Wie die Welt in einen neuen Kalten Krieg taumelt

Wie die Welt in einen neuen Kalten Krieg taumelt

Wie die Welt in einen neuen Kalten Krieg taumelt

Ein Artikel von Karsten Montag

Ein Atomkrieg ist noch immer die größte und naheliegendste Bedrohung für die Menschheit. Mit mutiger Entspannungspolitik und Rüstungskontrollverträgen haben sich Politiker aus aller Welt seit den 1960er-Jahren bemüht, diese Gefahr zu mindern. Nach einer kurzen Phase der tatsächlichen Abrüstung nach dem Ende des Kalten Krieges werden Abrüstungsverträge jedoch wieder aufgekündigt, und das gegenseitige Vertrauen ist aufgrund des Konflikts in der Ukraine auf ein Niveau wie zu Hochzeiten im Ost-West-Konflikt des 20. Jahrhunderts zurückgegangen. Aufgrund anstehender richtungsweisender Wahlen in den nächsten zwei Jahren stellt sich die Frage, welche aktuell im Bundestag vertretenen Parteien eine neue und friedliche Entspannungspolitik vorantreiben. Von Karsten Montag.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Mensch jede erdenkliche Waffe, die er im Laufe der Zeit entwickelt hat, auch angewendet hat, um einen gewalttätigen Konflikt für sich zu entscheiden. Waffen sind in erster Linie darauf ausgelegt, die gegnerischen Soldaten auf dem Schlachtfeld zu vernichten. In zweiter Linie werden sie verwendet, um die Rüstungsproduktion des Gegners zu schädigen, die gegnerische Bevölkerung zu demoralisieren oder gar gänzlich auszulöschen. Für Letzteres bedarf es sogenannter Massenvernichtungswaffen, zu denen man chemische, biologische, radiologische und nukleare Kampfmittel zählt. Doch auch Angriffe mit konventionellen Waffen wie Flächenbombardements von dicht besiedelten Gebieten aus der Luft und der Einsatz von Streumunition sind für große Verluste unter der Zivilbevölkerung verantwortlich.

Aus rational schwer nachvollziehbaren, jedoch offensichtlich evolutionär bedingten und propagandistisch ausgenutzten Gründen hält ein Großteil der Menschen den Einsatz von Waffen zur Vernichtung gegnerischer Soldaten auf dem Schlachtfeld für legitim, obwohl dort letztendlich Zivilisten in Uniform eher mehr als weniger dazu gezwungen werden, sich gegenseitig umzubringen. Der Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen die Zivilbevölkerung wird hingegen im Allgemeinen als unethisch angesehen. Eine einfache Erklärung dafür liefert die Tatsache, dass das Leben derjenigen, die in der Regel über Krieg und Frieden und somit über den massenhaften Tod von Zivilisten in Uniform auf dem Schlachtfeld entscheiden, durch den Einsatz konventioneller Waffen kaum bedroht ist, durch Massenvernichtungswaffen jedoch schon. Es bedarf also keiner universellen Moral, um logisch nachzuvollziehen, dass diese Entscheidungsträger zum Schutz ihres eigenen Lebens für alle anderen definieren, was als unethisch gilt und was nicht.

Vielleicht entwickeln wir Menschen auch mit der Zeit einen Instinkt – oder vielleicht verfügen wir ja sogar schon darüber –, der uns die Menschheit als große Familie empfinden lässt, deren Fortbestand uns ähnlich wichtig erscheint wie das eigene Leben oder das der direkten Nachkommen. Doch da dies nicht erwiesen ist und sich auch nur unter dem Risiko des Exodus der gesamten Menschheit experimentell bestätigen lässt, müssen wir uns wohl oder übel kultureller Mittel bedienen, um das Aussterben der Spezies Mensch durch die eigene Hand zu verhindern. Ein derartiges Mittel ist beispielsweise ein rechtlich bindender Vertrag zwischen zwei oder mehreren Parteien, dessen Erfüllung im günstigsten Fall durch gegenseitige Kontrolle überprüft werden kann.

Bestehende Verbote von Massenvernichtungswaffen

Ein Verbot von biologischen und chemischen Waffen existiert mit dem Genfer Protokol bereits seit 1925. Dieses wurde in den 1970er-Jahren ergänzt durch die Biowaffen- und in den 1990er-Jahren durch die Chemiewaffenkonvention. Bis auf Israel, Tschad, Eritrea und die Komoren haben alle Staaten der Welt die Biowaffenkonvention und bis auf Ägypten, Nordkorea und Südsudan die Chemiewaffenkonvention unterzeichnet. Da das Biowaffenübereinkommen keine Mechanismen enthält, dessen Einhaltung gegenseitig überprüfen zu können, muss man davon ausgehen, dass viele Staaten, welche die Möglichkeit dazu haben, im Geheimen weiterhin an immer neueren Biowaffen forschen. Das Chemiewaffenübereinkommen verfügt hingegen mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen über ein Kontrollorgan, das mittels unabhängiger Inspektoren befugt ist, Militäranlagen, zivilen Industriebetrieben und Laboratorien in jedem Vertragsland unangemeldete Besuche abzustatten.

