AfD-Erfolg: Wer hätte das denn ahnen können…?!

AfD-Erfolg: Wer hätte das denn ahnen können…?!

AfD-Erfolg: Wer hätte das denn ahnen können…?!

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die nun zur Schau getragene Überraschung über den Höhenflug der AfD ist heuchlerisch. Viele aktuelle Analysen sind erbärmlich. Das Parlament ist dominiert von einer ganz großen “Kriegskoalition”. Die, die jetzt „die Demokratie“ in Gefahr sehen, sind schuld an der Entwicklung, sie haben den Bürgern keinen Ausweg mehr gelassen: Sie haben der AfD die Rolle der politischen „Notbremse“ gegen eine grüne Schocktherapie geradezu aufgedrängt. Und was bedeutet das für die Gründung einer „Wagenknecht-Partei“? Ein Kommentar von Tobias Riegel.

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Die AfD hat sich für viele Bürger zur letzten verbliebenen politischen „Notbremse“ entwickelt. Ich finde diese Entwicklung problematisch und potenziell trügerisch, viele dieser Hoffnungen müssen zu Enttäuschungen führen. Aber die Entwicklung hat sich lange angekündigt, sie ist die logische Konsequenz aus dem Verhalten aller anderen Parteien im Parlament. Die NachDenkSeiten haben oft davor gewarnt, dass die Ignoranz gegenüber bestimmten Themenfeldern dazu führen muss, dass die AfD sie erfolgreich besetzt. Die nun zur Schau getragene Überraschung über deren Höhenflug ist heuchlerisch.

Die ganz große (Wirtschafts-)Kriegskoalition

Eine ganz große Koalition im Parlament trägt die destruktive Politik der Russland-Sanktionen und der Waffenlieferungen auch über die Regierung hinaus mit. Damit tragen diese Parlamentarier auch die Folgen dieser Politik mit: Während der Ukrainekrieg von den Wirtschaftssanktionen nicht real beeinflusst wird, wirkt der unter anderem von der Bundesregierung vom Zaun gebrochene Wirtschaftskrieg hierzulande verheerend. Die Maßnahmen der Regierung, um diesen selber angerichteten Schaden einzudämmen, wirken stark im Sinne US-amerikanischer Interessen. Gleichzeitig werden die hiesige Umwelt (LNG etc.) und Industrie (Energiepreise etc.) immens geschädigt – und in der Folge wird auch potenziell der Sozialstaat massiv erschüttert werden.

Die AfD wird inzwischen von vielen Bürgern als einzig verbliebene „echte“ Opposition gegen diese „grün“ dominierte Schocktherapie wahrgenommen, die zerstörerische Wellen durch die Gesellschaft schickt: vor allem bei den Fragen Krieg und Frieden, Russland/Energie, Corona-Aufarbeitung. Dazu kommt der Kulturkampf um Gendern, Cancel Culture, Identitätspolitik. Warum die letzte Option? Weil die anderen Parteien entweder einen gefährlichen Regierungskurs fahren, oder sich – in der Hoffnung auf einen Platz am politischen Katzentisch oder wegen Angst vor schlechter Presse – an diesen Kurs angebiedert haben (zumindest beim Thema Russland-/Energiepolitik, das indirekt stark die Sozialpolitik beeinflussen wird).

Die Selbstzerstörung der Linkspartei durch ihren pseudolinken Flügel war gründlich. Dieser mit Ansage vollzogene Niedergang der LINKEN muss mit Blick auf das (voraussehbare) Erstarken der AfD nicht nur als politische Dummheit, sondern als gesellschaftliche Verantwortungslosigkeit bezeichnet werden.

Das Programm der AfD hat Jens Berger vor der Bundestagswahl in diesem Artikel analysiert. Albrecht Müller hat kürzlich im Artikel „Risiken und Nebenwirkungen der Kampagne gegen die AfD“ das Phänomen beschrieben, dass die anderen Parteien durch eine Dämonisierung der AfD umso heller strahlen sollen:

„Ist die CDU des Friedrich Merz eine demokratische Partei und eine qualifizierte Partei ohne Abhängigkeit vom großen Geld? Wie sieht die FDP aus, wenn man die Frage nach der Abhängigkeit stellt? Und wie steht es mit dem Einfluss der USA auf die Grünen? Und wo ist die programmatische Substanz der SPD geblieben, wo ihre friedenspolitische Orientierung, wo ihr soziales Engagement?“

