Männer Gottes auf dem Weg der Propaganda – Bischöfe unterstützen „Verteidigungsbereitschaft“

Männer Gottes auf dem Weg der Propaganda – Bischöfe unterstützen „Verteidigungsbereitschaft“

Männer Gottes auf dem Weg der Propaganda – Bischöfe unterstützen „Verteidigungsbereitschaft“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Wie tief will die Kirche noch sinken? Gerade haben sich die Bischöfe in die Debatte zum Wehrdienst eingeschaltet. In einer Erklärung positionieren sich die „Männer Gottes“ und erweisen sich als traurig-muntere Sekundanten der Politik. Aus Sicht der katholischen Friedensethik sei die Verteidigungsfähigkeit „legitim“. In ihrer Erklärung findet sich kein kritisches Wort zum Irrsinn der Aufrüstungspolitik. Stattdessen: Eine verengte Sichtweise, die der Komplexität der Situation zwischen NATO und Russland nicht gerecht wird. Falsche Prämissen führen zu falschen Schlüssen. Dass selbst Bischöfe nicht über den Rand der Tagesschau-Realität hinausschauen, ist erschreckend. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die „Männer Gottes“ haben sich positioniert. Sie wollen sich einschalten in die Debatte um die Wehrpflicht. Hätten sie es besser gelassen. Am Montag dieser Wochen haben die Würdenträger eine entsprechende „Erklärung“ veröffentlicht. Herausgekommen ist dabei ein Dokument, das verdeutlicht: Wer auf falsche Prämissen baut, zieht auch falsche Schlüsse. Satz für Satz in der Erklärung ließe sich an dieser Stelle zerlegen. Verzerrte, propagandistisch kontaminierte Realitätsvorstellungen führen eben auch zu verzerrten, propagandistisch kontaminierten Positionen. Es ist traurig – wirklich traurig! –, dass man offensichtlich Bischöfen die Welt erklären muss. Politik mag nicht das Geschäft der Gottesdiener sein, aber wenn sie ihren Mund schon zur Politik aufmachen, dann darf, ja: muss! die Gesellschaft erwarten können, dass etwas Substanzielles zum Vorschein kommt. Propaganda wiederkäuende Bischöfe braucht eine Gesellschaft, in der Politiker immer weiter auf Konfrontationskurs mit Russland gehen, gewiss nicht. Doch genau das kommt – bei Lichte betrachtet – zum Vorschein.

Da heißt es etwa in der Erklärung:

Angesichts der gegenwärtigen sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen (…)“.

Das ist der erste Satz in der Erklärung – ein Satz, der so auch hätte von der Bundesregierung, dem Verteidigungsministerium oder der NATO-Pressestelle formuliert werden können.

Schon an dieser Stelle möchte man den Bischöfen entgegenrufen: Bitte, hört auf! Lasst es sein! Es reicht schon! Der ganze Komplex an falschen Vorstellungen, nicht sauber reflektierten Annahmen und Wahrnehmungen verdichtet sich in diesen Worten zum Eckstein einer hochgradig propagandistischen Politik. Die Bischöfe zeigen nicht die Realität auf, sondern agieren wie Politiker, die in einem Akt der Propaganda – durch einen Sprechakt – jene Realität erzeugen, die sie dann bekämpfen wollen.

„Angesichts der gegenwärtigen sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen (…)“ – ja, was ist denn im Angesicht der politisch mutwillig und vorsätzlich hervorgerufenen „gegenwärtigen sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen“? Was haben die Bischöfe dazu zu sagen? Sie reden in der Erklärung so über die „gegenwärtigen sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen“, als seien diese vom Himmel gefallen oder genauer: als seien sie aus einem Akt Putin‘scher Selbstzeugung hervorgegangen.

Sind Bischöfe wirklich so beschränkt, dass sie die einfachste Volksweisheit nicht begreifen? „Ein Bock stößt nie allein.“ Anders formuliert: Die Situation in der Ukraine ist eben nicht nur durch das Verhalten Russlands zu verstehen. Muss man Bischöfen wirklich erklären, was Tiefenpolitik ist? Muss man Bischöfen wirklich erklären, wie Geopolitik funktioniert? Muss man Bischöfen wirklich erklären, seit wann die CIA in der Ukraine agiert und was sie dort getan hat und tut?

