Ein Wissenschaftsjournalist stellt sich schnörkellos gegen den Wahnsinn der Kriegstreiberei – Danke, Ranga Yogeshwar

Ein Wissenschaftsjournalist stellt sich schnörkellos gegen den Wahnsinn der Kriegstreiberei – Danke, Ranga Yogeshwar

Ein Wissenschaftsjournalist stellt sich schnörkellos gegen den Wahnsinn der Kriegstreiberei – Danke, Ranga Yogeshwar

Ein Artikel von Frank Blenz

In Zeitenwende-Wahnsinnszeiten des sturen Eintrichterns eines Denkens, das auf Eskalation zielt, ist dieser Auftritt ein Lichtblick: Klare Worte findet TV-Moderator und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar im Gespräch mit dem Podcaster Matze Hielscher, der sein Format „Hotel Matze“ nennt. Yogeshwar formuliert deutlich, worauf die Militarisierung unserer Gesellschaft hinausläuft, wird dem nicht Einhalt geboten: „Wir versauen unseren Kindern und Enkeln die Zukunft.“ Es braucht mehr Yogeshwars, viel mehr Mut, schonungslose Offenheit, Entmilitarisierung und Friedensausrüstung. Unsere Kompetenzen müssen ganz anders genutzt werden. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

Ein Plädoyer, das ins große TV gehört

Geht es Ihnen auch so? Schalte ich das TV- oder Rundfunkgerät ein, gibt es in den einschlägigen Formaten stets die gleiche Leier. In deutschen TV-Talkshows, im Rundfunk und dann noch tagein, tagaus in den Printmedien des Mainstreams samt ihrer Internetplattformen herrscht eine fortwährende Atmosphäre der Mobilmachung auf Teufel komm raus. Dagegen finden sich gefühlt nur wenige „Ausreißer“ – mutige Menschen, mündige Bürger, die aus der Reihe tanzen, um zu sagen: Haltet inne! Überlegt! Wir beschreiten einen gefährlichen Weg!

Das heißt aber nicht, dass es diese Menschen nicht gibt. Sie gibt es entgegen der oberflächlichen Wahrnehmung, was von den großen Medien wohl so gewollt ist, durchaus zahlreich (Tendenz steigend). Zu finden sind sie allein schon in der persönlichen Umgebung, aber auch in der Öffentlichkeit – alles Menschen, die sich dem politischen und medialen Mainstream entgegenstemmen. Ihre Zahl, ihre Argumentationen, deren Richtigkeit – allein diesen wird seitens der Programmmacher und Redaktionen der gebührende mediale Platz noch immer vorenthalten. Wo kein unbequemer Mensch, da kein Problem. Umso wichtiger fühlt sich nun aktuell für mich der Auftritt an, der im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hätte laufen müssen: Ranga Yogeshwars Plädoyer für Abrüstung, Frieden und Verständigung.

Der Beitrag findet sich in einem Format, das eine Nummer kleiner ausfällt als die große Bühne ÖRR – umso mehr ist er ein wichtiger, wohltuender, Hoffnung weckender. In der Podcastfolge „Hotel Matze – Ranga Yogeshwar über Globale Empathie und die Abschaffung von Grenzen“ spricht Ranga Yogeshwar tatsächlich über eine Entmilitarisierung Deutschlands. Ein schier unglaublicher Gedanke, nicht wahr?

Das Besondere für mich: Wie der Wissenschaftsjournalist seine Worte wählt, ist entwaffnend, weil wahrhaftig und ehrlich. Ohne Schnörkel, nicht zurechtgelegt und eloquent perfekt ausformuliert – Yogeshwar spricht so, wie mein Nachbar, Freund, Verwandter redet. Und er hat so recht.

