Leserbriefe zu Themen und Artikeln der letzten Woche

Ein Artikel von:

Nachfolgend veröffentlichen wir Leserbriefe zu einer bemerkenswerten Studie, zum Artikel “Man mische drei Denkfehler, rühre kräftig und heraus kommt ein jährlicher Zuwanderungsbedarf von mehr als einer Viertelmillion“, zu Venezuela, und zur Rolle der kanadischen Wälder im CO² Haushalt der Erde. Zusammengestellt von Moritz Müller.

Zur Studie über die Landtagswahl in Bayern

1. Leserbrief

Hallo liebes Team der Nachdenkseiten,

beim Überfliegen der heutigen Tagesschau-Seite fiel mir ein Bericht des Faktenfinders auf, der mir von Anfang an Bauchschmerzen bereitete.

Es geht dort um die angebliche Beeinflussung der Wahl in Bayern durch rechtsradikale Gruppen. Britische Forscher des sogenannten Institute for Strategic Dialogue wollen ein Netzwerk analysiert haben, welches gezielt die Wahlen in Bayern manipulieren will. Doch ein Satz in dem Artikel des faktenfinders sollte alle Alarmglocken losgehen lassen, dass an diesem Beitrag irgendwas faul ist. Die Studie des ISD (The Battle for Bavaria) soll bei der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt werden. Allein das ist schon sehr bemerkenswert, aber wenn man sich anschaut, wer zum Stab des ISD gehört, könnte man durchaus auf die Idee kommen, die Strategie hinter dem Papier ist eine andere als das was der Faktenfinder Patrick Gensing vorgibt:

  • Matthias Döpfner von Springer
  • Karl Theodor zu Guttenberg
  • Wolfgang Ischinger
  • Roland Berger
  • Charles Guthrie
  • u.a.

Das sind Personen der Führungselite mit Verbindungen zum Militär und zu den Geheimdiensten! Diese Personen sind mit Sicherheit nicht als neutral einzustufen, sondern im hohen Maße befangen. Und da stellt sich die Frage, welchem Zweck dient wirklich dieses Schreiben und somit der Beitrag des Faktenfinders. Soll der Fokus auf ominöse Rechtsradikale gelenkt werden, die nicht richtig greifbar sind, die, um eine Verschwörungstheorie zu bemühen, Verbindungen zu russischen Stellen hat?

Die ganze Geschichte mit diesem Netzwerk wird meines Erachtens mysteriöser, wenn man sich vor Augen hält, aus welchem Dunstkreis, aus welchem Personenkreis dieses Papier kommt. Aber all das wird beim Faktenfinder nicht thematisiert, was meiner Meinung nach für eine Manipulation spricht.

Viele Grüße
Torsten Miertsch


Leserbriefe zu: Man mische drei Denkfehler, rühre kräftig und heraus kommt ein jährlicher Zuwanderungsbedarf von mehr als einer Viertelmillion

2. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

vielen Dank für ihren wieder einmal fundamentalen Einspruch gegen den herrschenden neoliberal-euphemistischen Neusprech vom „Arbeitskräftemangel“. Ganz wichtig finde ich in dem Zusammenhang auch ihren Hinweis am Ende, wie sehr wir alle inzwischen durch die kapitalistische Gehirnwäsche indoktriniert sind.
Es erinnert z.T. frappant an die Hexenjagden des späten Mittelalters, als die religiöse Indoktrination die Menschen in Massen dazu brachte, Frauen zu verbrennen, im kollektiven Wahn, es handele sich um Gefährtinnen des Teufels. Und auch damals wurde dieses Brainwashing ja gezielt im Interesse einer herrschenden Klientel eingesetzt.

Ich glaube die letztlich entscheidende Frage ist und bleibt daher mehr denn je die Verteilungsfrage: die „Arbeitgeber“ werden ihre Interessen weiterhin brutal verfolgen; sie werden versuchen, den Druck auf die Löhne so lange es geht durch Migration zu erhöhen, gleichzeitig werden sie vehement an Techniken forschen, die immer mehr menschliche Arbeitskraft ersetzbar machen. Und sie werden je nach Situation, billige, per Gesetz zur Arbeit genötigte, Menschen aus dem In- und Ausland einsetzen, oder aber Roboter und KI, sobald diese noch günstiger sind, als die niedrigsten, erpressbaren Arbeitskosten.

Die Zusatzprofite aus diesem Prozess verbleiben ausschließlich in den Taschen der Kapitalisten, da sie diese ja auch stets kreativ dem staatlichen Zugriff durch Steuern entziehen. Vielen Menschen wird als letzte Zuflucht noch der Gang in die totale Selbstausbeutung als Schein- und Kleinstselbständige bleiben, völlig ohne soziale Absicherung.

Einen Ausweg aus dieser Katastrophe weist Professor Bontrup in seinem Vortrag “Lebendige Arbeit und Kapital – über die Abhängigkeit beider Faktoren“ auf. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer muss endlich der des Kapitals gleichgestellt, ja eigentlich sogar über sie gestellt werden. Die arbeitenden Menschen müssen selbst über die Verteilung des von ihnen erwirtschafteten Wohlstands entscheiden. Der Anteil der Manager und Kapitalgeber muss auf ein angemessenes Maß reduziert werden.
Wenn sich dann Produktivitätsgewinne durch den Einsatz von Maschinen und KI ergeben, gelangen endlich alle in den Genuss der von Rifkin (und ja auch schon von Keynes in dn 20ern) prognostizierten Welt, in der die Roboter den Großteil der Arbeit übernehmen – nämlich über Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!

Jetzt ist es „nur noch“ ihre Aufgabe als Publizist, die Menschen davon zu überzeugen und sie im Widerstand und im Kampf um ihre Rechte zu unterstützen, bis diese Ziele erreicht sind.

Mit freundlichem Gruß aus Taufkirchen

Martin Sutor


3. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

Sie schreiben:

… dafür schafft die Digitalisierung neue Jobs vor allem im Dienstleistungsbereich, die weitaus anspruchsvoller als die durch die Technik verdrängten Jobs sind. Das ist unstrittig. …

Diese Feststellung möchte ich etwas relativieren. Ich habe viele Jahre bei der Agentur für Arbeit gearbeitet und die Umstellung der Vermittlung von „analog“ zu „digital“ hautnah miterlebt. Wo früher die Vermittler (vor allem Quereinsteiger) monatelang geschult wurden (Gesetzliche Grundlagen, Gesprächsführung, Arbeitsmarktstruktur  etc.) und eine umfangreiche Abschlussprüfung ablegen mussten, ist all dies seit der Digitalisierung nicht mehr notwendig. Man wird nur noch kurze Zeit in der Anwendung eines entsprechenden Programms geschult (was jeder normale Windows-Anwender problemlos bewältigt) und schon hat man die notwendige Qualifikation. Auf diese Weise sind auch sachgrundlose Befristungen von relativ kurzer Dauer möglich und selbständiges Denken und Urteilen sind nur noch als Anhängsel des Programmes erforderlich. Das ist keine Erfindung von mir, sondern wurde bereits vor ca. 10 Jahren durch eine Untersuchung des IAB bemängelt.

Digitalisierung im Dienstleistungssektor kann also auch zu einem Verlust von Qualifikation führen.

Mit freundlichem Gruß
E. S.



4. Leserbrief

Sehr geschätzte Nachdenkseiten-Macher/innen,

dem Artikel von Jens Berger kann ich, insbesondere in seiner Schlussfolgerung, nur zustimmen: Reinste Propaganda für die Unternehmerverbände, prominent verbreitet von Tagesschau, Heute und den “grossen” Zeitungen.

Allerdings finde ich 2-3 Sachen in diesem Zusammenhang noch wichtig:

  1. Der Arbeitsmarkt ist eben kein “normaler” Markt (oder, wie Prof. Flassbeck immer sagt, “kein Kartoffelmarkt”), sondern ein hoch asymmetrisches Geschehen. Während die meisten Menschen eine Erwerbsarbeit ausführen müssen, um überhaupt ein Auskommen zu haben, kann der Unternehmer eine (vorübergehend oder auch langfristig) unbesetzte Stelle leicht verschmerzen – es senkt halt’ das Unternehmensergebnis etwas, möglicherweise nur um Zehntel Promille. Der Arbeitnehmer aber befindet sich in dem, was Heinrich Böll so treffend Erwerbsnotstand nannte. Und wenn keine andere Stelle (Gewerkschaften, der Staat) seinen Lohnforderungen Gewicht verleiht, dann muss er sinkende Löhne hinnehmen.
  2. Implizit akzeptiert Herr Berger die im Bertelsmann-Papier ja mit transportierte Grundidee, dass ein Unternehmen oder auch die Gesamtheit aller Unternehmen eines Staates einen Anspruch auf einen konstanten Umsatzbetrag oder gar einen konstant zunehmenden Umsatzbetrag habe – also plakativ “wenn VW in 2025 nicht mehr denselben Umsatz wie in 2018 macht, ist die Katastrphe da“.

    Zur Illustrierung ein etwas schräges Beispiel: Nehmen wir an, die deutsche Industrie wäre im wesentlichen damit beschäftigt, den Bedarf der Deutschen an Toastern zu decken. Der Einfachheit halber nehmen wir weiter an, dass jeder Deutsche jedes Jahr einen neuen Toaster benötigt. Bei 80 Millionen Deutschen produzierte die deutsche Industrie also 80 Millionen Toaster pro Jahr und würde eine entsprechende Anzahl von Arbeitskräften beschäftigen. Dann kommt plötzlich die “demografische Katastrophe”, und 10 Millionen Deutsche sind irgendwie “weg” (gestorben, nicht mehr nachgeboren, nach Thailand umgezogen…). Dann wird die Industrie nur noch 70 Millionen Toaster verkaufen können, und also entsprechend Arbeitskräfte entlassen müssen? In Wirklichkeit muss sie gar keinen entlassen, denn die Leute – das war ja die Prämisse – sind ja schon weg.

    Und auch für die Restbelegschaft der Toaster-Unternehmen ändert sich wenig, sie schrauben immer noch genauso viele Toaster pro Person zusammen und erhalten (oder sollten erhalten) den gleichen Lohn. Oder – jetzt wieder ernsthaft – das BIP pro Kopf ändert sich nicht.

    Es gibt aber natürlich Leute, die so ein Szenario fürchten müssen. Die “schrumpfende” Fabrik bedeutet schrumpfenden Umsatz, schrumpfenden Profit und – da meist an die (absolute) Ertragslage gekoppelt – auch schrumpfende Managergehälter. Also die Winterkorns und Henkels, die Piechs, Quandts und Klattens hätten Einbussen hinzunehmen. Das mag persönlich tragisch sein (leider fehlt mir das Einfühlungsvermögen, um etwa die Seelenlage von Frau Klatten auszuloten) – aber eine nationale Katastrophe, die staatlichen Eingriff erforderte, ist das nun einmal nicht.

    Im Gegenteil wäre es nur die Umsetzung der Schumpeter’schen Formel von der “kreativen Zerstörung”: Wenn weniger Toaster, aber dafür mehr Stützstrümpfe benötigt werden, dann setzt “der Markt” das eben im Extremfall mit der Pleite des Toasterproduzenten und der “Hausse” des Strumpfproduzenten um.

    Ii der realen Wirtschaft des 21. Jahrhunderts gibt es eh’ schon andere Ausgleichprozesse: Wenn in Wolfsburg nicht mehr genügend “Golfs” wegen “Facharbeitermangel” hergestellt werden könnten, so würde VW vermutlich die spanische Version des Golfs (den “Leon”) in den dortigen Werken erhöht fertigen lassen. Was, wenn es dann wirklich zu Neueinstellungen führen würde, ja auch besser wäre, als die spanischen Facharbeiter nach Deutschland “abzusaugen”.

