Die politische Verheimatlosung oder: Die neue babylonische Sprachverwirrung

Die politische Verheimatlosung oder: Die neue babylonische Sprachverwirrung

Die politische Verheimatlosung oder: Die neue babylonische Sprachverwirrung

Lutz Hausstein
Ein Artikel von Lutz Hausstein

Schon seit Jahren nimmt in der Gesellschaft die Verwirrung darüber zu, was als „links“ und als „rechts“ zu betrachten ist. Immer stärker breitet sich bei den Bürgern der Gedanke aus, dass „links“ und „rechts“ heutzutage keine Bedeutung mehr hätten und diese Einteilung eine zielgerichtete gesellschaftspolitische Diskussion eher behindert statt befördert. Manch einer spricht sogar von einer vollständigen Linksverschiebung fast sämtlicher politischen Parteien. Die Realität scheint diesen Kritikern auch recht zu geben. Und auch die Vorstellung, dass das, was früher einmal links war, nun rechts sei, und umgekehrt, ist hier und da gelegentlich zu hören. Zeit, diesen Dingen genauer auf den Grund zu gehen. Von Lutz Hausstein.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wer kennt ihn nicht, den vom österreichischen Schriftsteller Ernst Jandl schon 1966 formulierten Aphorismus:

„manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum“

Dieses Bonmot ist gerade heute wieder in aller Munde und passt scheinbar zu den aktuellen Verhältnissen wie die Faust aufs Auge. Greift es doch die politische Verwirrung vieler Bürger auf, die politisch zwar interessiert sind, jedoch ob der Darstellung in Politik und Medien seit Jahren, ja Jahrzehnten nur einen Kreiselkompass in der Hand zu halten glauben. Und je tiefer sie sich mit diesen Punkten zu beschäftigen versuchen, desto größer wird ihre Orientierungslosigkeit.

In der Mitte ist es kuschlig

Geht man diesem Phänomen tiefer auf den Grund, so stellt man fest, dass die parteipolitischen Verschiebungen schon seit rund zwei Jahrzehnten zu verzeichnen sind. Die wohl erste Partei, die sich in beständiger Öffentlichkeitsarbeit als „Partei der Mitte“ bezeichnete, war die CDU. Obschon sie in ihrer politischen Alltagsarbeit zweifelsfrei als konservativ-rechts wirksam war (und noch ist), demzufolge auch keine grundlegende Neuverortung der CDU zu verzeichnen ist, gelang es den PR-Strategen der Partei, sie der Bevölkerung nach den als „bleiern“ empfundenen 16 Jahren der Kanzlerschaft Helmut Kohls als mittig zu verkaufen, um so ihrem langsam brüchiger gewordenen Status als „Volkspartei“ durch die Erschließung neuer Wählerpotenziale entgegenzuwirken. Die Medien verstärkten diese PR-Offensive sogar noch, indem sie der CDU, insbesondere Angela Merkel, eine „Sozialdemokratisierung“ andichteten, wie Albrecht Müller schon 2009 anmerkte.

Doch nicht nur die CDU zog vermeintlich in die „Mitte“ der Gesellschaft, auch die FDP gerierte sich nun als Partei der Mitte. Obschon sie ihrer Klientel, vor allem der Konzernwirtschaft, treu blieb, gab sich die FDP öffentlich als Vertreterin der kleinen und mittleren Wirtschaft, des Mittelstandes, aus. Dies sollte der FDP gerade in der Zeit, in der sie in Serie aus mehreren Landtagen und schlussendlich 2013 auch aus dem Bundestag flog und deshalb um ihr parlamentarisches Überleben kämpfte, die Existenz sichern. Die damalige Splitterpartei versuchte ihr Heil als weitere Partei der vermeintlichen Mitte. Die politische Marke „rechts“ wurde von diesen Parteien aufgegeben, der Platz in der Mitte wurde schon um einiges enger.

