Krieg und Völkerrecht

Krieg und Völkerrecht

Krieg und Völkerrecht

Alexander Neu
Ein Artikel von Alexander Neu

Am 17. Juli veröffentlichten die NachDenkSeiten einen Beitrag von mir zur Thematik „Streubomben und das Völkerrecht“. Mein Beitrag provozierte zahlreiche Reaktionen. Interessanterweise fokussierten sich die kritischen Leserbriefe nicht so sehr auf die Frage des ius in bello (Recht im Krieg), was ja mein eigentliches Thema war, sondern auf meine einleitenden Worte zum ius ad bellum (Recht zum Krieg). Was ich sehr begrüße, und was die Leserschaft der NachDenkSeiten ausmacht, ist das hohe inhaltliche Niveau sowie der praktizierte Respekt. So funktioniert gesunder gesellschaftlicher Diskurs – eine Diskursatmosphäre, die in Zeiten dominierender Political Correctness statt Argumente rar geworden ist. Unter anderem wurde ich von einigen Lesern gebeten, das Thema des Rechts zum Krieg anhand des russisch-ukrainischen Krieges zu thematisieren. Der Bitte komme ich sehr gerne nach. Von Alexander Neu.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Meine auf Widerspruch stoßende Prämisse lautete:

Die rechtliche Bewertung des russischen Angriffskriegs muss nicht weiter erläutert werden, denn diese ist unzweideutig: Russland bricht ohne Wenn und Aber das in der UNO-Charta Artikel 2 Absatz 4 verankerte Gewaltverbot, wie auch die USA und ihre „Koalition der Willigen“ dies mit dem Irak-Krieg 2003 oder dem NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 getan haben. Sämtliche Versuche, relativierende Erklärungen zu den jeweiligen Angriffskriegen zu liefern, stellen eine unmittelbare Infragestellung und somit Relativierung des Internationalen Rechts dar.“

UNO-Charta

Die UNO und ihre Charta sind das Ergebnis des Grauens des Ersten und des Zweiten Weltkrieges (so auch die Präambel der UNO-Charta) sowie die Fortsetzung des Völkerbundes, der seinerseits ein Ergebnis des Grauens des Ersten Weltkrieges gewesen ist. Die Entwicklung vom Recht zum Krieg (ius ad bellum) durch souveräne Herrscher, später souveräne Staaten bis einschließlich zum Ersten Weltkrieg wurde in dem Briand/Kellog-Pakt (Verbot des Angriffskrieges) 1929 eingeschränkt. Dennoch hat dieses Abkommen den Zweiten Weltkrieg nicht verhindert. Die Neuerung in der UNO-Charta stellt nicht nur ein umfassendes Gewaltverbot dar, sondern beinhaltet auch die Friedenspflicht der UNO-Mitgliedsstaaten (Präambel, Art. 1 & 2). Die bekannten Ausnahmen sind die Gewaltautorisierung seitens des UN-Sicherheitsrates, um einen vorausgehenden Konflikt auch mit militärischen Mitteln einzuhegen (Art. 43) sowie das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung (Art. 51). Das Gewaltverbot ist in der UNO-Charta unter Art. 2, Abs. 4 wie folgt formuliert:

Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

Dieses Gewaltverbot ist ebenso wie die Souveränität bzw. die „souveräne Gleichheit“ der Staaten zwingendes Recht und gilt ausnahmslos für alle Mitgliedsstaaten – für die USA ebenso wie für Samoa, Haiti, Luxemburg, der Mongolei, Nigeria oder auch Russland. Dass sich immer wieder Staaten, insbesondere Großmächte, nicht daran halten und einen anderen Staat militärisch angreifen oder einen Angriff androhen, ist auch eine Realität. Entsprechende Gewaltmaßnahmen oder deren Androhungen stellen einen klaren Rechtsbruch dar. Die Hintergründe dazu habe ich in dem Beitrag „Streubomben und Völkerrecht“ ausgeführt.

