Ein Rückblick auf die perfekte Propaganda im Umfeld des NATO-Gipfels. Daran kann man die Methoden der Manipulation bestens studieren.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:
Albrecht Müller

Was in Warschau geschehen ist und was dort gesagt worden ist, wird von vielen Menschen, die an einer friedlichen Entwicklung in Europa interessiert sind, mit Sorge und Empörung wahrgenommen. Andere sind der Propaganda wehrlos ausgeliefert, oft mehr und schutzloser, als man es für möglich hält. Im Folgenden wird gezeigt, welche Methoden der Manipulation in diesem Zusammenhang angewendet wurden und werden. Vielleicht hilft dieser Blick hinter die Kulissen dabei, Ihren Gesprächspartnern und Partnerinnen ein bisschen die Augen zu öffnen. Albrecht Müller.

Die folgende Analyse gründet auf der Beobachtung von in Warschau gehaltenen Reden und einigen Medienereignissen – beispielhaft die ZDF-heute Sendung vom 8.7.2016 19:00 Uhr, Zeit Online vom 9.7.2016, Spiegel Online „Russland und die Nato: Putin sammelt Feinde“, auf Sendungen des Deutschlandfunks u.a.m.

Verkürzte Erzählung, Weglassen der Vorgeschichte

Das ist eine Methode, die beim Aufbau des neuen West-Ost-Konflikts wie auch beim sogenannten Kampf gegen den Terrorismus, der in Warschau auch eine Rolle gespielt hat, mit am häufigsten angewendet wird.

So wird die in Warschau beschlossene Fortführung der Aufrüstung im Osten wie auch die verbale Aggression gegenüber Russland penetrant mit der Ukraine-Krise begründet, genauer und präziser: mit der sogenannten Annexion der Krim. Im ZDF heute vom 8. Juli war die Rede von einer „Zeitenwende“, die mit „Putins Krim Annexion vor zwei Jahren“ begonnen habe.

Die Vorgeschichte wird weggelassen: die Ausdehnung der NATO bis an die russische Grenze, die Erweiterung der EU und die gleichzeitige Verknüpfung von EU- mit NATO-Interessen, die Aktivität der NATO in der Ukraine – sie war dort schon vor dem Maidan in Schulen tätig –, die Destabilisierung der Ukraine mithilfe von 5 Milliarden Dollar der USA für NGOs in der Ukraine, die beschwörenden Ansprachen und Reden der Vertreter Russlands im Deutschen Bundestag 2001 und auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu verschiedenen Zeitpunkten. Der Westen hat konsequent provoziert und das Werben Russlands um friedliches Zusammenleben überhört und beiseitegeschoben.

Ganz ähnlich verfuhr man auf dem NATO-Gipfel und bei anderen Gelegenheiten mit dem Kampf gegen den Islamischen Staat, mit den Ursachen der Flüchtlingsströme und der Konfrontation zwischen dem Westen und Russland in Syrien. Auch da wird die Geschichte verkürzt erzählt. Die Intervention der USA und Großbritanniens im Irak wird weggelassen, wenn von der Gefahr des Islamischen Staates gesprochen wird. Und natürlich wird auf dem NATO-Gipfel nicht Bezug genommen auf die Untersuchungsergebnisse, die jetzt bestätigt haben, dass Tony Blair zusammen mit George W. Bush am Entstehen des Islamischen Staates maßgeblich beteiligt waren. Siehe zum Beispiel hier: Tony Blair and George Bush created Islamic State – Middle East Monitor.

Die NATO und auch Deutschland beteiligen sich mit 16 AWAC-Aufklärungsflugzeugen zur Überwachung von Vorgängen im Irak und in Syrien am Kampf gegen den islamischen Staat. So wurde in Warschau beschlossen. Davon, dass der Westen selbst diese Schlange an seiner Brust großgezogen hat, war nicht die Rede. Verkürzung der Geschichte.

In Warschau wurde auch beschlossen, dass der Afghanistan-Einsatz verlängert werden soll und dass dieser Einsatz jährlich 5 Milliarden Dollar kosten wird. Auch hier wird durch Weglassen und Verkürzung der Geschichte ein falscher Eindruck vermittelt. X mal schon wurde behauptet, der Krieg in Afghanistan habe dort die Verhältnisse verbessert und man könne ihn erfolgreich beenden. Jetzt wird wegen „prekärer Sicherheitslage“ weitergemacht.

Die Spekulation auf das schlechte Gedächtnis der Menschen in Verbindung mit Weglassen und Verkürzen vermittelt den gewünschten Eindruck.

