Präzedenzfall: Richter in Brüssel ordnet Stopp von allen Waffenlieferungen an Israel an

Präzedenzfall: Richter in Brüssel ordnet Stopp von allen Waffenlieferungen an Israel an

Präzedenzfall: Richter in Brüssel ordnet Stopp von allen Waffenlieferungen an Israel an

Ein Artikel von Marc Vandepitte

Ein beispielloses Urteil eines Brüsseler Gerichts ordnete nicht nur an, dass die flämische Regierung eine bestimmte, für Israel bestimmte Lieferung von militärischer Ausrüstung stoppen muss, sondern verbot auch jede weitere Lieferung von Waffen in dieses Land. Das Urteil stellt einen Präzedenzfall dar, der in vielen anderen Ländern angewendet werden könnte. Von Marc Vandepitte.

Das Brüsseler Gericht erster Instanz hat die flämische Regierung angewiesen, einen für Israel bestimmten Container mit militärischer Ausrüstung sofort zu stoppen und jede weitere Waffenlieferung nach Israel zu verbieten.

Der Richter kam zu dem Schluss, dass Flandern – eine Region im Norden Belgiens – gegen seine Verpflichtungen im Rahmen der Waffengesetzgebung und internationaler Verträge verstößt, und verhängte ein Zwangsgeld für jede Lieferung, die noch erlaubt wird. Er gab vier flämischen Nichtregierungsorganisationen, die die Klage eingereicht hatten, in allen Punkten recht.

Der betreffende Container befindet sich im Hafen von Antwerpen. Er enthält Kegelrollenlager, die von der Firma Timken über eine französische Tochtergesellschaft hergestellt werden. Sie sind für Ashot Ashkelon Industries bestimmt, ein israelisches Rüstungsunternehmen. Es liefert Teile für Merkava-Panzer und Namer-Panzerfahrzeuge. Nach Angaben der klagenden Organisationen werden beide täglich in Gaza eingesetzt.

Das Gerichtsurteil verbietet es der flämischen Regierung, weitere Transfers nach Israel zu genehmigen.

Seit 2009 gibt es eine Vereinbarung, keine Waffen nach Israel zu exportieren, die dessen Streitkräfte stärken könnten, aber in der Praxis wurde dies systematisch ignoriert.

Um die Einhaltung des Urteils zu garantieren, verhängt das Gericht eine Geldstrafe von 50.000 Euro für jede Lieferung, die weiterhin nach Israel genehmigt wird.

Exporte können nur dann genehmigt werden, wenn die flämische Regierung den Nachweis erbringt, dass die Produkte für zivile Zwecke verwendet werden. Laut der Rechtsanwältin Lies Michielsen vom PROGRESS Lawyers Network, die den Fall vertritt, bedeutet das Urteil, dass die Regierung den endgültigen Verwendungszweck des nach Israel exportierten Materials aktiv überprüfen muss.

Bedeutung

Diese Entscheidung ist sehr wichtig, weil das Gericht bestätigt, dass es illegal ist, die Lieferung von Waffen an einen Staat zu ermöglichen, der Kriegsverbrechen oder sogar Völkermord begeht.

„Das Gericht bestätigt, was Politiker sich weigern, anzuerkennen“, sagt Fien De Meyer von der Liga für Menschenrechte.

Dies bedeutet das Ende der Straffreiheit: Regierungen können nicht länger wegschauen, während ihre Waffen für Gräueltaten eingesetzt werden.

Das Urteil schafft einen juristischen Präzedenzfall, der Regierungen zwingt, Verantwortung zu übernehmen. Es wird erwartet, dass ähnliche Klagen in anderen Ländern folgen werden.

Folgemaßnahmen

Fast zur gleichen Zeit wurde in Belgien eine weitere Klage eingereicht, diesmal gegen die Bundesregierung. Eine Gruppe macht Belgien für seine passive Mitschuld am Völkermord in Gaza verantwortlich.

Die Initiative wird von einem palästinensischen Bürger, mehreren belgischen NGOs und einer Juristin unterstützt. Sie fordern, dass Belgien alle Militärlieferungen an Israel stoppt, Importe aus den besetzten palästinensischen Gebieten konfisziert, Investitionen in diesen Gebieten blockiert und das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Israel aussetzt.

Den Klägern zufolge ist die Untätigkeit Belgiens sowohl moralisch als auch rechtlich inakzeptabel. Die Klage wird von Künstlern und Intellektuellen unterstützt, die Mittel zur Deckung der Prozesskosten sammeln.

Auf europäischer Ebene werden ebenfalls Maßnahmen ergriffen. Die juristische Nichtregierungsorganisation JURDI hat die EU-Kommission und den EU-Rat wegen ihrer „Fahrlässigkeit“ angesichts der Gewalt in Gaza vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Zum ersten Mal in der Geschichte werden diese beiden mächtigen Institutionen verklagt, weil sie ihren rechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind.

Die Organisation beruft sich auf Artikel 265 des EU-Vertrags, der Sanktionen für die Untätigkeit von Institutionen vorsieht. Nach Ansicht der NGO legen die europäischen Institutionen doppelte Maßstäbe an: Sie haben Russland hart sanktioniert, aber Israel nicht, trotz dokumentierter schwerer Menschenrechtsverletzungen.

JURDI fordert unter anderem die Aussetzung des EU-Israel-Abkommens, die Einstellung der Subventionen sowie Sanktionen gegen israelische Regierungsvertreter. Die Klage argumentiert, dass die EU rechtlich und moralisch verpflichtet ist, zu handeln, und weist darauf hin, dass auch führende europäische Politiker wegen Beihilfe zum Völkermord strafrechtlich verfolgt werden könnten.

Mittäterschaft

In diesen Fällen ist folgende Frage von grundlegender Bedeutung: Ist ein Land als Drittpartei oder, im weiteren Sinne, die Europäische Kommission rechtlich verpflichtet, Völkermord an einem anderen Ort zu verhindern? Nach der Völkermordkonvention ja. Laut diesem Vertrag muss jedes Land nicht nur bestrafen, sondern auch aktiv vorbeugen.

Im Januar forderte der Internationale Gerichtshof Israel bereits auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um einen Völkermord zu verhindern. Aber gilt diese Verpflichtung auch für Länder wie Belgien, die nicht direkt beteiligt sind?

Laut 18 führenden belgischen Juristen: ja. In einem Brief weisen sie darauf hin, dass ein Land wie Belgien Gefahr läuft, vor den Internationalen Gerichtshof gebracht zu werden, wenn es weiterhin zur Situation in Gaza schweigt. Untätigkeit kann rechtlich als Mittäterschaft gewertet werden.

Die Juristen fordern Sanktionen gegen Israel und sind der Meinung, dass die Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel das Mindeste ist, was getan werden muss. Die Länder verstecken sich nur allzu oft hinter diplomatischer Zurückhaltung, aber eine solche Haltung ist rechtlich und moralisch nicht mehr haltbar, argumentieren sie. Nur konkrete Taten, nicht Worte, könnten die Glaubwürdigkeit Belgiens und der EU retten.

Keine Ruhepause

Das in Flandern erzielte Urteil und andere laufende Klagen stellen einen qualitativen Sprung im Kampf gegen den Völkermord dar. Aber dieser Kampf ist noch lange nicht vorbei. Völkermord macht keine Pause. Während die Politiker zögern, leidet die Bevölkerung von Gaza.

Jetzt ist es an der Zeit, den Druck aufrechtzuerhalten und zu verstärken. Auch in anderen Ländern müssen Klagen eingereicht werden. Zu den wichtigsten Forderungen gehören die sofortige Umsetzung des Waffenexportverbots, volle Transparenz bei der Ausfuhr von Rüstungsgütern und die strafrechtliche Verfolgung derjenigen, die an diesen Verbrechen beteiligt sind.

Derartige Forderungen sind sehr wichtig, aber sie reichen sicher nicht aus, um die Massaker in Gaza zu beenden. Durch Massenproteste und Solidaritätsaktionen muss Druck auf die politisch Verantwortlichen in aller Welt ausgeübt werden.

Die palästinensischen Widerstandsbewegungen in Gaza haben deshalb einen gemeinsamen Aufruf zu einer weltweiten Mobilisierung ab dem 20. Juli 2025 gestartet, um die Bevölkerung von Gaza zu retten vor dem durch die israelische Besatzung verursachten Völkermord, Hunger und Durst.

Sie prangern das internationale Schweigen an und rufen Länder und Bürger in aller Welt dazu auf, auf die Straße zu gehen und zu handeln, um den Völkermord zu stoppen.

Der Artikel erschien im spanischen Original bei Rebelión – aus dem Spanischen übersetzt von Marta Andujo.

Titelbild: Shutterstock / Zerbor