Auch für Atomwaffen existiert seit 2021 ein Verbotsvertrag. Dieser wurde jedoch bisher von keiner Atommacht oder einem Land, in dem über die nukleare Teilhabe Atomwaffen gelagert sind, unterzeichnet und ist damit, zumindest derzeit, vollkommen wirkungslos.

Das Gleichgewicht des Schreckens ist kein Garant für die Verhinderung eines Atomkriegs

Dass es bisher seit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki noch nicht zu einem weiteren Einsatz von Atomwaffen gekommen ist, ist höchstwahrscheinlich der nuklearen Abschreckung zu verdanken. Diese basiert auf einem einfachen Instinkt, den man im gesamten Tierreich beobachten kann: Solange nicht abschätzbar ist, ob eine Auseinandersetzung zu gewinnen ist und wie hoch der eigene Verlust ist, vermeiden Lebewesen den gewaltsamen Konflikt. Hierzu gehören auch Drohgebärden, um den Gegner von der eigenen Stärke zu überzeugen. Wäre dies nicht so, hätte sich womöglich jede Spezies bereits längst selbst ausgerottet. Wenn jedoch der Gewinn oder auch der mögliche Verlust hoch genug erscheint, kommt es dennoch zum Einsatz von Gewalt. Zudem ist nicht auszuschließen, dass ein lokal begrenzter, konventionell geführter Konflikt eskaliert oder es aufgrund technischer Mängel zu einem irrtümlichen Einsatz von Massenvernichtungswaffen kommt, der wiederum als einseitige Aggression wahrgenommen werden kann. Aus diesem Grund kann die nukleare Abschreckung niemals ein Garant dafür sein, dass diese Waffen nicht doch einmal eingesetzt werden.

Tatsächlich stand die Welt im Kalten Krieg mehrfach am Abgrund eines atomaren Schlagabtauschs zwischen den nuklearen Supermächten. Der bekannteste Vorfall ereignete sich während der Kubakrise 1962, als nur eine einzige Person, der sowjetische Offizier Wassili Archipow, an Bord eines russischen U-Boots vor Kuba möglicherweise einen Atomkrieg verhindert hat. Er verweigerte den Befehl, nach einer Provokation durch US-amerikanische Zerstörer einen Atomtorpedo abzuschießen. Zwar wurde der Vorfall erst 2002 offiziell bekannt, doch die Krise war schlussendlich Auslöser für weitreichende Abrüstungsverhandlungen zwischen den Atommächten, insbesondere zwischen den USA und der Sowjetunion (UdSSR), deren Rechtsnachfolger Russland und die ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken Kasachstan, Belarus und die Ukraine wurden.

Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge sollten die Gefahr eines Atomkriegs mindern

Wie gefährlich der Einsatz von Atomwaffen ist, zeigt ein Vergleich der eingesetzten beziehungsweise verfügbaren Sprengkraft mit dem Zweiten Weltkrieg. Die gesamte Zerstörungskraft der zwischen 1939 und 1945 eingesetzten Munition betrug ungefähr drei Megatonnen TNT-Äquivalent. Das Atomwaffenarsenal der Nuklearmächte entsprach 1985 hingegen 18.000 Megatonnen und somit dem 6.000-Fachen des Zweiten Weltkriegs. 300 Megatonnen reichen bereits aus, um alle mittleren und großen Städte der Welt zu vernichten.

Die Abrüstungsverhandlungen seit den 1960er-Jahren waren zunächst hauptsächlich nur Lippenbekenntnisse, denn die Rüstung von Atomwaffen und Verteidigungsmaßnahmen gegen sie ging größtenteils unter Umgehung der Verträge ungebremst weiter. Erst ab Mitte der 1980er-Jahre kam es zu einer ernsthaften Reduzierung der Atomwaffen und zu einer Aussetzung der Entwicklung sogenannter „Raketenschutzschirme“ der beiden Supermächte USA und UdSSR. Nachfolgende Abbildung stellt den Verlauf des Erfolgs der Abrüstungsbemühungen dar.

Abbildung 1: Geschätzte Anzahl der weltweiten Atomwaffen 1945 bis 2023, Datenquelle: Federation of American Scientists

Die Abrüstungs- und Rüstungskontrollverhandlungen im Detail

Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag (NVV)
Der erste Rüstungskontrollvertrag, der Nukleare Nichtverbreitungsvertrag, auch Atomwaffensperrvertrag genannt, wurde 1968 abgeschlossen. Er schrieb vor, dass nur China, Frankreich, Großbritannien, die UdSSR und die USA Atomwaffen entwickeln und erwerben dürfen. Artikel VI des Abkommens verpflichtet alle Vertragspartner, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“. Nur Indien, Israel, Pakistan und Südsudan haben, im Gegensatz zu den übrigen Staaten der Welt, den Vertrag nicht unterzeichnet, Nordkorea hat die Unterzeichnung zurückgezogen. Bis auf den Südsudan verfügen die nicht unterzeichnenden Staaten mittlerweile allesamt über Atomwaffen.