Die Methode der Verkürzung kann man nur dann anwenden, wenn es genügend Stimmen gibt, die abgesprochen die gleiche Botschaft vermitteln, und wenn die kommunikative Kraft der Absender – im konkreten Fall des amerikanischen Präsidenten, der deutschen Bundeskanzlerin, des NATO Generalsekretärs usw. – so groß ist, dass die Verkürzung der Geschichte den dominanten Eindruck beim Zuschauer und Zuhörer vermittelt.

Übrigens verkürzt offensichtlich auch Polen auf nationaler Ebene die Geschichte: in Polen wird mehr Schutz durch die NATO gegen Russland verlangt und dabei offensichtlich der Eindruck vermittelt, als sei Polen nur von Russland Leid geschehen und nicht auch von Seiten des westlichen Nachbarn, Deutschlands. Der Vertreter des ZDF in Warschau sprach in der heute Sendung vom 8. Juli von „Polens leidvoller Geschichte mit Russland“. – Das ist schon toll, was junge Deutsche sich an Geschichtsklitterung leisten.

Affirmativ auftreten und übertreiben; es wird dann das Gewünschte hängen bleiben

In Zeit online vom 9. Juli ist davon die Rede, mit den Beschlüssen von Warschau wolle die NATO „neuen Bedrohungen wie zum Beispiel Russlands Expansionspolitik“ begegnen. Im ZDF-heute war im Zusammenhang mit der erwähnten angeblichen Zeitenwende die Rede von „Putins Machthunger“. Hängen bleibt, die baltischen und osteuropäischen Staaten seien von Russland bedroht. Da muss dann gar nicht begründet werden, warum sich die baltischen Staaten bedroht fühlen. Das wäre nämlich, wenn man die Vorgeschichte der Ukraine-Krise kennt und in die Beurteilung mit einbezieht, schwer zu erklären.

Personalisierung

„Putins Machthunger“. „Putins Annexion der Krim“. Die wiederkehrende Verknüpfung der angeblichen Bedrohung und der angeblich schlimmen inneren Entwicklung Russlands mit dem Namen Putin ist eine hochwirksame Methode. Ich habe zuletzt in einem Gespräch mit einem sehr vernünftigen und nach guter Zusammenarbeit mit mir befreundeten Menschen erfahren, wie nachhaltig die Personalisierung wirkt. Das geht weit ins Lager gut ausgebildeter und eigentlich aufgeschlossener Zeitgenossen hinein. Putin, das ist der Mann, der Homos und Lesben nicht duldet. Und Journalisten verfolgt. Und halb nackt auf einem Pferd reitet, usw. – Warum sollte ein solcher Typ nicht Krieg führen!

In den vorigen Beispielen wird auch noch eine andere Methode sichtbar:

Haltet den Dieb.

Dieser Methode hat sich Obama professionell bedient, als er in Warschau formulierte, in den letzten 70 Jahren sei die NATO nicht mit einer solchen Bandbreite von Herausforderungen auf einmal konfrontiert worden.

Meisterhaft gemacht. Denn da fragt niemand nach, wer denn die Herausforderungen geschaffen hat. In Libyen, in Syrien, im Irak, in Afghanistan und in der Ukraine sind die Herausforderungen vom Westen geschaffen worden und nicht von Russland.

Dazu gehört auch eine Aussage des Generalsekretärs der NATO, Stoltenberg: Russland verhalte sich nicht mehr wie ein Partner.

Keine Propaganda ohne Wiederholung

Offensichtlich hatten sich die westlichen Partner darauf verständigt, in verschiedenen Variationen zu wiederholen:

  • Abschreckung und ausgestreckte Hand,
  • NATO-Aufrüstung und Gespräche beim NATO-Russland-Rat;
  • wir wollen keinen Kalten Krieg, aber vorsorgen;
  • Abschreckung ohne Russland zu provozieren.

Das ist eine kleine Auswahl der Variationen einer Methode, mit der im konkreten Fall versteckt werden soll, dass die NATO aufrüstet.

So viel zum NATO Gipfel und der dort und im Umfeld des Gipfels gepflegten Methoden der Manipulation. Wenn Ihnen diese kleine Analyse etwas gebracht hat, dann schicken Sie diese doch bitte weiter an Ihre Freunde, Bekannten und Familienmitglieder – verbunden mit der Bitte, dies wieder weiterzugeben. Nur so können wir den Kreis jener erweitern, die hinter die Kulissen schauen.

Nachrichtlich folgt noch eine Übersicht über Beschreibungen der Methoden der Manipulation auf den NachDenkSeiten, die im letzten Jahr erschienen sind: