Die Bemühungen der europäischen Friedensaktivisten vereinigen

Die Bemühungen der europäischen Friedensaktivisten vereinigen

Die Bemühungen der europäischen Friedensaktivisten vereinigen

Ein Artikel von Gulbaat Rzchiladse

Das NATO-Manöver Defender 2020 wurde wegen Corona teils gestoppt. Doch auch die Friedensbewegung hat daran einen Anteil. Um diese Bewegung weiter zu stärken, sollten sich die Engagierten aus Ost- und Westeuropa besser vernetzen. Das berichtet aus Tiflis/Georgien Gulbaat Rzchiladse.

Viele Europäer haben den Beginn des größten Militärmanövers der Nordatlantischen Allianz (NATO) der letzten drei Jahrzehnte – Defender Europe 2020 – auf dem europäischen Kontinent in der Nähe der russischen Grenze mit Besorgnis aufgenommen. Die Corona-Krise hat einige Korrekturen in den Militärübungen gefordert, die erheblich reduziert werden mussten. Daraus folgt, dass ein Unheil (gefährliche Manöver) durch ein anderes Unheil (Ausbreitung einer Infektion) eingedämmt wurde.

Es wäre jedoch ein Fehler, den Beitrag europäischer und vor allem deutscher Friedensaktivisten zu dem Kampf gegen militärische Manöver, die das Eindringen aufs russische Territorium imitieren sollen, zu unterschätzen. In diesem Sinne fällt es schwer, dem LINKEN-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko nicht zuzustimmen, wenn er den Sachverhalt einschätzt:

„Defender 2020 war als das größte US-Manöver nach dem Ende des Kalten Kriegs geplant und sollte einen Krieg mit Russland ‚üben’. Die deutsche Friedensbewegung hat sich an vielen Orten auf Proteste gegen das Manöver vorbereitet. Auch die Partei DIE LINKE hat es von Beginn an kritisch begleitet.

Der Widerstand war groß und gut mobilisiert. Auch in Aachen hatten wir Veranstaltungen durchgeführt (zuletzt am 6. März) und Proteste geplant. Dann wurde das Manöver aber wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt – und ebenso die Proteste. In Osteuropa finden aber noch reduzierte Übungen im Rahmen von Defender 2020 statt.

Die Friedensbewegung ist weiter sehr wachsam und bereitet sich darauf vor, dass das Manöver im kommenden Jahr oder später durchgeführt werden wird. Es wurde ja auch angekündigt, dass vergleichbare Manöver regelmäßig stattfinden sollen. Dagegen werden wir uns wehren und für eine friedliche Außenpolitik, Kooperation und Dialog eintreten“.

Die russische Führung nimmt umfangreiche Militärmanöver der NATO natürlich als Herausforderung und Bedrohung wahr. Eben deshalb hat der Außenminister Russlands, Sergeij Lawrow, schon am 4. Februar Defender Europe folgendermaßen kommentiert:

„Diejenigen, die solche völlig unberechtigten Militärübungen provozieren, wollen, dass unsererseits Gegenmaßnahmen folgen, damit die Spannungen auch weiterhin angeheizt werden“.

Eine pan-europäische Friedensbewegung

Gegen diese Anspannung der Lage sind deutsche Friedensaktivisten organisiert aufgetreten in Bremerhaven, Lüdenscheid, Cottbus; geplant sind Aktionen in Aachen, Berlin, Dresden, Potsdam. Die LINKE bietet politische Unterstützung, damit die Provokationen gegen Russland, das in militärischer Hinsicht Europa ganz und gar nicht bedroht, unterlassen werden.

Die reduzierten Militärmanöver der NATO gehen aber in Polen und im Baltikum weiter. Interessant ist es auch, dass die NATO auch auf dem Schwarzen Meer aktiv bleibt – Mitte April sind die Schiffe der Allianz, die die Türkei, Italien, Rumänien, Bulgarien und Kanada vertraten, in territoriale Gewässer Georgiens eingelaufen und haben gemeinsame Manöver mit der georgischen Küstenwache – trotz der Corona-Pandemie – durchgeführt.

Im Unterschied zu Deutschland sind Friedensbewegungen in den osteuropäischen Staaten noch nicht genug erstarkt und, was noch wichtiger ist, man hat dort noch nicht vollständig wahrgenommen, wie gefährlich die Ränkespiele der NATO sind. Von daher bietet es sich an, dass einzelne Friedensaktivisten und -organisationen in westlichen und östlichen Staaten Europas Kontakte zueinander aufnehmen und künftig als gemeinsame Front auftreten, im Geiste der Einheit europäischer Völker, wozu auch das russische Volk gehört.

Man muss dabei wissen, dass die NATO in die osteuropäischen Länder viel investiert hat: Sie betreibt Informationsstellen, finanziert diverse Projekte und stellt es so dar, als würde die Sicherheit dieser Staaten ganz und alleine von der Allianz abhängen. Aber es ist Tatsache, dass die ständige Anspannung der militärischen Lage an den Grenzen zu Russland eher Bedrohungen schafft, als Sicherheit zu gewährleisten.

Von daher erscheint es unverzichtbar, dass man mit der Bevölkerung osteuropäischer Länder arbeitet und die Maßnahmen zwischen den Befürwortern der friedlichen Politik koordiniert. Solche Befürworter gibt es tatsächlich in jedem dieser Länder, aber man hört sie nicht immer. Es wäre durchaus sinnvoll, wenn die deutsche Partei DIE LINKE die Initiative einer pan-europäischen Friedensbewegung ergreifen würde.


Zur Person: Dr. Phil. Gulbaat Rzchiladse ist Politikwissenschaftler, der seit Jahren zu Konfliktprävention und -lösung, russisch-georgischen Beziehungen, Religion und internationalen Beziehungen und anderen aktuellen Themen der internationalen Politik forscht. Zudem hat er das unabhängige Think-Tank „Das Institut Eurasiens“ gegründet (2009) und im öffentlichen Leben widersetzt er sich zusammen mit seinen KollegInnen jeder Erscheinung des extremen Nationalismus und des Faschismus.

Titelbild: Michael17 / Shutterstock

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