Die Regierung ist „die Demokratie“

Die, die jetzt die Demokratie in Gefahr sehen, sind schuld an der Entwicklung, sie haben den Bürgern keinen Ausweg mehr gelassen: Sie haben der AfD diese unverdiente Position des „letzten Auswegs“ geradezu aufgedrängt. Wenn Bürger von Medien, Politikern, TV-Comedians und Twitter-Aktivisten umgehend als rechts niedergebrüllt werden, sobald sie die Regierung kritisieren oder Friedensverhandlungen wünschen, dann nehmen sie diese Rolle als „Rechte“ vielleicht irgendwann an. Die Begriffe „rechts“ und „links“ sind ohnehin schweren Angriffen und Versuchen der Umdeutung ausgesetzt. Andere Meinungen sind nach Lesart großer Medien und vieler Politiker Verschwörungstheorien, und Kritik an der Regierung ist ein Angriff auf „die Demokratie“. Wer so verfährt, muss sich nicht wundern, dass sich Bürger abwenden. Die Junge Welt schreibt über eine aktuelle und fragwürdige Studie zu AfD-Erfolgen im Osten:

„Die Fragen werden dabei von einer Position aus formuliert, die die eingerichtete politische und gesellschaftliche Ordnung in der Bundesrepublik grundsätzlich bejaht. Unzufriedenheit mit dieser Ordnung oder mit Teilen davon – etwa mit den Einflussmöglichkeiten auf die Arbeit der Regierung, die laut der aktuellen Studie 77,4 Prozent der Menschen im Osten für nicht gegeben ansehen – wird so schnell zur Unzufriedenheit mit ‚der Demokratie‘.“

Wer es ernst meint mit den Phrasen von der Rettung der Demokratie, die bei einer legalen und gewählten Partei ohnehin zumindest fragwürdig sind, der muss erkennen: Es kann nicht darum gehen, nun mit Marketing-Tricks die Regierung aufzuhübschen. Es geht nicht um „bessere Kommunikation“. Es geht auch nicht (zuerst) um woke Kulturfragen, es geht um Krieg und Frieden, um Energiepreise und um die Soziale Frage: Es geht ums Ganze. Vor allem geht es darum, die Wirtschafts- und Außenpolitik der letzten Monate rückgängig zu machen – und zwar konsequent und vollständig, soweit das noch möglich ist nach den Zerstörungen und den durch die Ampelregierung bereits geschaffenen vollendeten Tatsachen. Solche Hoffnungen an die AfD zu knüpfen, kann aber meiner Meinung nach zu schweren Enttäuschungen führen.

Bizarr ist auch, wenn beim Kampf für „die Demokratie“ fragwürdige und undemokratisch erscheinende Schritte gegangen werden, das ist vergleichbar mit dem Orwell’schen Kampf „für Meinungsfreiheit“, indem Meinungen zensiert werden. So beschreibt die NZZ eine aktuelle behördliche Steilvorlage für eine (in diesem Fall berechtigte) AfD-Empörung:

„Jüngstes Beispiel ist das Thüringer Landesverwaltungsamt mit Sitz im schönen Weimar. Es hat soeben angekündigt, die persönliche Eignung und Verfassungstreue des frisch gekürten Landrats Robert Sesselmann zu überprüfen – und den Wahlsieg des AfD-Politikers im Falle eines negativen Befundes für ungültig zu erklären.“

Milliarden für Militär und Intel – Kürzungen für die Bürger

Die Corona-Kampagne, die militaristische „Zeitenwende“, der sinnlose (bzw. pro-US-amerikanische) Wirtschaftskrieg, die Maßnahmen zur Eindämmung der Folgen der eigenen Politik, der trotzdem drohende wirtschaftliche Niedergang – all das verschlingt Unsummen. Wo wird das Geld wohl wieder „reingeholt“? Ein Beispiel: Geplante drastische Kürzungen in einem der ärmsten Bezirke Deutschlands beschreibt der Tagesspiegel aktuell am Beispiel Berlin-Neukölln: Bei Jugend, Schule, Obdachlosen, Suchthilfe und bei Kindern wird radikal beschnitten – und das als Folge von Politik einer Landesregierung, an der Sozialdemokraten beteiligt sind. Die kommunale Finanzierung ist nicht Sache der Bundesregierung, aber der Vergleich soll die bizarren gesellschaftlichen Prioritäten verdeutlichen, die momentan bedient werden.

Aber wie könnte bei der sozialen Frage denn jemals die AfD eine vielversprechende Lösung sein? Sie wird es meiner Meinung nach nicht sein. Es zeigt aber die Dramatik der Situation, die politischen Verwirrungen und die aufgelösten angeblichen Bedeutungen (etwa, dass die SPD für den Sozialstaat einsteht), wenn viele politisch heimatlose Bürger nun dennoch ihre Wahlentscheidung für die Partei treffen. Die Berliner Zeitung schreibt:

„Mit dem Verweis auf die soziale Frage ist das Wahlergebnis von Sonneberg nicht zu erklären. Die Arbeitslosigkeit im Landkreis liegt mit 5,1 Prozent niedriger als in Thüringen (5,8) und im Bund (5,5). Es handelt sich auch nicht um eine Klassenfrage unten gegen oben. Der AfD wünschten im Wahlkampf die Postbotin wie der Unternehmer Glück.“

Bei einem zentralen Thema der AfD, der Flüchtlingspolitik, ist Entzauberung sehr wahrscheinlich: Was kann die Partei auf dem Feld ausrichten, das stark von geopolitischen Entwicklungen abhängt? Und ist mehr Härte gegenüber Flüchtlingen, als gerade von der EU beschlossen wurde, moralisch zu vertreten und politisch durchsetzbar?

Die AfD und die „Wagenknecht-Partei“

Was bedeuten die Entwicklungen für eine möglicherweise neu gegründete „Wagenknecht-Partei“, die ich begrüßen würde als ein lange überfälliges politisches Sammelbecken? Von manchen Stimmen wird Sahra Wagenknecht nun zur Retterin in der Not erkoren: Der Focus titelte kürzlich: „Nur Sahra Wagenknecht kann die AfD jetzt noch stoppen“. Die FAZ brachte ein Interview mit dem Titel „Eine Wagenknecht-Partei wäre vor allem für die AfD gefährlich“. Und Christian Lindner empfiehlt, „Notfalls könnte man Linke wählen“, und das, obwohl doch der pseudolinke Flügel der LINKEN die Kraft der Partei als Opposition völlig verspielt hat.

Das Thema Russland/Energie wäre ein Schlüssel, auch für eine Wagenknecht-Partei – aber wird diese Partei bei dem Thema auch konsequent genug auftreten oder wird sie schlechte Presse scheuen? Und: Werden sich Wagenknecht-Partei und AfD neutralisieren und werden die Erfolge beider Parteien wegen Koalitionsausschlüssen folgenlos bleiben? Immerhin gäbe es mit einer Wagenknecht-Partei auf verbaler Ebene wieder eine echte Opposition, das wäre schon ein großer Fortschritt, vielleicht könnte diese Partei eine kritische Stimmung gegen die Regierungspolitik entfachen, ohne sich als „Nazis“ beschimpfen lassen zu müssen. Es gibt aber auch bedenkenswerte Zweifel an einer realen politischen Wirkung. So schreibt Dagmar Henn bei RT:

„Das Problem ist nur, dass eine Partei, die so begrenzt und gezähmt ist, wie sie sich die Autoren dieser Artikel vorstellen, das politische Problem nicht löst, das nur gelöst werden kann, wenn die Sprechverbote fallen. Gerade dieses Milieu, das nun plötzlich erwartet, von Wagenknecht den Rettungsring zugeworfen zu bekommen, wird sich bei der kleinsten Abweichung vom Pfad der Tugend wieder in die woke Meute zurückverwandeln, um die es sich eigentlich handelt. (…) Der einzige Grund, warum sie eine Wagenknecht-Partei plötzlich für wünschenswert halten, ist, dass damit ein Teil der jetzigen AfD-Wähler abgezogen wird, in der Hoffnung, den Stimmen damit politische Wirkung zu nehmen. Sahra Wagenknecht sollte nicht nur über eine neue Partei nachdenken, sondern auch darüber, ob sie ihnen diesen Gefallen tun will.“

Das erbärmliche Niveau der politisch-medialen Analysen

Ein aktueller Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte gerade einmal mehr, auf welchem erbärmlichen Niveau sich die politisch-medialen Analysen momentan bewegen, als Scholz die AfD eine „rechtspopulistische Schlechte-Laune-Partei“ nannte, mit deren Entwicklung sinngemäß die Ampelregierung doch nichts zu tun habe.

Beispielhaft für die häufig genutzte Irreführung, nach der kritische Bürger angeblich von Rattenfängern und „Hasssprache“ verführt wurden und eben nicht die reale Politik für den Unmut verantwortlich ist, ist auch ein Tweet von Innenministerin Nancy Faeser. Zudem muss beim Thema „Hasssprache“ immer an die Hetze während der Corona-Kampagne erinnert werden und daran, dass auch beim Thema Russland im Mainstream aktuell eine nochmals gesteigerte sprachliche Verrohung zu beobachten ist.

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Titelbild: Dean Drobot / Shutterstock

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