Während einer Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags im Jahr 2000 sagten die fünf offiziellen Atommächte im Rahmen eines 13-Schritte-Programms die völlige Beseitigung ihrer nuklearen Arsenale zu, jedoch ohne zeitliche Angabe. Weitere Überprüfungskonferenzen scheiterten in der Folge, da andere Rüstungskontrollverträge zwischenzeitlich aufgekündigt wurden.

Gespräche zur Begrenzung strategischer Rüstung (SALT)
1969 bis 1979 fanden zwischen den USA und der UdSSR Gespräche zur Begrenzung strategischer Rüstung (auf Englisch „Strategic Arms Limitation Talks“, kurz SALT) statt, die zu verschiedenen Rüstungskontrollverträgen führten. Im Rahmen von SALT I wurden der ABM-Vertrag (siehe nächsten Abschnitt) sowie das Vorläufige Abkommen zur Begrenzung von strategischen Offensivwaffen, das die nuklearen Arsenale auf dem Stand von 1972 einfrieren sollte und auf fünf Jahre begrenzt war, unterzeichnet. SALT II sah Beschränkungen der Trägersysteme für Nuklearwaffen sowie Verbote gegen Neuentwicklungen und bestimmte Formen von Trägersystemen vor, wurde aber nie rechtlich umgesetzt.

Da Kurz- und Mittelstreckenraketen aus dem ABM-Vertrag ausgeklammert waren, hatten die damaligen Außenminister der USA und der UdSSR, Henry Kissinger und Andrei Gromyko, einen Kompromiss über die Einbeziehung von Mittelstreckenwaffen in das SALT-II-Abkommen ausgehandelt. Diesen lehnte der zu dieser Zeit amtierende US-Präsident Gerald Ford jedoch ab.

Raketenabwehrvertrag (ABM)
Der 1972 unterzeichnete Raketenabwehrvertrag (englisch: Anti-Ballistic Missile Treaty, kurz ABM) zwischen den USA und der UdSSR hatte zum Ziel, das Gleichgewicht des Schreckens zu erhalten. Beide Vertragspartner verpflichteten sich, den Aufbau von nationalen Abwehrsystemen gegen ballistische Raketen zu unterlassen sowie keine Systemkomponenten für Raketenabwehr auf dem Meer, in Flugzeugen und im Weltraum zu stationieren. Hintergrund waren verschiedene vorangegangene Bestrebungen der USA, ein Abwehrsystem gegen Interkontinentalraketen zu entwickeln, das zu einem umfangreichen Raketenschutzschutzschirm ausgebaut werden sollte.

Bereits durch den vom ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan 1983 initiierten Aufbau eines land-, see-, luft- und weltraumgestützten Abwehrschirms gegen Interkontinentalraketen namens Strategic Defense Initiative (SDI), im Volksmund auch „Star Wars“ genannt, wurde der ABM-Vertrag faktisch durch die USA einseitig gebrochen. Die UdSSR setzte den Bestrebungen der USA ballistische Raketen mit mehreren Sprengköpfen sowie neue mobile Abschussrampen entgegen. SDI gilt als gescheitert, da es technisch nicht umsetzbar war und mit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr nötig erschien.

2001 kündigte der damalige US-Präsident George W. Bush den ABM-Vertrag offiziell auf und startete eine neues Raketenabwehrprojekt namens „National Missile Defense“ (NMD), das als Nachfolger von SDI gilt. Ähnlich wie SDI soll NMD anfliegende Interkontinentalraketen mit satellitengestützter Überwachung erkennen und entweder bereits nahe der Abschussrampen, auf ihrer Bahn im Weltall oder während des Sinkfluges in der Erdatmosphäre mittels Raketen oder Lasern zerstören.

Als Reaktion auf den einseitigen Ausstieg der USA aus dem ABM-Vertrag intensivierten Russland und China die Entwicklung von hyperschallschnellen, manövrierbaren Gefechtsflugkörpern. Ihre Geschwindigkeit ist höher als Mach 5 (fünffache Schallgeschwindigkeit), und anders als Interkontinentalraketen erreichen sie nicht den Weltraum, sondern verbleiben in der Erdatmosphäre. Damit sind sie deutlich schneller als herkömmliche Marschflugkörper und daher nur schwer durch Raketenabwehrsysteme abzufangen. Während des Krieges in der Ukraine wurden erstmals Hyperschallwaffen des Typs „Ch-47M2 Kinschal“ mit konventionellen Sprengköpfen von den russischen Streitkräften eingesetzt.

Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag (INF)
Im Vorfeld der Verhandlungen zu einem Vertrag zwischen den USA und der UdSSR zur Abrüstung von nuklearen Kurz- und Mittelstreckenraketen (auf Englisch „Intermediate Range Nuclear Forces Treaty“, kurz INF) hatte die Sowjetunion ab 1976 SS-20-Mittelstreckenrakten mit größerer Reichweite, Genauigkeit, Mobilität und Zerstörungskraft als ihre Vorgängermodelle in Russland, Belarus und der Ukraine stationiert. Das Ziel dieser Raketen, die mit jeweils drei Atomsprengköpfen bestückt waren und eine Reichweite von bis zu 5.700 Kilometern hatten, war unter anderem Westeuropa. Die sowjetischen Mittelstreckenraketen waren eine Antwort auf die zuvor von den USA entwickelte Kurzstreckenrakete Pershing I sowie auf die von Schiffen, U-Booten, Flugzeugen und Fahrzeugen einsetzbaren Marschflugkörper (englisch „cruise missiles“).