Dass nun aber auch die SPD, die neben der LINKEN, damals noch als PDS, eigentlich klassisch linke Partei, wie auch die Grünen, die ursprünglich in ihrer politischen Ausrichtung zwar leicht ambivalent, aber in Kernfragen eindeutig links zu verorten waren, ebenfalls in die Mitte strebten, war da schon kaum mehr verwunderlich. Hatten beide Parteien doch mit ihrem radikalen Kurswechsel durch das Durchpeitschen der unsozialen Agenda-2010-Gesetze ihr eigentliches Wählerpotenzial schnöde verraten und suchten ihren darauffolgenden Absturz, besonders die SPD, ebenfalls durch die Erschließung neuer Wählerpotenziale abzufedern. Die Grünen fanden in der städtischen urbanen, akademischen Mittelschicht schnell ihr neues Zuhause. Während bei den Grünen diese Neuorientierung quasi geräuschlos vonstattenging, gab es in der SPD noch längere Zeit massive Auseinandersetzungen ob dieser Abkehr vom ursprünglichen Gründungszweck der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands. Dessen ungeachtet dichtete ihr die Süddeutsche Zeitung 2007 gar einen Linksrutsch an. Letzten Endes fanden beide Parteien ihren Weg in die Mitte, und es wurde auf diesem Terrain noch enger. Es hat sich so eine Mitte gebildet, in der sich nun in die Mitte gerutschte, mehr oder weniger linke Parteien sowie konservative und (wirtschafts-)liberale Parteien tummeln. Doch während die beiden früher linken Parteien mit großen Teilen ihrer Politik real in der Mitte angekommen sind, ist der vermeintliche Linksrutsch der anderen Parteien nur das Abbild einer medialen PR-Inszenierung.

Eine solche Entwicklung hatte auch Rainer Mausfeld in seinem Buch „Warum schweigen die Lämmer“ nachgezeichnet. Seit der Zeit der Aufklärung, also seit mehr als 300 Jahren, wird der als zulässig bezeichnete gesellschaftliche Debattenraum kontinuierlich immer weiter eingeschränkt, in der Regel stets durch Reduzierung auf der gesellschaftlich linken Seite. Dies erfolgte schrittweise mit einer Vielzahl von Zwischenstufen.

Gleichzeitig wird jedoch die Debatte innerhalb des dann als zulässig erachteten neuen Debattenraums massiv befeuert, um so der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, dass es eine funktionierende Demokratie gäbe, die selbst abweichende, kritische Meinungen zulässt.

Die Inszenierung eines rechts (fast) freien Raums

Die Besetzung außerhalb der Mitte oblag für die größeren Parteien nun nur noch der LINKEN sowie der AfD. Da beide Parteien jedoch kaum politische Verantwortung tragen, ist diese politische Verortung ausschließlich nur ein Mix aus Selbstdarstellung und medialer Zuschreibung.

Die AfD sieht sich selbst als rechtskonservative Partei, und ihr wird dabei auch weder von den Medien noch den politischen Konkurrenten widersprochen. Einzig in der Betonung unterscheidet sich ihr Selbstbild von der politisch-medialen Zuschreibung. Denn während sie selbst sich den Wählern als eher konservativ präsentiert, wird der Schwerpunkt der Einordnung durch Medien und politische Gegner hauptsächlich auf „rechts“ konzentriert, wobei die Spanne der Bewertung häufig bis hin zu „rechtsradikal“ und „in Teilen rechtsextremistisch“ reicht. Zur Einordnung der AfD verweise ich auf die Analyse von Jens Berger von 2021, die so auch heute noch zutrifft. Gerade in Bezug auf die Selbstdarstellung der AfD muss an dieser Stelle betont werden, dass diese keine Überprüfung anhand der Realität befürchten muss, da die AfD in keinem Parlament in politischer Verantwortung steht. Ihre Forderungen, Statements und Absichtserklärungen, ja sogar ihr Parteiprogramm, sind nichts weiter als Theaterdonner, der (unter den derzeitigen Umständen) keinen Realitätscheck zu bestehen hat. Selbst die vor Kurzem erfolgte Wahl eines AfD-Politikers zum Landrat des südthüringischen Landkreises Sonneberg dürfte daran nichts ändern, da auf einer solch strukturell untergeordneten Ebene ein wirksamer Realitätsabgleich zwischen Parteiprogramm und Realpolitik aufgrund des stark eingeschränkten Gestaltungsspielraums kaum möglich ist. Mithin bleibt festzuhalten, dass die AfD die einzige im Bundestag vertretene Partei ist, die sowohl von Medien, politischen Konkurrenten wie auch sich selbst als „rechts“ einsortiert wird.