Kriege werden deswegen geführt, weil dahinter gigantische ökonomische Interessen stehen

Der Mainstream duckt sich folglich weg oder schimpft. Doch ihm sei entgegnet: Worum geht es denn bei Kriegen eigentlich? Die Frage wird im Mainstream nicht gestellt, dagegen wird stets von Patriotismus und Friedenssicherung (mit noch mehr Waffen?) geschwafelt. Yogeshwar redet kraftvoll und ruhig Klartext: „Jeder Krieg ist kein Gewinnerkrieg.“ Die dahintersteckenden ökonomischen Interessen seien jedoch gigantisch. Jedem dieser Nutznießer sei gesagt, dass die meisten Menschen, vor allem junge Männer, eben kein Kanonenfutter sein wollen wie in den vielen Kriegen der Vergangenheit. Sie fragen heute: Wofür soll ich sterben? Es bleibt zu hoffen, denke ich, dass die vielen jungen Männer (und Frauen) der Meinungsmache, den PR-Kampagnen und dem gesellschaftlichen Druck einschließlich der Ausrufung von Pflicht und Sanktion standhalten. Wir haben andere Sorgen, als in den Krieg zu ziehen. Yogeshwar spricht leise und hat ein bildhaftes Beispiel aus der Vergangenheit als Mahnung und Warnung vor einer zerstörerischen Wiederholung parat: Die Villa Hügel in Essen. Das imposante Gebäude, der Komplex auf einem Hügel, in einem Park, der beeindruckend ist – von da residierte und herrschte ein Herr Krupp, „Gewinner des Ersten Weltkrieges“. An diesem Schreibtisch in der Villa wurde auf den Leichen junger Männer Geld verdient, erwähnt Yogeshwar.

Die Menschen wollen einfach ein gutes Leben

Der Wissenschaftsjournalist schüttelt den Kopf über die Entwicklungen in unserem Land, das so viel Leid erlebt hat. Zwei Weltkriege. Yogeshwar ist fassungslos: „Jetzt fängt man an, uns Angst zu machen: 2029 wird es hier wieder Krieg geben. Hei, hör auf!“ Wenn dieser Wahnsinn Erfolg hat, schlussfolgere ich, sind Yogeshwars Worte wie eine Prophezeiung: „Wir versauen unseren Kindern und Enkeln die Zukunft.“

Ganz anders verhält es sich aber: Keiner will Krieg, auch nicht 2029. „Russische, chinesische, amerikanischer Bürger – keiner sagt, wir wollen Krieg, wir wollen ein gutes Leben, wir wollen nicht, dass die Söhne eingezogen werden.“ Die Deutschen kann man auch hinzuzählen, friedfertig zu sein, ergänze ich für mich beim Hören seiner Worte. Und doch toben Kriege, werden welche vorbereitet, stocken Friedensverhandlungen. Das bedeutet, dass die Eliten nicht auf ihre Völker hören.

Wie wäre es, wenn wir es so machten wie Costa Rica?

Ranga Yogeshwars schönster Moment bei „Hotel Matze“ für mich ist, als er über ein Grundgefühl spricht, dass uns allen innewohnt (selbst denen, die gern aufrüsten): Empathie. Das Mitgefühl wirkt aus uns heraus, wenn wir es nur zulassen. Es ist einfach, so Yogeshwar: „Wir in Deutschland rüsten gar nichts auf, wir rüsten ab, lass uns das Land komplett entmilitarisieren, weil … es gibt keine Begehrlichkeiten.“ Wann kommen ähnliche Worte von Politikern und anderen wichtigen Leuten?

Mit Begehrlichkeiten meint Ranga den ausgemachten und begehrenden, gierigen Feind namens Russland, das größte Land der Welt, das Land mit den meisten Bodenschätzen weltweit. Was sollen die Russen hier in Deutschland wollen? Ranga: „Der Russe, was will er hier? Weißbier?“

Die nächste Frage sollte der politischen Elite ebenso vorgetragen werden: Wie wäre es, wir machen es so wie Costa Rica? Yogeshwar erwähnt trocken, in Costa Rica sei die Armee abgeschafft. Ich lese nach – seit etwa 77 Jahren.