Der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt warnte 1977 davor, dass es zu einer unkontrollierten Aufrüstung der Mittelstreckenraketen sowie einer Unterminierung des bisherigen strategischen Gleichgewichts durch die UdSSR kommen könnte. In der Folge trieb er die Verhandlungen zum NATO-Doppelbeschluss voran, der zum einen vorsah, die bisherigen Kurz- und Mittelstreckenraketen in Westeuropa durch Pershing-II-Raketen sowie bodengestützte Marschflugkörper zu ersetzen, und zum anderen bilaterale Verhandlungen zwischen den USA und der UdSSR über die Begrenzung ihrer atomaren Mittelstreckenraketen verlangte. Bis kurz vor Beschlussfassung Ende 1979 hatte die Sowjetunion versucht, die deutsche Bundesregierung davon zu überzeugen, dem NATO-Abkommen nicht zuzustimmen, da dieses weitere Verhandlungen verhindern würde.

Trotz des Widerstands einer sich in kurzer Zeit formierenden breiten Friedensbewegung in Deutschland, aus der unter anderem auch die Partei „die Grünen“ hervorging, stimmte die Bundesregierung dem Beschluss zu. Mit Ronald Reagan, der 1981 US-Präsident wurde, folgte daraufhin eine erneute Rüstungsspirale. Er war auch derjenige, der den unter Präsident Gerald Ford unterzeichneten, jedoch noch nicht ratifizierten SALT-II-Vertrag ablehnte. Stattdessen nannte er die Sowjetunion ein „Reich des Bösen“, gab den Raketenschutzschirm SDI in Auftrag, der im Grunde dem ABM-Vertrag widersprach, und führte die Welt mit der 1983 abgehaltenen NATO-Übung „Able Archer“, welche die Staaten des Warschauer Pakts als Deckmantel für einen nuklearen Erstschlag gesehen haben sollen, möglicherweise erneut an den Abgrund eines Atomkrieges. Tatsächlich ging das Pentagon Anfang der 1980er-Jahre ernsthaft davon aus, einen Atomkrieg gegen die UdSSR gewinnen zu können.

Erst die Verhandlungen zwischen dem 1985 zum sowjetischen Generalsekretär ernannten Michail Gorbatschow und Ronald Reagan, der der sowjetischen Seite im letzten Moment mit dem Aussetzen des SDI-Programms entgegenkam, wurde 1987 schlussendlich der INF-Vertrag unterzeichnet. Er sah die Vernichtung aller fast 3.000 boden- und landgestützten Flugkörper mit mittlerer und kürzerer Reichweite auf beiden Seiten vor und wurde bis 2001 vollständig umgesetzt. 2019 stiegen die USA unter der Präsidentschaft von Donald Trump aus dem Vertrag aus, woraufhin die Vereinigten Staaten und Russland ihn als beendet erklärten.

Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag)
Der 1990 zwischen den NATO-Staaten und den ehemaligen Ländern des Warschauer Paktes unterzeichnete KSE-Vertrag begrenzte die Anzahl schwerer konventioneller Waffensysteme, die in Europa vom Atlantik bis zum Ural stationiert werden durften. Daraufhin wurden bis Mitte der 1990er-Jahre rund 51.000 schwere Waffensysteme in den Vertragsstaaten, darunter Kampfpanzer, Artilleriesysteme und Kampfflugzeuge, zerstört.

2007 teilte Russland den übrigen Vertragspartnern mit, keine Informationen über seine Streitkräfte mehr preiszugeben. Als Begründung gab die russische Regierung an, dass seit der Vertragsunterzeichnung neue Länder wie die Slowakei und die baltischen Staaten, die dem Abkommen nicht beigetreten waren, Mitglieder der NATO wurden. Zudem sah Russland die geplante Einrichtung eines amerikanischen Raketenschutzschirms in Tschechien und Polen als Bedrohung für seine nukleare Abschreckungsfähigkeit.

2015 kündigte Russland den Vertrag auf, nachdem die USA angekündigt hatten, für ein Manöver zeitweise rund 3.000 US-Soldaten ins Baltikum zu verlegen, und sie zudem den baltischen Staaten bereits Hunderte Kampffahrzeuge zur dauerhaften Nutzung geliefert hatten.

