Die EU-Kommission hatte Ende Mai, mutmaßlich auf Initiative der Bundesregierung, drei Journalisten, alle deutsche Staatsbürger, massiv mit Sanktionen belegt, unter anderem mit der Sperrung aller Privat- und Geschäftskonten. Gleichzeitig wurde betont, dass den Betroffenen ja der Rechtsweg offenstände. Jetzt wurde allerdings zwei der betroffenen Journalisten, Thomas Röper und Alina Lipp, auch das Treuhandkonto, auf welchem Geld für genau diesen Rechtsweg gesammelt wurde, gesperrt. Die NachDenkSeiten wollten auf der BPK wissen, wie die Bundesregierung vor diesem Hintergrund sicherstellen will, dass einem deutschen Staatsbürger das Grundrecht auf Rechtsbeistand nicht verwehrt wird. Zudem kam die Frage auf, wieso die Bundesregierung der EU-Kommission bei einem der Journalisten eine falsche Information zu dessen Staatsbürgerschaft zukommen ließ. Von Florian Warweg.
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Hintergrund:
Am 26. August informierte der von der EU sanktionierte Blogger und „Kriegskorrespondent“ (so die Betitelung in der EU-Sanktionsliste) Thomas Röper seine Leser darüber, dass die Bank das Spendenkonto, aus dem die rechtliche Auseinandersetzung mit der EU finanziert werden sollte, gesperrt und die dort eingegangenen Gelder eingefroren hat.
Weiter führte er dazu aus:
„Die Anwälte argumentieren, dass die Möglichkeit, sich juristisch vertreten zu lassen, ein Grundrecht laut Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes ist, das einem deutschen Staatsbürger nicht entzogen werden kann. Da ich unter Sanktionen der EU stehe und daher weder Anwälte noch Prozesskosten bezahlen kann, wurde das Spendenkonto eingerichtet, damit ich mein im Grundgesetz verbrieftes Recht auf Rechtsschutz wahrnehmen kann.
So funktionieren Rechtsstaat und Demokratie in Deutschland und der EU. Man will die Menschen daran hindern, sich gegen die Verletzung ihrer angeblich garantierten Grundrechte juristisch zur Wehr zu setzen und dazu werden weitere Grundrechte außer Kraft gesetzt.“
Das Treuhandkonto ist bis zum heutigen Tage gesperrt. Vor diesem Hintergrund mutet die „Antwort“ des federführend auf deutscher Seite für die Sanktionen verantwortlichen Auswärtigen Amtes mehr als zynisch an:
„Dagegen gibt es einen Rechtsweg, den kann man auch beschreiten. Für die Aufwendungen, die dafür notwendig sind, können auch Ausnahmen von diesen Kontensperrungen ermöglicht werden.“
Allen drei Sanktionierten wird von der EU-Kommission mit jeweils sehr fragwürdiger Begründung „koordinierte Informationsmanipulation“ vorgeworfen, die in direkter und indirekter Form die „Handlungen der Regierung der Russischen Föderation“ unterstützen würde.
Wieso erfindet die Bundesregierung eine falsche Staatsbürgerschaft?
Noch gravierender als bei Röper und Lipp zeigt sich der Fall des deutsch-türkischen Journalisten und Chefredakteurs von Red Media, Hüseyin Doğru. Im Gegensatz zu den beiden Erstgenannten lebt er mit einer hochschwangeren Frau vollsanktioniert in Berlin. D.h., die Sanktionen, die neben der Sperrung aller Konten auch ein umfassendes Ein- und Ausreiseverbot in den und aus dem gesamten EU-Raum umfassen, schlagen bei ihm voll zu. Und hatten auch Auswirkungen auf die ärztliche Versorgung seiner Frau, die mit Zwillingen am Ende einer Hochrisikoschwangerschaft steht (Entbindungstermin ist diese Woche). Zudem wird bei ihm noch orwellianischer argumentiert: Mit seiner Berichterstattung über propalästinensische Proteste in Deutschland hätte er „gewaltsame Demonstrationen indirekt unterstützt“ und damit „Handlungen der Regierung der Russischen Föderation, die die Stabilität und Sicherheit in der Union und in einem oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten untergraben und bedrohen“, Vorschub geleistet.
Die von der Bundesregierung an die EU-Kommission weitergeleiteten Informationen zur Rechtfertigung seiner Sanktionierung umfassten neben Artikeln von taz und Tagesspiegel, die wiederum auf zuvor aus Behördenkreisen durchgestochenen „Hinweisen“ beruhten, auch die nachweislich falsche Darstellung, dass es sich bei dem Chefredakteur von Red Media um einen türkischen Staatsbürger mit Wohnsitz in Istanbul handeln würde.