Da heißt es weiter in der Erklärung:

Bereits mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat sich seit 2014 die sicherheitspolitische Lage für Deutschland, die EU und die NATO grundlegend gewandelt.

Bei diesen Zeilen könnte einem leicht der Geduldsfaden reißen. Um es sich vor Augen zu führen: Wir reden über Bischöfe und nicht über Äußerungen von Stammtischbrüdern. Bischöfe sind ziemlich kluge Menschen. Sie haben ein großes Wissen, einen ausgeprägten Verstand. Und das Denken in komplexeren Zusammenhängen ist ihnen vertraut. Schließlich: Die Bibel samt ihrer vielfältigen, weitverzweigten Geschichte bringt eine gewisse Komplexität mit sich. Doch der Respekt vor dem Wissen der klugen Kirchenköpfe hilft an der Stelle ja auch nicht weiter.

Wie kommen die Bischöfe dazu, einen solchen Satz zu veröffentlichen, der die Intelligenz jedes auch nur halbwegs versierten politischen Beobachters beleidigt?

In der Sinnenklave der bischöflichen Politikwahrnehmung scheinen sich Ursache und Wirkung im Rausch der Medienpropaganda zu verlieren. Da ist der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands und da ist eine sicherheitspolitische Lage, die sich – wir achten auf die Formulierung – gewandelt hat.

Wir alle wissen: Schon Kinder machen sich bisweilen Gedanken darüber, was denn nun zuerst da war: Das Huhn oder das Ei? Das ist eine unterhaltsame Frage. Sie basiert auf menschlichem Erkenntnisinteresse. Gut, dass es das gibt. Wo aber ist das Erkenntnisinteresse der Bischöfe geblieben? Die Ursache allen Übels, mit dem „wir“ es nun zu tun haben, scheint durch den Angriff Russlands auf die Ukraine entstanden zu sein. Der Westen als „Player“, als handelnder Akteur: Er kommt in den Worten – wie auch in der gesamten Erklärung – nicht vor. Das Agieren westlicher Staaten in einem Stellvertreterkrieg, die Verbrennung von Menschen im Gewerkschaftshaus in Odessa, die Todesschüsse auf dem Maidan, der Coup d’État, die 14.000 Toten im Kampf zwischen dem ukrainischen Militär und den Rebellen, die Erkenntnisse des ehemaligen US-Sicherheitsberaters Brzezinski zur Ukraine usw. usw. usw.: In der Sinnwelt der bischöflichen Erklärung ist die Realität bemerkenswert eindimensional – so eindimensional, wie sie Politik und Medien unaufhörlich zeichnen.

Da reden die Bischöfe von einem „völkerrechtswidrigem Angriffskrieg Russlands“ (Sprachregelung Medien) und benennen einen handelnden Akteur klar und eindeutig: Russland. Aber die anderen handelnden Akteure im Ukraine-Krieg bleiben ungenannt – während die Würdenträger ins Vage gleiten. Die sicherheitspolitische Lage hat sich in der Wahrnehmung der Bischöfe „gewandelt“.

Erinnert sei an dieser Stelle daran, wie im Zuge der neoliberalen Revolution die Globalisierung zum unangreifbaren Subjekt wurde, das „verantwortlich“ für gewisse Verhältnisse gemacht wurde, während in der Realität konkret benennbare Gruppen und Akteure die Verursacher der Globalisierungspolitik waren.

Hier lassen die Bischöfe – wunderbar entsubjektiviert – eine sicherheitspolitische Lage sich wandeln, ganz so, als ob nicht die katastrophale Haltung, die verheerenden Entscheidungen westlicher Politiker zu diesem Wandel der sicherheitspolitischen Lage geführt hätten.

Und so geht es weiter – Zeile für Zeile, Gedanke für Gedanke.

Da bieten die Bischöfe die „katholische Friedensethik“ auf, um zu dem Schluss zu kommen, dass „die Sicherstellung der militärischen Verteidigungsfähigkeit unter bestimmten Bedingungen (Verhältnismäßigkeit, Ausrichtung auf den Erhalt des Friedens etc.) legitim“ sei.