Verträge zur Verringerung der strategischen Atom- und Offensivwaffen (START I-III, SORT)
1991 unterzeichneten die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion den Vertrag zur Verringerung der strategischen Atomwaffen (auf Englisch „Strategic Arms Reduction Treaty“, kurz START). Er wurde aufgrund späterer weiterführender Verhandlungen nachträglich in „START I“ umbenannt. Der Vertrag sah vor, das jeweilige Arsenal strategischer Atomwaffen, also Langstreckenraketen, innerhalb von sieben Jahren um circa ein Drittel zu reduzieren und auf eine Obergrenze von 1.600 Trägersystemen und 6.000 Gefechtsköpfen zu begrenzen. Nur noch 4.900 nukleare Gefechtsköpfe durften jeweils auf Interkontinentalraketen bereitgehalten werden. Zudem wurden gegenseitige Inspektionen und ein Verbot der Verschlüsselung von Telemetriedaten bei Testflügen vereinbart.

In der Folgezeit verhandelten die beiden Supermächte nach und beschlossen mit dem 1993 unterzeichneten START-II-Vertrag eine weitere Reduzierung der bereitgehaltenen Gefechtsköpfe auf maximal jeweils 3.500 bis Ende 2002. Nur höchstens 1.750 Mehrfachsprengköpfe durften auf Interkontinentalraketen, die auf U-Booten stationiert sind, montiert werden. Die gleiche Obergrenze galt für Einfachsprengköpfe auf landgestützten Interkontinentalraketen oder auf Gefechtsflugkörpern, die mithilfe von Langstreckenbombern eingesetzt werden konnten. Zudem wurden alle landgestützten strategischen Nuklearwaffen mit Mehrfachsprengköpfen verboten. Dies sollte das Ende von Interkontinentalraketen mit klangvollen Namen wie „Woiwode“ (zu Deutsch „Heerführer“, Russland) oder „Peacekeeper“ (zu Deutsch „Friedenswächter“, USA) bedeuten. Allerdings wurde keine Begrenzung der Lagerhaltung der Sprengköpfe beschlossen.

Während START I von beiden Seiten vertragsgemäß umgesetzt wurde und nach dem Ende der UdSSR die ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken Belarus, Kasachstan und Ukraine ihre nuklearen Waffen vollständig abrüsteten, zögerte die russische Seite die Ratifizierung des START-II-Vertrags hinaus. Grund dafür waren die NATO-Osterweiterung sowie US-amerikanische Militäreinsätze im Irak und im Kosovo. Schlussendlich ratifizierte Russland im Jahr 2000 den START-II-Vertrag nur unter der Bedingung, dass die USA im ABM-Vertrag verbleiben. Der Abrüstungszeitraum wurde bis zum Jahr 2007 erweitert.

Da die USA 2002 den ABM-Vertrag einseitig aufkündigten, wurde START II nie umgesetzt. Stattdessen vereinbarten beide Seiten auf Drängen Russlands im gleichen Jahr den Vertrag zur Reduzierung Strategischer Offensivwaffen (auf Englisch „Strategic Offensive Reductions Treaty“, kurz SORT), auch „Moskauer Abkommen“ genannt. Der Vertrag sah vor, die nuklearen Arsenale bis Ende 2012 auf jeweils 1.700 bis 2.200 einsatzfähige Gefechtsköpfe zu begrenzen. Allerdings waren keine gegenseitigen Inspektionen vorgesehen, und eingelagerte Sprengköpfe mussten nicht vernichtet und konnten reaktiviert werden. Grund dafür war, dass die USA unter der Präsidentschaft von George W. Bush ihre Flexibilität nicht eingrenzen wollten.

SORT wurde nie vollständig umgesetzt, da der Vertrag von START III, auch „New START“ genannt, 2010 abgelöst wurde. Der unter US-Präsident Barack Obama ausgehandelte Vertrag sah vor, die Atomsprengköpfe auf strategischen Trägersystemen (Interkontinentalraketen, U-Boot- gestützte Langstreckenraketen und Langstreckenbomber) auf insgesamt jeweils 1.550 sowie die Zahl der stationierten und nicht stationierten Interkontinentalraketen, U-Boot-gestützten Raketen und Langstreckenbomber auf insgesamt je 800 zu begrenzen. Die Umsetzung sollte bis 2018 erfolgen. Das Abkommen sollte bis 2021 gültig sein, mit einer Option auf Verlängerung um weitere fünf Jahre. Zudem sollten wieder gegenseitige Inspektionen erfolgen.

Der Vertrag wurde von beiden Seiten vollständig umgesetzt. Allerdings kündigte US-Präsident Donald Trump an, New START nicht verlängern zu wollen, wenn China nicht in den Vertrag einbezogen wird. Zudem veranlasste er 2020 den Austritt der USA aus dem 1992 zwischen den NATO- und ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten geschlossenen Vertrag über den Offenen Himmel (englisch „Treaty on Open Skies“). Dieser ermöglichte den Vertragspartnern, Aufklärungsflüge über den jeweils anderen Territorien durchzuführen, um die Einhaltung von Rüstungskontrollverträgen zu überprüfen. Als Reaktion darauf erfolgte 2021 Russlands Austritt aus dem Open-Skies-Vertrag.