Die – nach der öffentlich zwar nie erklärten, aber anhand ihrer praktischen Politik belegbaren Verschiebung von SPD und Grünen in „die Mitte“ – nunmehr einzig verbliebene Partei im linken Spektrum, die LINKE, befindet sich derzeit in einem Transformationsprozess – ähnlich den Grünen in der Endphase der 80er, Anfang der 90er Jahre – von einer zweifelsfrei linken Partei zu einer Partei der Mitte. Dieser Prozess ist zwar noch lange nicht abgeschlossen, und es ist auch nicht endgültig ausgemacht, ob und wo dieser seinen Abschluss finden wird. Denn es gibt innerhalb der Partei nach wie vor starke Kräfte, die sich solch einer Entwicklung vehement entgegenstemmen. Die abgeschlossene Transformation der Grünen legt jedoch die Vermutung nahe, dass auch bei der LINKEN eine solche Entwicklung erfolgreich sein könnte. So muss denn auch die aktuelle Politik anhand des Wahlprogramms von 2021 zwar als eindeutig linkes Programm gekennzeichnet werden, wie Tobias Riegel in diesem Artikel beschrieben hat. Die Tatsache, dass die LINKE in Phasen einer Regierungsbeteiligung in den Bundesländern jedoch wiederholt Teile ihrer Programmatik erheblich verletzt hat, zeigt auf, dass auch sie in Zeiten der Bewährung, nämlich einer Teilhabe an der Macht, Teile ihres Selbstverständnisses aufzugeben bereit ist. Sie ist demzufolge (zumindest) ambivalent, wenn es um die Zuordnung ihrer realen Politik zum linken Parteienspektrum geht.

Die neue Achse des Bösen

Nach der medial erfolgreich inszenierten Verräumung der rechtskonservativen und wirtschaftsliberalen Parteien CDU, CSU und FDP aus dem rechten Raum in die politische Mitte verblieb rechts einzig die AfD. So fiel es den politischen Konkurrenzparteien, aber auch den Medien nicht sonderlich schwer, den politisch rechten Raum mit immer drastischer werdenden Begriffen als „Hort des Bösen“ zu markieren. Lässt man diesen Vorgang noch einmal in aller Ruhe Revue passieren, begreift man so richtig die Absurdität dieses Vorgehens. Politische Parteien, die nicht nur in ihrer Tradition rechts zu verorten sind, sondern auch mit ihrer aktuellen Politik klar rechte Positionen vertreten und diese umsetzen, verteufeln den politisch rechten Raum. Einzig ihre inszenierte Verschiebung in die politische Mitte bildet ein dünnes Mäntelchen für ihren politischen Betrug. „Rechts“ wird so zu einem politischen Leerraum, der beliebig mit unliebsamen Personen oder Gruppen befüllt werden kann. Aus welchem politischen Zusammenhang diese kommen oder ob sie überhaupt politisch klar zu verorten sind, ist dabei unwichtig. Der neue „Hort des Bösen“ ist bereit für die Aufnahme weiterer „Mitglieder“. Dies ist auch umso wirksamer, da die einzige größere, im rechten Spektrum offiziell verbliebene Partei, die AfD, als gemeinsames Feindbild der anderen im Bundestag vertretenen Parteien als passende „Klammer“ dieser Verortung markiert wurde.

Man begann Schritt für Schritt, unliebsame Gruppen einem rechten Framing zu unterziehen und diese mit fortlaufend verschärften Kampfbegriffen zu diffamieren. So wurde die Querdenken-Bewegung, welche sich anfangs zurückhaltend kritisch mit den von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie auseinandersetzte, anfänglich recht schnell als „sich nicht ausreichend gegen rechts abgrenzend“, „teilweise von rechts unterwandert“, „rechtsoffen“ und später zunehmend mit den ideologischen Diffamierungsbegriffen „Verschwörungsideologen“, „Aluhut-Träger“, „Schwurbler“, „Reichsbürger“, „Verfassungsfeinde“, „Antisemiten“ oder (XYZ)-Leugner verschiedener Tatbestände stigmatisiert.

Wurden diese Begrifflichkeiten zuerst noch einzeln verwendet, erfolgte später die Nutzung vermehrt in einem immer größer werdenden Block. Insbesondere die Begriffskette „Schwurbler, Verschwörungserzähler, Reichsbürger, Antisemiten und Corona-Leugner“ wurde so zu einem beinahe monophonen Narrativ, das jedoch stets eine beweiskräftige Begründung vermissen ließ. Die Verknüpfung der Querdenken-Bewegung mit dem rechten politischen Spektrum wurde jedoch durchgängig explizit betont. Dass dies aber keinerlei sachliche Grundlage hat, da Querdenken eine sehr heterogene Bewegung ist, die zudem ausschließlich auf liberale Freiheitsrechte abzielt, hat dieser Stigmatisierung bislang keinen Abbruch getan.

So konnte es auch nicht verwundern, dass die Künstleraktion „#allesdichtmachen“ direkt nach ihrer Veröffentlichung als rechte Verschwörungserzählung gelabelt wurde. Dabei entblödeten sich die Kritiker dieser Künstleraktion nicht einmal, die beteiligten Künstler als „rechtsradikal“ zu stigmatisieren. Auch hier muss konstatiert werden, dass eine unliebsame Gruppe mittels einer Kampagne in das rechte (sogar rechtsradikale) Spektrum verschoben wurde, obgleich sie gesellschaftsliberale Positionen vertreten hatte.

Das, was in der Zeit der Corona-Maßnahmen erlebbar war, wurde nahtlos seit dem 24. Februar 2022, dem russischen Angriff auf die Ukraine, weitergeführt. Gruppen wie auch einzelne Personen, die mit ihrer Bewertung der Ursachen des Krieges eine den Medien und der vorherrschenden Politik unliebsame Position einnahmen, wurden postwendend als „Putinversteher“, „Kreml-Marionetten“, „Fünfte Kolonne Moskaus“ oder „von Putin bezahlt“ geframt – und dies stets mit einem impliziten, häufig aber sogar dem expliziten Hinweis auf ihre rechte/rechtsextreme Verortung. Es wurde dabei nicht einmal vor zweifelsfrei auf einen Frieden ausgerichteten Aktionen Halt gemacht, wie das Beispiel der Berichterstattung über die Friedenskundgebung in Berlin am 25. Februar 2023 mit den Initiatorinnen Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht eindrücklich beweist. Auch ihnen wurde „Rechtsoffenheit“ sowie das Paktieren mit den Rechten vorgeworfen.

Dabei ist doch die Forderung nach Frieden eine urlinke Forderung, die bis heute in jedem Stammbuch jeder linken Bewegung und linken Person steht. In diesem Fall wurden also nicht nur Bürger mit einem gesellschaftsliberalen Standpunkt, sondern zum größten Teil Menschen, die eine Kernforderung aus dem linken Spektrum vertreten, massiv als „rechts“ gelabelt. Die Schärfe der Angriffe hat sich auch seit dem 25. Februar 2023 nicht verringert. Selbst die geringsten Versuche, die Ursachen dieses Krieges nur ein wenig detaillierter zu beleuchten, werden im Ansatz abgewürgt, wie schon zuvor der Umgang mit Ulrike Guérot in der Sendung von Markus Lanz am 2. Juni 2022 zeigte.