Und da die Ukraine vollwertiges Mitglied der UNO – anerkannt in den Grenzen von 1991 – ist und auch Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR die Ukraine in den Grenzen von 1991 diplomatisch anerkannt hat, handelt es sich bei dem russischen Angriff sowie der Annexion ukrainischem Staatsgebiets um einen klaren Bruch des Art. 2 Abs. 1 & 4 der UNO-Charta, mithin einen Völkerrechtsbruch.

Es gibt immer Gründe, warum ein Akteur glaubt, berechtigt zu sein, geltendes Recht zu brechen. Nur, wenn diese Herangehensweise akzeptiert würde, bräche jedes Rechtssystem wie ein Kartenhaus zusammen. Der Angriff der „Koalition der Willigen“ unter US-Führung gegen den Irak 2003 stellt eine klaren Völkerrechtsbruch dar. Daran ändert sich auch nichts, nur weil verbündete Staaten diesen Völkerrechtsbruch nicht als solchen anerkennen. Die Bundesregierungen seit 2003 verweigern sich bis heute, den US-geführten Angriffskrieg auf den Irak als Völkerrechtsbruch zu klassifizieren. Ebenso verweigern sich die Bundesregierungen, die Angriffe der Türkei oder der USA auf Syrien als solche zu benennen. Ich hatte seinerzeit den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages dazu um Gutachten gebeten, deren Ergebnisse eindeutig waren: Völkerrechtsbrüche! (Siehe hier und hier.)

Angriff auf das umfassende Gewaltverbot

Und natürlich gibt es Versuche durch Großmächte, das umfassende Gewaltverbot der UNO-Charta für machtpolitische Zwecke „zu lockern“:

Neben den zwei bekannten Ausnahmen hinsichtlich des Gewaltverbotes hat der Westen in den letzten 25 Jahren weitere Ausnahmen vom Gewaltverbot zu etablieren versucht: Die „responsibility-to-protect“-Doktrin („rtp“) und die „Unable-Unwilling“-Doktrin („UU“). Beide Doktrinen zielen auf eine konditionierte Souveränität der Staaten ab, natürlich mit Ausnahme der westlichen Staaten, denn diese formulieren die Konditionen. D.h., dass der Westen mit Hilfe dieser Doktrinen versucht, seinen militärischen Interventionen eine Legitimität zu verleihen, die dann in einer zeitlichen Dimension in völkergewohnheitsrechtliche Legalität überführt werden würde, ohne dass die UNO-Charta entsprechend verändert werden müsste. So ist die „rtp“ das Ergebnis des völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskrieges auf Jugoslawien 1999. Sie sollte auf fragwürdige Weise nachträglich eine Art Legitimität behaupten und zukünftig einen legalen Freifahrtschein für westliche Interventionen bereitstellen. Ähnlich kritisch argumentiert auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages gegen diese Praxis im Falle Syrien:

Wie bereits im Fall der Kosovo-Intervention 1999 lässt sich festhalten, dass völkerrechtswidriges Handeln nicht dadurch „geheilt“ wird, dass es moralisch legitim ist. Aus der Legitimität staatlichen Handelns erwächst nicht automatisch dessen Legalität.“

2011 war es denn soweit: Der UNO-Sicherheitsrat nutzte die „rtp“-Doktrin als Grundlage, um in die inneren Angelegenheiten Libyens zu intervenieren. Die NATO setzte das Mandat um. Die Menschenrechtsbellizisten jubelten, im Globalen Süden wurde diese Maßnahme eher mit gemischten Gefühlen aufgenommen – nicht ganz zu Unrecht. Denn die NATO interpretierte das vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Mandat (UN-Sicherheitsratsmandat 1973) mehr als großzügig, was mit einem blutigem Regime Change inklusive Tötung des dortigen Machthabers Gaddafi vor der Weltöffentlichkeit und einem bis heute anhaltenden failed state endete. Damit hatte sich die Intention der „rtp“-Doktrin selbst entlarvt und ist für den globalen Nicht-Westen nicht mehr akzeptabel. Und auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kommt in einem von mir erbetenen Gutachten zu Syrien zu folgendem Ergebnis:

Wegen der bestehenden Missbrauchsgefahr ist die Zulässigkeit einer humanitären Intervention bis heute völkerrechtlich ausgesprochen umstritten und erscheint als gewohnheitsrechtliche Ausnahme vom völkerrechtlichen Gewaltverbot jedenfalls nicht tragfähig.“

Die „UU“-Doktrin wiederum findet sich in den Bundestagsmandaten für den Anti-IS-Einsatz der Bundeswehr im Irak und Syrien. Der syrische Staat sei nicht in der Lage („unable“), den IS effektiv zu bekämpfen, sodass der Westen (die sogenannte internationale Gemeinschaft) diese Aufgabe übernehmen müsse. Diese Argumentation ist sehr interessant, da die syrische Armee geradezu daran gehindert wurde/wird, auf dem gesamten Staatsgebiet die Hoheitsgewalt wieder durchzusetzen. Im Osten besetzen US-amerikanische Truppen und im Nordwesten türkische Truppen das syrische Staatsgebiet – übrigens, in beiden Fällen völkerrechtswidrig.

Volksrepubliken“ und „Weiterentwicklung“ des Völkerrechts

Nun wurde in den Leserbriefen auch der besondere Status der beiden „Volksrepubliken“, die ja ihre Unabhängigkeit verkündet hätten, hervorgehoben. Und Russland habe mit der diplomatischen Anerkennung dieser „Volksrepubliken“ letztlich dann auf Einladung derselben gemäß Art. 51 der UNO-Charta gehandelt, mithin die kollektive Selbstverteidigung als Rechtsgrundlage genutzt.

In der Tat muss man diesen Aspekt besonders analysieren, da nach 1990 das Völkerrecht vom Westen einseitig „weiterentwickelt“ wurde. Das Primat der Souveränität und der territorialen Integrität von Staaten wurde in dem Fall Jugoslawiens zu Gunsten eines sehr fragwürdigen externen Selbstbestimmungsrechtsverständnisses der Völker außer Kraft gesetzt – sprich, das föderal strukturierte Land in Einzelteile zerlegt – und damit auch die UNO-Charta in wesentlichen Teilen faktisch außer Kraft gesetzt. Die ursprünglich als anti-kolonialistische, zur Unterstützung des Befreiungskampfes des Globalen Südens gedachte Norm stellt in diesem Zusammenhang eine Einheit zwischen externem Selbstbestimmungsrecht und Souveränität dar: Eine Kolonie befreit sich (externes Selbstbestimmungsrecht) und formiert ein eigenes souveränes Staatswesen.

Mit der einseitigen, neuen Interpretation des externen Selbstbestimmungsrechts gegen bestehende souveräne Staaten, hier insbesondere Jugoslawien, seitens des Westens wurde indessen ein Gegensatz von Souveränität (jugoslawischer Bundesstaat) und externem Selbstbestimmungsrecht (regional-nationalistische Kräfte Jugoslawiens fordern jeweils einen eigenen Ministaat, deren Einwohnerzahl sich in der Größenordnung Berlins bewegt) geschaffen und das Selbstbestimmungsrecht anschließend priorisiert.

Die seinerzeit von der EG eingesetzte „Badinter-Kommission“ befand selbstherrlich, dass die jugoslawischen Republiken in ihren Verwaltungsgrenzen als selbstständige Staaten separieren und auch so anerkannt werden dürften. Das wäre so, als ob die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft beschlösse, dass die deutschen Bundesländer sich nun abspalten können und Deutschland als Bundesstaat aufgelöst würde, respektive die Bundesregierung und die föderalen Organe nichts mehr zu melden hätten. Nur mal so als konkretes Beispiel, um die Dimension der Selbstherrlichkeit zu verdeutlichen.