Doch dies ist nachweislich falsch. Doğru lebt in Berlin und hat ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Dieser Sachverhalt wird auch der Bundesregierung von Anfang an bekannt gewesen sein. Deswegen stellt sich bis heute die Frage: Aus welchen Motiven gab die Bundesregierung, mutmaßlich wissentlich, falsche Informationen mit Hinblick auf die Staatsbürgerschaft von Doğru an die EU-Kommission weiter? Zumindest ein Teil der Antwort könnte darin liegen, dass die Sanktionierung eines vorgeblichen Nicht-EU-Bürgers innerhalb der EU-Kommission eingedenk des massiven Grundrechtseingriffs, der damit verbunden ist, einfacher zu vermitteln gewesen ist.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 27. August 2025
Zusatzfrage Warweg
Die Frage richtet sich im Zweifel unter anderem an das Auswärtige Amt. Thomas Röper, der von der EU im Mai 2025 sanktioniert wurde – im EU-Sanktionspaket ist von „Kriegskorrespondent“ die Rede -, wurde jetzt sein Spendenkonto von der Bank gekündigt, mit dem er sich sozusagen gegen diese Eingriffe durch die EU-Sanktionierung wehren wollte. Da würde mich interessieren, wie vor dem Hintergrund, dass sowohl die Privatkonten als jetzt auch das Spendenkonto zur Finanzierung des Rechtsweges qua EU-Sanktionierung eingefroren wurden, die Bundesregierung sicherstellen will, dass einem deutschen Staatsbürger das Grundrecht auf Rechtsbeistand nicht verwehrt wird, wenn sowohl die privaten als auch die Spendenkonten eingefroren sind. Auf welcher Grundlage soll er diesen Rechtsweg dann finanzieren können?
BPK-Vorsitzende Wefers
Es scheint sich ja mehr um eine juristische Frage als um eine Sanktionsfrage zu handeln, aber vielleicht kann jemand darauf antworten. Sagen Sie nur, wer antwortet.
Zuruf Warweg
Federführend ist das AA bei dieser Sanktionsnummer.
Vorsitzende Wefers
Wer da antworten möchte, kann die Regierung auch selbst entscheiden.
Giese (AA)
Ich würde sagen, federführend zuständig für das, was Sie als „Sanktionsnummer“ bezeichnen, ist die Europäische Union. Das sind ja EU-Sanktionen. Die haben bestimmte Gründe. Die kann man in der Begründung der Sanktionierung der Personen nachlesen. Dagegen gibt es einen Rechtsweg, den kann man auch beschreiten. Für die Aufwendungen, die dafür notwendig sind, können auch Ausnahmen von diesen Kontensperrungen ermöglicht werden.
Zusatzfrage Warweg
Aber diese Ausnahmen werden ja offensichtlich nicht gemacht.
Dann habe ich noch eine generelle Verständnisfrage. Wir hatten ja auch schon öfter den Fall des deutschen Staatsbürgers und Chefredakteurs von „Red Media“ besprochen, der ebenfalls von der EU – mutmaßlich auf Initiative der Bundesregierung – sanktioniert wurde, und zwar mit Verweis auf seine Berichterstattung über propalästinensische Proteste an deutschen bzw. Berliner Universitäten. Die Bundesregierung hat ihn mutmaßlich wider besseres Wissen als türkischen Staatsbürger dargestellt. Jetzt ist er aber nachweislich und ausschließlich deutscher Staatsbürger. Da es ja massive Auswirkungen hat, auch in der Umsetzung von EU-Sanktionen, ob es sich um einen EU-Staatsbürger handelt, der dann auch noch in einem EU-Land lebt, oder um einen türkischen Staatsbürger, würde mich interessieren, wie es dazu kam, dass die Bundesregierung diese falsche Angabe über die Staatsbürgerschaft von Hüseyin Doğru so an die EU weitergeleitet hat.
Giese (AA)
Da bin ich jetzt schon der Nächste in der Reihe, der fast alle Prämissen Ihrer Frage zurückweisen muss. Mutmaßlich falsche Angaben macht die Bundesregierung sowieso niemals. Im Übrigen gilt das, was ich zu dem vorherigen Fall gesagt habe. Da gibt es natürlich Rechtsmittel. Es gibt sowohl Rechtsmittel gegen die Sanktionierung selbst als auch gegen verschiedene Auswirkungen davon. Auch da gibt es humanitäre Ausnahmen, um dieses Rechtsmittel zu bestreiten. Soweit ich weiß, gibt es da auch eine rechtliche Vertretung für den Herrn. Insofern sollte das alles klargehen. Im Übrigen haben wir darüber hier schon sehr, sehr ausführlich gesprochen.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 27.08.2025