch nicht einmal richtig thematisiert worden. Trump sucht schon aus wirtschaftlichen Gründen den Schulterschluss mit Russland.

In der EU will man dagegen weiterhin auf russische Energieträger verzichten. Der sich darin äußernde Hass auf Russland in Verbindung mit der wirtschaftlichen Irrationalität gefährdet den Wohlstand in Westeuropa. All das führt aber nicht nur zum wirtschaftlichen Zerfall Westeuropas, sondern zudem zu seiner Isolation.

Während man sich in den deutschen Gazetten darüber mokiert, dass Trump mit dem ausgerollten roten Teppich eine angeblich bestehende Isolation Russlands durchbrochen habe, gerät man durch das Festhalten an den eigenen Kriegszielen und den Russlandsanktionen selbst ins Abseits. Dabei war der Wille, der Atommacht Russland durch die Aufrüstung der Ukraine eine strategische Niederlage beibringen zu wollen, schon immer ebenso absurd wie in seinem Wahnsinn gefährlich. In Anchorage wurden von den USA und Russland weitere ernstzunehmende Schritte unternommen, den Konflikt in der Ukraine zu beenden. Die Gefahr, dass er sich zu einem Atomkrieg ausweiten könnte, wurde deutlich gemindert.

Eine Delegation der Koalition der Willigen begleitet heute den ukrainischen Präsidenten Selenskyj nach Washington, um die Bemühungen zu hintertreiben, eine Lösung des Ukraine-Konflikts zu finden. Vermutlich ist Frieden nur um den Preis des Zerfalls des westlichen Bündnisses möglich. Der wäre dann allerdings durch die Weigerung, in Zusammenhängen zu denken, selbst verschuldet.

Titelbild: President of Russia/kremlin.ru, CC BY 4.0