Mehr noch: Als es dann um Serbien und seine Provinz Kosovo ging, wurde die Badinter-Empfehlung kurzerhand wieder ausgesetzt. Was für die übrigen Republiken gelten sollte, galt nicht für die serbische Republik. Mehr Willkür geht nicht.

Diese Praxis zeigt eines sehr deutlich: Die einseitige „Weiterentwicklung“ des Völkerrechts galt/gilt nur selektiv, also nur bei den Staaten, wo es westlichen Interessen entgegenkam/entgegenkommt – hat also nur einen instrumentellen Charakter. Deshalb Slowenien, Kroatien, Bosnien und Kosovo. Nicht aber Süd-Ossetien, Abchasien, die Krim oder die „Volksrepubliken“. Und die russische Lesart ist entsprechend spiegelverkehrt und somit ebenso widersprüchlich, was den instrumentellen Charakter des Völkerrechts auch für Moskau unterstreicht. Aber diese selbstherrliche „Weiterentwicklungs“politik des Völkerrechts seitens des Westens ist ein Produkt der westlichen Hybris in der nun vergangenen „Pax Americana“, der unipolaren Weltordnung.

In der sich anbahnenden neuen Weltordnung mit neuen Großmächten rächt sich diese auf kurzfristige Gewinne von Einflusssphären angelegte Politik des Westens. Denn Russland hat den westlichen Präzedenzfall Jugoslawien aufgenommen und ebenso für seine machtpolitischen Interessen mit geübt. Ein Verzicht Russlands auf die Nutzung der Präzedenzfälle wäre nicht nur realpolitisch naiv, es bedeutete auch eine völkergewohnheitsrechtliche Akzeptanz der Asymmetrierung von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten zwischen den Staaten.

Angesichts dessen sind die völkerrechtlichen Klagen des Westens wegen der Krim und der „Volksrepubliken“ unter dem Aspekt ihrer durch sie selbst vorangetriebenen „Weiterentwicklung“ des Völkerrechts mehr als fragwürdig.

Betrachtet man das Verhalten der Russischen Föderation hinsichtlich der diplomatischen Anerkennung der beiden „Volksrepubliken“ am 21. Februar 2022 völkerrechtlich isoliert – also gemäß der westlichen Lesart und jenseits der realen Entwicklungen auf internationaler Ebene nach 1990, so bliebe die Feststellung, dass die Russische Föderation die Völkerrechtsnormen der Souveränität, der territorialen Integrität sowie dem Interventionsverbot gebrochen hat. Dies wird auch durch die ausbleibende diplomatische Anerkennung zunächst der „Volksrepubliken“ als eigenständige Staaten bzw. der Akzeptanz ihrer Integration in den russischen Staatsverband seitens anderer Staaten und einer nichtbindenden Resolution der UNO-Generalversammlung deutlich. In dieser haben sich von 193 Mitgliedsstaaten 141 einer Verurteilung des russischen Handelns angeschlossen und 35 Staaten enthielten sich. Denn auch der globale Nichtwesten hat kein Interesse, die ohnehin angeschlagenen Souveränitäts- und territoriale Integritätsnormen noch weiter erodieren zu lassen. Das zeigt sich nicht nur, aber ganz besonders an dem Verbündeten Russlands, der Volksrepublik China, die um die territoriale Integrität (Taiwan) kämpft, oder auch an der Republik Serbien, deren territoriale Integrität (Kosovo) auch mit Füßen getreten wird.

Kontextualisiert man hingegen die russische Anerkennungspolitik unter Berücksichtigung der einseitigen „Weiterentwicklung“ des Völkerrechts seitens des Westens, so ist der Vorwurf des Völkerrechtsbruchs Russlands mindestens schwieriger zu beurteilen. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages gelangt indessen zu einem anderen, einem eindeutigen Urteil, nämlich des klaren Völkerrechtsbruchs.