Unter Präsident Joe Biden wurde New START 2021 auf Drängen Russlands um weitere fünf Jahre verlängert. Im August 2022 setzte die russische Regierung das Abkommen jedoch mit der Begründung aus, aufgrund der Sanktionen gegen Russland keine Inspekteure zur Waffenkontrolle in die USA fliegen zu können. Anfang 2023 verweigerte Russland den USA die Inspektion seiner Nuklearanlagen, und im März 2023 setzte die russische Regierung den New-START-Vertrag gänzlich aus. Im Juni 2023 entzogen die USA als Redaktion darauf den russischen Atominspektoren die Visa und hoben die Standardfreigabe für russische Flugzeuge im Luftraum der USA auf. Damit gibt es derzeit faktisch keine Kontrolle der Begrenzungen der nuklearen Rüstung zwischen diesen beiden größten Atommächten der Welt mehr.

Die Vereinigten Staaten sind das größte Risiko für eine friedliche Welt

Wenn man die detaillierte Geschichte der Abrüstungsverträge und deren Verhandlungsprozesse betrachtet, fällt ein Muster auf, das sich nur schwer übersehen lässt: Es waren stets die USA, die Rüstungskontrollverträge unterlaufen und damit eine Krise des gegenseitigen Vertrauens ausgelöst haben. Selbst die Kubakrise, welche die Abrüstungsverhandlungen ursprünglich in Gang gebracht hat, ist auf die vorangegangene Stationierung US-amerikanischer atomarer Mittelstreckenraketen in England, Italien und der Türkei sowie auf die versuchte Invasion Kubas durch die USA zurückzuführen. Schlussendlich sind auch die aktuellen westlichen Sanktionen gegen Russland, die zum Aussetzen des New-START-Vertrags geführt haben, zumindest aus der russischen Perspektive beispiellos. Als die USA und eine ganze Reihe weiterer NATO-Staaten 2003 in den Irak einmarschiert sind, hat Russland keine Sanktionen gegen die Aggressoren verhängt und den Irak nicht mit Waffen beliefert.

Auch die Rüstungsausgaben der derzeit vier größten Militärmächte beziehungsweise Militärbündnisse zeigen, dass es insbesondere die USA waren, die nach einer Phase der Entspannung nach dem Ende des Kalten Krieges wieder massiv aufgerüstet haben.

Abbildung 2: Rüstungsausgaben der aktuell größten Militärmächte bzw. -bündnisse, Datenquelle: Stockholm International Peace Research Institute

Bedenkt man zudem, dass insbesondere die Vereinigten Staaten und verbündete NATO-Staaten seit dem Ende des Kalten Krieges für völkerrechtlich äußerst fragwürdige Angriffskriege und militärische Einsätze wie in Serbien 1999, in Afghanistan 2001, im Irak 2003, in Libyen 2011 und in Syrien seit 2011 verantwortlich sind, fällt es nur schwer, nicht zu dem Schluss zu gelangen, dass die USA das größte Risiko für den Weltfrieden darstellen.

Das Leben auf der Erde ist immer noch von Atomwaffen bedroht

Die Rüstungskontrollverträge haben zwar zu einer Verringerung der einsatzbereiten Atomsprengköpfe geführt sowie das gegenseitige Vertrauen gestärkt und damit die Gefahr eines Atomkrieges zwischen den beiden größten Atommächten verringert, doch deren Waffenarsenal ist aktuell noch immer groß genug, um die Erde gleich mehrfach dauerhaft unbewohnbar zu machen.

Abbildung 3: Geschätzte Anzahl weltweiter Atomsprengköpfe 2023, Datenquelle: Federation of American Scientists

Geht man von einer durchschnittlichen Sprengkraft je strategischer Atomwaffe von 0,5 Megatonnen TNT-Äquivalent aus, dann sind aktuell immer noch circa 1.900 Megatonnen sofort einsatzbereit sowie weitere rund 4.300 Megatonnen zusätzlich verfügbar. Zur Erinnerung: 300 Megatonnen reichen aus, um sämtliche mittleren und großen Städte der Welt zu vernichten. Die Nuklearwaffen sind zudem nicht nur in den Ländern der Atommächte stationiert. Aufgrund der atomaren Teilhabe finden sich auch insgesamt 100 bis 150 Atombomben der USA mit jeweils bis zu 50 Kilotonnen Sprengkraft in Deutschland, Belgien, der Niederlande, Italien und der Türkei.

Welche apokalyptischen Folgen ein Atomkrieg haben kann, wird nur ansatzweise anhand der beiden Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki deutlich, da diese beiden Kernwaffen gerade einmal über eine Sprengkraft von 15 beziehungsweise 20 Kilotonnen TNT-Äquivalent verfügten. Aktuelle strategische Atomsprengköpfe entwickeln hingegen eine Sprengkraft zwischen 100 Kilotonnen und mehreren Megatonnen. Zudem sind so viele davon verfügbar, dass bei ihrem Einsatz nicht nur ihre unmittelbaren Ziele betroffen wären. Aufgrund des nuklearen Fallouts, der Kontamination von Wasser und Nahrungsgrundlagen sowie der Folgen der Explosionen für das Erdklima könnte die ganze Welt für den Menschen sowie viele Tiere und Pflanzen unbewohnbar werden.