Kann man lechts und rinks also doch velwechsern?

Hat Ernst Jandl mit seinem Aphorismus also doch recht?

Jein. Man kann es nur verwechseln, wenn man sich der Inhalte der politischen Richtungen „rechts“ und „links“ nicht bewusst ist. Und sobald man sich der Inhalte bewusst ist, sollte man sich auch von niemandem mehr ein X für ein U vormachen lassen – von keinem Politiker, keinem Journalisten und keinem Partei-PR-Profi.

Doch wie unterscheidet man nun links von rechts, wo sind die klaren, eindeutigen Kriterien dafür? Rainer Mausfeld hat in einem Interview im Jahr 2016 auf den NachDenkSeiten wichtige Kriterien für das Linkssein benannt:

„Den Kern dieser Leitvorstellungen bildet ein universeller Humanismus, also die Anerkennung einer prinzipiellen Gleichwertigkeit aller Menschen. […] Beispielsweise schließt ein universeller Humanismus Positionen aus, die auf der Überzeugung einer prinzipiellen Vorrangstellung der eigenen biologischen, sozialen, kulturellen, religiösen oder nationalen Gruppe beruhen; er schließt also Rassismus, Chauvinismus, Nationalismus oder Exzeptionalismus aus. […] Aus dem universellen Humanismus ergibt sich also das spezifische Leitideal einer radikal-demokratischen Form einer Gesellschaft, in der ein jeder einen angemessenen Anteil an allen Entscheidungen hat, die die eigene ökonomische und gesellschaftliche Situation betreffen; er schließt also Gesellschaftsformen aus, die auf einer Elitenherrschaft oder auf einem Führerprinzip beruhen.“

Den Kernpunkt der Aussage Mausfelds bildet, so lässt sich unschwer erkennen, die von ihm angeführte „prinzipielle Gleichwertigkeit aller Menschen“. Mit anderen Worten könnte man die Definition von „links“ und „rechts“ folgendermaßen beschreiben: Links ist in einer hierarchisch strukturierten Gesellschaft wie der unsrigen die Unterstützung von unterprivilegierten, machtunterlegenen Menschen und das Eintreten für deren Rechte, um die Gesellschaft in Richtung von mehr Gleichheit im Sinne der Gleichwertigkeit aller Menschen voranzutreiben. Linke sind auf einen solidarischen Ausgleich der Mitglieder der Gesellschaft bedacht. Ungleichheit – gleich ob ökonomische, gesellschaftliche, politische oder soziale – und das Eintreten einzelner Personen oder Gruppen für diese ist hingegen ein konstituierendes Merkmal für rechts.

Diese Kriterien im Hinterkopf habend, ergeben sich so auch völlig neue Bewertungen der politischen Parteien, Bewegungen oder einzelner Personen. Schlagartig wird die permanente Propagierung der politischen Verortung von SPD oder Grünen als linke Parteien obsolet. Denn so gut wie alle Maßnahmen, die diese in der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung zu verantworten haben, sind nicht auf einen Ausgleich der zunehmenden Ungleichheit ausgerichtet, sondern verfestigen diese bzw. verschärfen sie gar noch. Die angeblich „sozialdemokratisierte“ CDU oder die vermeintliche Partei der Mitte, die FDP, sind ebenfalls aktiv darum bemüht, die bestehende Ungleichheit zumindest zu schützen, wenn nicht gar weiter auszubauen.