Meine Güte! Es bedarf doch keiner katholischen Friedensethik, um zu dem Schluss zu kommen, dass unter bestimmten Bedingungen eine militärische Verteidigungsfähigkeit in Ordnung ist. Diese Feststellung geht doch völlig am Kern des Problems vorbei. Das Problem ist, dass Bischöfe sich für eine militärische Verteidigungsfähigkeit in einer Zeit aussprechen, in der Politiker eben keine Friedenspolitik betreiben, sondern die Losung „kriegstüchtig“ ausgeben. Indem die Bischöfe hier das Selbstverständliche mit ihren wohlgesalbten Worten untermauern und sich nicht in der Lage zeigen, sich kriegsvorbereitender Propaganda entgegenzustellen, spielen sie der Politik in die Karten.

Bemerken die Bischöfe das wirklich nicht?

Schließlich geht es ans Eingemachte: die neue Wehrpflicht. Kein Wort zu den brutalen, unmenschlichen Zwangsrekrutierungen auf offener Straße in der Ukraine – dafür ein bischöflicher Eiertanz.

Da setzen sich die Bischöfe dafür ein, dass es einen „umfassenden“ Diskurs gibt, „der gleichermaßen die militärischen, politischen, ökonomischen und nicht zuletzt sozialpsychologischen Dimensionen von Sicherheit und Verteidigung miteinbezieht und zugleich eine langfristige Friedensperspektive entwickelt“. Dann könnten „erforderliche Abwägungen sachgerecht getroffen werden.“

Schließlich heißt es:

Auch eine mögliche Wiedereinsetzung der allgemeinen Wehrpflicht würde wesentlich davon abhängen, dass weite Teile der Bevölkerung von der Notwendigkeit dieser Maßnahmen überzeugt werden können – dies gilt im Übrigen auch für alle Versuche, die Attraktivität eines freiwilligen Wehrdienstes zu erhöhen, wie für Überlegungen zu einem verpflichtenden Gesellschaftsdienst. Ohne eine überzeugende politische Kommunikation wird man nicht jenes Vertrauen in der Bevölkerung schaffen, das für das Mittragen weitgehender Einschnitte in die persönlichen Freiheitsrechte vor allem junger Menschen erforderlich ist.

Wer diesen Zeilen liest, wer diese Gedanken erfasst, kann nur zu einer Auffassung gelangen: Sie werden es mittragen. Die Bischöfe, die Kirche: Sie werden, wenn es hart auf hart kommen sollte, selbst einen Krieg mittragen. Das einzige Problem, das die Kirchenmänner hier erkennen lassen, ist, dass es noch an Überzeugung in der Gesellschaft für die angestrebten Maßnahmen im Rahmen des politischen Großprojekts Kriegstüchtigkeit fehlt.

Damit stellen sie sich in die Reihen der Politik und all jener, die die Gesellschaft kriegstüchtig machen wollen – und dazu braucht es eben auch die Überzeugung in der Bevölkerung.

In der Erklärung der Bischöfe steckt noch viel mehr drin, das näher zu betrachten wäre, doch es soll an dieser Stelle reichen. Besser wird die Stellungnahme ohnehin nicht.

Ist es zu viel verlangt von deutschen Bischöfen, in der gegenwärtigen Situation in einer Erklärung zu sagen: „Die Waffen nieder!“? Auch dieser Satz kommt in der Erklärung nicht vor.

Leider kann hier nicht geklärt werden, ob die Bischöfe der Propaganda auf den Leim gehen oder was genau der Grund für ihre Positionierung ist. Es fällt schwer, für dieses Elaborat „Pech beim Denken“ als Entschuldigung anzuführen.

Die Lage ist tatsächlich ernst – aber anders, als Bischöfe es meinen. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, sich der vorherrschenden desaströsen Politik entgegenzustellen. Stattdessen gerät die Erklärung zum Kitt einer Politik, die in den Abgrund führt.

Titelbild: BalkansCat / Shutterstock

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