Die Arbeitsgemeinschaft Frieden e.V. hat die Folgen eines weltweiten Atomkrieges detailliert beschrieben. Auf dem Höhepunkt der nuklearen Rüstung Mitte der 1980er-Jahre hat auch die Kulturindustrie mit Film- und Fernsehproduktionen wie „The Day After“ aus den USA oder „Threads“ aus Großbritannien die Menschen über die katastrophalen Auswirkungen eines Atomkrieges aufgeklärt. Selbst ein nur regional begrenzter Atomkrieg, in dem lediglich drei Prozent der weltweit stationierten Atomwaffen eingesetzt werden, könnte aufgrund dessen Auswirkungen auf das Erdklima zum Tod von bis zu einem Drittel der Menschheit führen, wie eine aktuelle Studie der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) zeigt.

Angesichts der horrenden Konsequenzen eines direkten militärischen Konflikts zwischen den beiden größten Atommächten USA und Russland müsste man politisch Verantwortliche, die eine derartige Option zumindest nicht ausschließen, im Grunde für verrückt erklären.

Ein neuer Kalter Krieg

Auch wenn viele westliche Politiker behaupten, bei dem russisch-ukrainischen Krieg würde man lediglich die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung gegen den Aggressor Russland unterstützen, entspricht dieser Konflikt aufgrund des vorangegangenen Bürgerkriegs zwischen Russisch sprechenden und russischstämmigen Ostukrainern auf der einen und der offiziellen ukrainischen Armee auf der anderen Seite sowie den westlichen Interessen, die Ukraine in die EU und die NATO aufzunehmen, im Grunde genau der Definition, die dem Vietnamkrieg als Erstem die Bezeichnung „Stellvertreterkrieg“ verliehen hat. In dem aktuellen Fall sind lediglich die Rollen vertauscht. Der Westen liefert Waffen, Ausrüstung und Geld, und Russland ist mit eigenen Streitkräften an dem Konflikt beteiligt.

Das Ende der Rüstungskontrollen, ein weltweiter Anstieg der Militärausgaben, die Missachtung des Völkerrechts auf der Seite der NATO-Staaten und Russlands sowie neue heiße Kriege an den Nahtstellen der Einflussgebiete des Westens auf der einen und eine sich abzeichnende Allianz zwischen Russland, China und eventuell weiteren BRICS-plus-Staaten auf der anderen Seite sind Anzeichen für einen neuen Kalten Krieg, der sich jederzeit zu einem Weltkrieg mit dem Einsatz von Atomwaffen entzünden kann. Sowohl Russlands Präsident Putin als auch US-Präsident Biden haben bereits offen mit dem Einsatz ihres nuklearen Arsenals gedroht.

Es bedarf einer neuen Entspannungspolitik in Europa

Auf die brandgefährlichen Krisen im Ost-West-Konflikt des 20. Jahrhunderts hat die deutsche Regierung unter Bundeskanzler Willy Brandt mit Entspannungspolitik reagiert. Diese hat letztendlich den Weg zu den Ostverträgen, zur Wiedervereinigung Deutschlands sowie zur Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und zum Ende des Kalten Krieges geebnet. Es war mutige europäische Außenpolitik, zum Teil auch gegen die US-amerikanischen Interessen, die den Grundstein für die Annäherung zwischen den beiden Supermächten USA und UdSSR sowie die nukleare Abrüstung gelegt hat.

Angesichts der Erfahrungen aus dem Kalten Krieg ist es für Europa fatal, blind der Eskalationspolitik der aktuellen US-Regierung im Krieg in der Ukraine zu folgen. Doch genau dies ist sowohl auf der Führungsebene der EU als auch auf der Ebene vieler europäischer Regierungen, allen voran der deutschen, der Fall. Wäre es aufgrund der Hunderttausenden toten ukrainischen und russischen Soldaten nicht so makaber, müsste man es einen Treppenwitz der Geschichte nennen, dass ausgerechnet die Partei der Grünen derzeit wie kaum eine andere in Deutschland an der Eskalationsschraube dreht.

Haltungen der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien zu den Waffenlieferungen in die Ukraine und den Sanktionen gegen Russland

Betrachtet man die Aussagen und das Handeln der führenden Politiker der Ampelkoalition im Kontext des Krieges in der Ukraine, sind auf derzeitiger Regierungsebene weit und breit keine Anzeichen für eine Entspannungspolitik zu erkennen. Um den sich erkennbar anbahnenden neuen Kalten Krieg mit Russland und eventuell auch China noch zu verhindern und die Gefahren eines weltweiten Atomkrieges zu verringern, bedarf es jedoch dringend einer deutlichen Abwendung von dem Konfrontationskurs mit Russland. Es stellt sich daher die Frage, wie sich die derzeit im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien zu den Waffenlieferungen in die Ukraine, den Sanktionen gegen Russland und einer generellen Abrüstung positionieren.