Somit sind auch eine Vielzahl der Aktivitäten, Initiativen und Gesetze der vermeintlich linken Parteien SPD und Grüne wie auch der „Parteien der Mitte“ CDU, CSU und FDP – wie beispielweise die repressiven, die bürgerliche Freiheit beschränkenden Anti-Corona-Maßnahmen die Einschränkung der Meinungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit; eine massive Forcierung menschenmörderischer Kriege statt auf Frieden ausgerichtete Aktivitäten, nicht nur in der Ukraine, sondern schon in zahlreichen Kriegen davor; ein medial forciertes Durchpeitschen gendergerechter Sprache bis hin zu Diversitätsregeln ohne jegliche Einflussnahme auf die weiterhin bestehende reale Ungleichheit oder gar Diskriminierung dieser Personengruppen; staatliche finanzielle Unterstützung bellizistischer sowie sich dem Kampf gegen regierungskritische (früher sagte man dazu: oppositionelle) Kräfte verschriebener Thinktanks zum Zwecke des Ausschlusses der Regierungskritiker aus dem öffentlichen Diskurs u.v.a.m. – das Gegenteil linker Politik, auch wenn dies regelmäßig und gern in (real) rechte(re)n Medien und von rechts zu verortenden Personen behauptet wird. Da dies häufig mit dem autoritären Charakter der DDR in Verbindung gebracht wird, und somit die Politik der aktuellen „linken“ Parteien als nahtlose Fortsetzung der DDR bezeichnet wird, erscheint es notwendig, dem argumentativ zu begegnen. Es ist eben kein konstituierendes (!) Merkmal einer linken Politik, autoritäre Gewalt gegen die Gesellschaft auszuüben. Denn genau diese autoritäre Politik der DDR-Führung – eine Politik, die den eigenen Werten und Versprechungen entgegenstand – war eine der entscheidenden Grundlagen für die Entstehung des breiten Widerstands in der DDR-Bevölkerung. Deshalb kann autoritär verfasste Politik auch niemals Bestandteil einer linken Politik sein – weder damals in der DDR oder im real existierenden Sozialismus anderer Länder noch heutzutage.

Wenn nun immer wieder von einzelnen Personen behauptet wird, dass es nicht um „rechts“ oder „links“ bzw. besser „rechts gegen links“ gehen würde, sondern um „oben“ gegen „unten“, so hat derjenige die Inhalte der jeweiligen Richtungen nicht bedacht. Denn unter der Berücksichtigung der oben dargelegten Grundlagen ist ein „rechts gegen links“ genau das beschriebene „oben gegen unten“.

Ich selbst habe mich lange Jahre als einen Linksliberalen oder dem Linksliberalismus nahestehenden, politisch denkenden Menschen verstanden und auch so bezeichnet. Unter normalen Umständen würde ich dies heute auch noch tun. Denn auch heute basieren meine Wertvorstellungen nach wie vor auf einem linken Liberalismus. Vor dem Hintergrund jedoch, wer sich heutzutage selbst als linksliberal bezeichnet und von den im Lande meinungsbestimmenden Medien als linksliberal deklariert wird, ist mir dies inzwischen nicht mehr möglich. Nicht deshalb, weil ich mich nicht mehr als linksliberal begreife, sondern weil ich mir bewusst bin, dass ich, wenn ich diese Bezeichnung für mich verwenden würde, bei den Zuhörern eine völlig falsche Assoziation wecken würde. Umso wichtiger ist es, wieder das Verständnis bei den Bürgern dafür herzustellen, welche Inhalte mit einer politischen Richtung korrekterweise zu verbinden wären. Die Deutungshoheit über Begriffe ist elementar für eine gemeinsame Kommunikation, um mit genannten Begrifflichkeiten auch gleiche Inhalte verbinden zu können. Gelingt dies nicht, so wird die babylonische Sprachverwirrung noch stärker um sich greifen.

Ist man sich all dessen bewusst, sollte zukünftig die Bewertung politischer Standpunkte weniger schwerfallen und man würde eine stärkere Resistenz gegenüber PR-Aktivitäten einer angeblichen politischen Verortung entwickeln, auch wenn dies politisch so gewünscht ist, um die politische Verheimatlosung in der Bevölkerung aktiv voranzutreiben. Denn eine aufgeklärte Gesellschaft braucht politisch aufgeklärte, mündige Bürger.

Titelbild: FrankHH/shutterstock.com