Corona-Kritik: Gute Künstler, böse Künstler

Corona-Kritik: Gute Künstler, böse Künstler

Corona-Kritik: Gute Künstler, böse Künstler

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Medien und Politiker teilen aktuell auch Künstler auf – wie den Rest der Gesellschaft: Regierungskritiker sind böse, Regierungsanhänger sind gut. Inzwischen werden entsprechende Listen veröffentlicht und „problematische“ Künstler werden vom Bundespräsidenten wieder ausgeladen. Zusätzlich bedrückend ist, dass fragwürdige Corona-Praktiken auch von manchen Künstlern und Veranstaltern mitgetragen werden. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Aufteilung der Gesellschaft wird von Beteiligten aus Politik und Medien beflissen vorangetrieben: in Gläubige und „Leugner”, in Querdenker und „Vernünftige“, in folgsame „Demokraten“ und renitente „Rechtsextreme“. Gesellschaftliche Selektion wird auch von Teilen des Kulturbetriebs begünstigt – zum einen durch Künstler, Veranstalter und Kunden, die durch ihr Mitmachen die abzulehnende und gesellschaftlich gefährliche 2G-Regel erst möglich und „gesellschaftsfähig“ machen und dadurch der vorsätzlichen gesellschaftlichen Spaltung Vorschub leisten. Zum anderen durch zahlreiche Politiker und Redakteure, die Gräben innerhalb der Kulturszene ausheben und vertiefen und zusätzlich mit royalem Gestus „gute“ und „böse“ Künstler markieren. Man kennt diese willkürlich festgelegten Ungleichbehandlungen bereits von der Praxis bei Demo-Verboten.

In dieser giftigen Stimmung ist es um so höher einzuschätzen, wenn sich Kulturschaffende nicht einschüchtern lassen – darum soll an dieser Stelle die besondere Hochachtung gegenüber den Machern von #allesaufdentisch ausgedrückt werden. Danke an Volker Bruch, Miriam Stein, Maxim Mehmet, Jeana Paraschiva und an die vielen anderen Beteiligten! Es gibt sie also, die engagierten Ausnahmen der Kulturszene wie #allesaufdentisch – und viele weitere engagierte Kulturschaffende vieler Genres, die hier nicht namentlich erwähnt werden: Einige Beispiele haben wir etwa in der Liste „Musik und Politik“ verlinkt. Es gibt aber auch die Gegenpole: Prominente Künstler, die sich etwa voll für die Impfkampagne einspannen lassen und dadurch indirekt die damit verbundenen gesellschaftlichen Spaltungs-Vorhaben rechtfertigen – Beispiele dafür folgen später im Text.

Steinmeier bestraft Künstler für politisches Engagement

Es gibt außerdem zahlreiche aktuelle Beispiele dafür, dass die gesellschaftlich mittlerweile allgegenwärtigen Praktiken der willkürlichen Ungleichbehandlung und der Bestrafung von politischem „Fehlverhalten“ auch die Kulturszene erfassen – exemplarisch soll hier auf eine verweigerte Auszeichnung eines verdienten Kulturschaffenden durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wegen Kontakten zu „Querdenkern“ eingegangen werden. Sowie auf eine Liste des Deutschlandfunks von angepassten und widerständigen Künstlern.

Die Episode, in der der Bundespräsident die Verleihung eines Bundesverdienstkreuzes wegen „Querdenker“-Kontakten (also aus politischen Gründen) wieder absagte, ist etwa hier beschrieben, weitere Hintergründe finden sich hier. Die Listen des Deutschlandfunks von „guten“ und „bösen“ Künstlern sind nicht mehr auffindbar, der ursprüngliche Artikel-Link führt nun in die Irre – darum musste im Folgenden auf Sekundär-Quellen zurückgegriffen werden, in denen aus dem Artikel des Deutschlandfunks zitiert wurde.