Im Grunde bekennt sich nur die Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) explizit in ihrem Partei- und Wahlprogramm zur Entspannungspolitik Willy Brandts und zu einem Ende der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine als Voraussetzung für Friedensverhandlungen. Zudem fordert sie einen Abbau der Sanktionen, um „den Zugang zu den Rohstoffen und Energieträgern Russlands und Zentralasiens“ zu ermöglichen sowie „den Ausbau der Überland-Handelswege zu den Wachstumsregionen Asiens“ offen zu halten. Des Weiteren fordert sie eine Abrüstung der EU sowie den Abzug amerikanischer Atomwaffen aus allen EU-Mitgliedstaaten.

Die Partei „Die Linke“ spricht sich in ihrem Wahlprogramm für die anstehende Europawahl generell für ein Ende von Waffenexporten und eine europäische Abrüstung aus. Bezogen auf den Konflikt in der Ukraine fordert sie jedoch den Rückzug der russischen Truppen und die Wiederherstellung der territorialen Souveränität der Ukraine. Zudem unterstellt sie dem aktuellen russischen Präsidenten „imperialistische Aggression“, fordert gezielte Sanktionen gegen „Putins Machtapparat“ und will den Widerstand in Russland gegen „Krieg und Diktatur“ unterstützen. Zudem soll die EU aus Sicht der Partei die „Sanktionen gegen den russischen Machtapparat, die Oligarch*innen und den militärisch-industriellen Komplex konsequent durchsetzen“. Diese aggressive außenpolitische Haltung gegenüber Russland steht in deutlichem Gegensatz zu dem Slogan „Zeit für Frieden“ auf dem Cover des Wahlprogramms.

Die Partei „Alternative für Deutschland“ will gemäß ihres Europawahlprogramms vor dem Hintergrund der „Wiederherstellung des ungestörten Handels mit Russland“ „mit diplomatischen Mitteln auf eine Beendigung des Krieges“ hinwirken und so für „friedliche deutsch-russische Beziehungen“ sorgen. In diesem Kontext setzt sie sich auch für ein Ende der Sanktionen gegen Russland und eine Instandsetzung der Nord-Stream-Pipelines ein. Allerdings bekennt sich die AfD klar zur NATO und will die Bundeswehr zum Zwecke der Landesverteidigung und der Sicherung der Handelswege aufrüsten. Damit wird die Absicht der Partei deutlich, politische und wirtschaftliche Interessen im Ausland notfalls auch mit militärischer Gewalt durchzusetzen.

Mit der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin sowie dem ehemaligen Vorsitzenden der Atlantik-Brücke und Aufsichtsratsvorsitzenden von BlackRock Deutschland, dem derzeitigen CDU-Chef und Oppositionsführer im Bundestag Friedrich Merz, ist von den Unionsparteien kaum eine von den Parteien der Ampelkoalition abweichende Haltung zu den Waffenlieferungen in die Ukraine und den Sanktionen gegen Russland zu erwarten. Im Gegenteil, die Tatsache, dass Merz keine Angst vor den Warnungen Russlands vor dem Einsatz seines nuklearen Arsenals hat, disqualifiziert ihn im Grunde von dem Posten eines möglichen neuen Regierungschefs, der die Befürchtungen von großen Teilen der Bevölkerung vor einem Atomkrieg ernst nimmt. Zudem stellt sich die Frage, wie seine Behauptung im Kontext der Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine „Wir wollen keine Ausweitung des Kriegs“ zu der quasi im selben Atemzug gemachten Äußerung „Wir wollen, dass mit diesen Waffen der Angriff Putins gestoppt wird“ logisch zusammenpasst. Auch der CSU-Vorsitzende Markus Söder hat sich wiederholt vehement für Waffenlieferungen in die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland ausgesprochen.

Schlussbemerkung

Auch wenn wir uns seit dem Zeitalter der Aufklärung einreden (lassen), vornehmlich auf der Basis rationaler Entscheidungen zu handeln, dürfen wir Menschen nicht vergessen, dass wir in vielen Situationen instinktgesteuert agieren. Allein anhand der Funktionsweise von Produktwerbung lässt sich zeigen, wie einfach man durch die gezielte Ansprache der Instinkte unser rationales Denkvermögen lahmlegen kann. Risiken nehmen wir aus diesem Grund nur dann deutlich wahr, wenn sie uns unmittelbar bedrohen. Zudem erscheint eine Bedrohung weniger riskant, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht eingetreten ist.

Ein Atomkrieg ist noch immer die aktuell größte und naheliegendste Bedrohung für die Existenz der menschlichen Spezies und derjenigen fast aller anderen Lebewesen und Pflanzen auf der Erde. Eine Politik, die nicht alles unternimmt, diese Gefahr mit friedlichen Mitteln zu reduzieren, und stattdessen politische, wirtschaftliche und militärische Eskalationen zwischen Atommächten in Form von Sanktionen gegen politische Entscheidungsträger, Wirtschaftssanktionen und Waffenlieferungen in einem Stellvertreterkrieg vorantreibt, führt die Welt geradewegs in einen neuen Kalten Krieg und eine erneute Rüstungsspirale – Ausgang ungewiss.

Titelbild: Regina Erofeeva/shutterstock.com