Mit Entmilitarisieren ist gemeint, alle Kompetenzen für eine friedliche Gesellschaft einzusetzen – es ist einfach, wenn der politische Wille dazu da ist

Dem Moderator, Autor, Physiker, Wissenschaftsjournalisten, engagierten kritischen und unbequemen Bürger Yogeshwar ist zu danken. In Zeiten, in denen von „verengten Meinungskorridoren“ die Rede ist, schwarz-weiß die gängige Farbkombination von Argumentationen ist und ein Um-die-Ecke-Denken oder ein Einspruch gegen vorherrschende Ausrichtungen diffamiert wird, sind dessen Worte wie eine kalte Dusche, die einen aufwachen lässt. Es ist doch ganz einfach, man stelle sich das nur mal vor: Die Armee wird zurückgeführt auf ein Minimalmaß an Personal und Ausrüstung. Wir stellen fest, wir haben um uns herum keine Feinde, denen wir unsere Waffen entgegenstellen müssten, wir haben Freunde und Partner. Und auch Russland, das russische Volk, ein Vielvölkervolk, ist nicht unser Feind. Yogeshwars Vorschläge sind wundervoll, sie offenbaren Mut im Denken, Freiheit. Schließlich wird auch den Reaktionären derlei Freiheit des Denkens eingeräumt.

Die, die aufschreien in „vernichtenden“ Kritiken, sollten mal die Perspektive wechseln

Yogeshwar spricht von Entmilitarisieren, das wird in Medien kritisiert, heftige, unsachliche, giftige Aufschreie sind zu hören, schwach sind indes deren Argumente gegen den „Spinner“, „Fantasten“, gegen den Mann, der unter Steinen gelebt haben muss. Sind Groß-Denken, Fantasie und Mut also nur dann anerkannt, wenn es im genehmen Kontext der Aufrüstung geschieht? Ja nicht beim Entmilitarisieren, bei der Militarisierung schon?

Mir fallen Stichworte ein: Rüstungsfirmen, Regierungen, fanatische Schreiberlinge sinnieren über Star Wars, hierzulande wird an einer schlagkräftigen Bundeswehr von mehreren Hunderttausend Leuten – Mann und Frau – gefeilt, über die Wehrpflicht, eine Reservearmee, Aufmarschpläne, eine kriegstüchtige, kritische Infrastruktur, Bunker für zigtausend Leute, Überlebensvorräte, Drohnen, KI, Waffen und Fähigkeiten, die man sich nur in Science-Fiction-Filmen vorstellen kann. Chemische, akustische, biologische, Psycho-Waffen. Schon jetzt ist Deutschland weltweit viertgrößter Standort bei den Rüstungsausgaben – das Land, das zwei Weltkriege zu verantworten hat. Ruft jemand, wir müssen mehr rüsten, wird sich lobend geäußert – ruft ein Bürger wie Yogeshwar zum Gegenteil auf, heulen die Sirenen …

Wie viele Kompetenzen, Ideen, Konzepte, Lösungen finden sich in einem Militärjet? Wie viele in Panzern usw.? Nicht annähernd so engagiert wird im Zivilleben agiert und finanziert, behaupte ich. Nur ein Beispiel: Das Internet, mittlerweile ein unersetzlich scheinendes Werkzeug in unserer Zivilgesellschaft, ist zunächst ganz und gar nicht entwickelt worden, um es den einfachen Menschen zur Verfügung zu stellen. Die Entwicklung nahm ihren Anfang im Bereich der Militarisierung, beim US-Militär wurde ein ARPA-net entwickelt (1969). (Quelle: Demokratiewerkstatt)

Wer also Yogeshwars Worte belächelt und angreift, tut das, weil er den friedlichen Menschen nicht zugesteht, was er den kriegerischen gewährt. Noch mal: Wie wäre es, einfach mal die Perspektive umzudrehen und sich das Denken, Handeln und Fantasieren für das Militärische stattdessen für die Zivilgesellschaft vorzustellen?

Titelbild: Markus Wissmann/shutterstock.com

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