Russland seinerseits sieht hinsichtlich der diplomatischen Anerkennung der „Volksrepubliken“ angesichts der vom Westen geschaffenen völkerrechtlichen Präzedenzfälle (nicht nur Kosovo, sondern auch die jugoslawischen Republiken) keinerlei völkerrechtlichen Hürden mehr. Mehr noch: Mit diesem neuen, von Russland gezeichneten Rechtsstatus der „Volksrepubliken“ wurde dann in der immanenten Logik auch das Recht auf kollektive Selbstverteidigung (Art. 51 UNO-Charta) formuliert, womit nach russischer Lesart der Weg für einen militärischen Beistand der „Volksrepubliken“ geebnet worden sei.

Angriffe auf die Ukraine

Selbst wenn man der völkerrechtlichen Argumentation Moskaus folgte, so bliebe festzuhalten, dass der Angriff auf das ukrainische Staatsgebiet jenseits der Gebiete der „Volksrepubliken“ nicht unter dem Aspekt der kollektiven Selbstverteidigung zu rechtfertigen ist. Die Angriffe Russlands erstrecken sich seit dem 24. Februar 2022 auf das gesamte ukrainische Staatsgebiet. Dieser Fakt erlaubt keinen Interpretationsspielraum für die völkerrechtliche Bewertung. Kurzum: Russlands militärische Maßnahmen in der Ukraine stellen einen massiven Bruch des Art. 2 Abs. 4 der UNO-Charta und somit des Völkerrechts dar.

Fazit

Die Motive für einen Rechtsbruch mögen niederträchtig oder edel sein, es ist stets eine subjektive Bewertung. Aber ein Rechtssystem, zumal eines mit rechtsstaatlichem Anspruch, was auch die UNO-Charta sein soll, kann das nicht akzeptieren, ohne sich damit überflüssig zu machen.

Kurzum, sämtliche Versuche, das umfassende Gewaltverbot durch angeblich edle Motive zu durchlöchern, basieren auf tatsächlich machtpolitischen Interessen ihrer Protagonisten und gehören ausnahmslos zurückgewiesen. Auch die Kritiker meiner Position sollten nicht den Fehler begehen, die Politik der Doppelstandards zu kopieren. Denn abgesehen von der abzulehnenden humanitären Tragödie eines jeden Krieges würde die Anwendung doppelter Standards unsere Argumentationskraft gegen jeden Krieg eher schwächen als stärken. Und umgekehrt: Dadurch, dass wir keine völkerrechtlichen Doppelstandards akzeptieren, soll heißen, jeden Angriffskrieg als das benennen, was er ist, nämlich ein Rechtsbruch, haben wir ein sehr starkes Argument an der Hand.

Es ist immer wieder aufschlussreich, wie Politik und Medien sich winden und ausweichen, wenn man sie auf westliche Rechtsbrüche hinweist, respektive von diesen fordert, die Rechtsbrüche auch zu klassifizieren. Die sichtlich angestrengten rhetorische Pirouetten, die die Bundesregierungen und die sie tragenden Fraktionen hinsichtlich des US-Irak-Krieges oder der türkischen Invasion in Syrien vollziehen, sind, wäre es nicht so traurig, von hohem Unterhaltungswert. Und die widerwärtigste Reaktion ist die des Vorwurfs des „Whataboutism“ – eine beliebte, wenngleich auch leicht durchschaubare Taktik.

Und ja, es liegt in der Natur des Menschen, die gleichen Handlungen von Dritten angesichts der unterschiedlichen Verteilung von Sympathie und Antipathie auch unterschiedlich zu bewerten. Diese jeweils eigene menschliche Schwäche muss erkannt und soweit wie möglich bei der Beurteilung von Handlungen zurückgedrängt werden. Nur dann sind wir glaubwürdig.

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: Shutterstock / Ivan Marc