Laut den Berichten listete der Deutschlandfunk (in seinem „verschwundenen“ Beitrag) zunächst einige Künstler negativ auf, die sich in den letzten Monaten kritisch zur Corona-Politik geäußert haben, etwa Nena, Xavier Naidoo, die Beteiligten von #allesdichtmachen oder Til Schweiger. Positiv wird vom Deutschlandfunk dagegengestellt: „Ausgewählte Ansichten dieser Art stoßen bei manchen Kolleginnen und Kollegen sauer auf. Sie halten teils moderat, teils scharf dagegen“. Als solche aufrechten Verteidiger der Regierungslinie wird etwa Kerstin Ott genannt, weil sie „Kritik an Nena und Xavier Naidoo“ äußerte und in einem Interview mit web.de gesagt habe: „Grundsätzlich kann ich diese Aluhut-Geschichten überhaupt nicht nachvollziehen. Ich finde das sehr schlimm.“

Außerdem werden „positiv“ erwähnt: der Sänger Bosse, weil er es „wahnsinnig verantwortungslos“ findet, „dass sich Stars wie Nena nicht an geltende Regeln halten“. Peter Maffay habe laut Deutschlandfunk gesagt: „Leute, die Corona leugneten, schaden der Gesellschaft.“ Und der Rapper Bushido werde vom Deutschlandfunk erwähnt, weil „er sich die sogenannten Corona-Leugner vorknöpfte“. „Ich konnte euch Aluhüte noch nie verstehen“, schrieb er auf Instagram, so der Deutschlandfunk: „Damit verwies er auf jene, die die Gefahren des Virus abstreiten und Verschwörungstheorien darüber verbreiten.“

Mit der Kritik an der Erstellung solcher Künstler-Listen nach dem Kriterium der ideologischen „Zuverlässigkeit“ macht man sich selbstverständlich nicht mit allen Äußerungen von zum Beispiel Xavier Naidoo gemein. Man könnte zudem nun anmerken, dass dieser Artikel hier ebenfalls in fragwürdiger Weise zwischen „guten“ und „angepassten“ Künstlern unterscheidet: Hier aber werden im Unterschied zu manchen Medienbeiträgen keine Nachteile für die Anhänger einer von mir kritisierten Politik gefordert.*

„Rock-Rebellen“ trommeln für die Impfkampagne

Man hätte diese Liste der „braven“ Künstler noch erheblich verlängern können: Unter dem Stichwort #impfenschuetzt werben aktuell einige Veranstalter und Künstler dafür, sich impfen zu lassen – mit dabei sind mittlerweile Bands wie Die Toten Hosen, Beatsteaks, Tocotronic, Element of Crime, Isolation Berlin und Silbermond, die mit der Beteiligung an der Kampagne auch die durch die Corona-Politik und die aggressive Impfkampagne hervorgerufenen gesellschaftlichen Verwerfungen indirekt rechtfertigen.

Auch die Band Die Ärzte gliedert sich auf ihrer Webseite voll in die dominante offizielle Darstellung ein: In der Band-Mitteilung soll eine Schockwirkung mit „qualvollem Ersticken“ erzielt werden, die „Zukunft der Kultur“ wird vom Impf-Fortschritt abhängig gemacht, ebenso ist das Impfen laut Die Ärzte (ganz Regierungslinie) Voraussetzung für „normale Bedingungen“ und dafür, dass „das Leben weitergeht“:

„Auch deshalb haben wir als Band uns entschieden, uns impfen zu lassen – ein kurzer Stich in den Oberarm, um die Wahrscheinlichkeit von ‚Long Covid‘ oder dem qualvollen Tod durch Ersticken massiv zu verringern. Und als Bonus sind Geimpfte nach derzeitigen Erkenntnissen auch deutlich weniger ansteckend; wir tun also gleichzeitig auch etwas Gutes für die Menschen, denen wir begegnen.

Wir würden Euch gerne bitten, unserem Beispiel zu folgen. Ihr habt damit auch die Zukunft der Kultur in der Hand (bzw. im Arm). Ein kleiner Schritt für jeden von uns, ein großer Schritt für die Gesellschaft – damit es nicht mehr so lange dauert, bis auch wieder Konzerte, Club- und Theaterbesuche unter normalen Bedingungen möglich sind. Damit wir uns endlich wieder entspannt umarmen und miteinander feiern können.
Damit das Leben weitergeht.“

Musiker als Pharma-Lobbyisten: Wer solche „Rock-Rebellen“ hat, braucht keine Mitläufer mehr.

* 07.10.2021 12:35 Uhr. Der Satz wurde nachträglich eingefügt.

Titelbild: teaarts / Shutterstock