  3. Da war zwar nicht Herrn Bergers Thema, gehört aber m.E. trotzdem dazu:

    Es kommt doch auch darauf an, was da produziert wird. Im Jahre 1944 waren alle BMW-Fabriken bis zum Anschlag ausgelastet mit der Produktion von Flugmotoren (die, als technik-affiner kann ich das sagen, beeindruckend waren). Weil wir Deutschen so schrecklich stolz auf unsere damit ausgerüsteten Flugzeuge waren, haben wir sie über die Hauptstädte Europas fliegen lassen, und dabei haben sie gleich andere deutsche Qualitätsprodukte namens “Bomben” abgeworfen. Nur waren aber die Konkurrenz-Fabriken namens Bristol, Rolls-Royce, Wright und Lycoming nicht untätig, und die Bomber der Allierten warfen zunehmend auf deutsche Städte ihre Bomben ab, mit den allzu bekannten Folgen.

    Obwohl doch 1944 unzweifelhaft Vollbeschäftigung herrschte und man sogar noch “Fremdarbeiter”, Kriegsgefangene und KZ-Sklaven rekrutieren musste, dürften die meisten Deutschen mit der Lage, die dann 10 Jahre später (1954) herrschte, doch zufriedener gewesen sein. In den BMW-Werken wurden nicht mehr Grossmotoren hergestellt, sondern man presste Kochtöpfe und versuchte sich an der Fertigung von Kleinstwagen – aber es fielen eben keine Bomben mehr, und man konnte sich zivilen “Projekten” wie Familiengründung zuwenden.

Also: Lasst Krauss-Maffei-Wegmann wieder Lokomotiven statt Panzern bauen, löst Airbus Defense auf etc.

Mit freundlichen Grüssen
p.schulz


5. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten,

ich beziehe mich auf den Artikel: “Man mische drei Denkfehler, rühre kräftig und heraus kommt ein jährlicher Zuwanderungsbedarf von mehr als einer Viertelmillion”

Vorweg: Die Nachdenkseiten widmen sich mit konstant hoher Qualität den Theman “Fachkräftemangel”,  “Digitalisierung” und “demografischer Wandel”. Im publizistischen Bereich hat sich hier wohl niemand so verdient gemacht wie ihr. Vielen Dank! Jens Berger gehörte auch beim o.g. Artikel zu einer viel zu kleinen Schar Journalisten, die sich tatsächlich mit den Prämissen dieser lächerlichen Studie befasst hat.

Trotzdem hat sich hier ein populärer Denkfehler eingeschlichen: Die Behauptung, die Digitalisierung bedrohe nur “einfache Tätigkeiten” und die “eher anspruchslosen Jobs” (im Original leider fett gedruckt!) ist nicht haltbar. Der Denkfehler steht auch im Widerspruch zur späteren -richtigen!- Aussage, wonach Unternehmer logischerweise zuerst versuchen, teure Tätigkeiten weg zu rationalisieren.

Bei der Rationalisierung ist es gleichgültig, ob eine Tätigkeit einfach, anspruchslos oder stupide ist. Was zählt ist, was sie kostet und was es kostet, die Tätigkeit zu ersetzen. Zum Beleg reicht ein Blick in die Vergangenheit. Noch vor 150 Jahren hatte jedes größere Dorf einen Schmied. Dieser musste über das Wissen und die Fähigkeit verfügen, einen Großteil der metallenen Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs herstellen oder reparieren zu können. Diese Menschen mussten über ein immenses Fachwissen verfügen. Heute gibt es keine kommerziellen Dorfschmiede mehr. Dasselbe gilt zB für Küfner oder Wagner.

Ein größerer Teil der Arbeitsplätze, die in den nächsten 20 Jahren wegfallen werden, werden aller Wahrscheinlichkeit nach Büro-Arbeitsplätze sein. Die betroffenen Angestellten üben nach ihrer Selbstwahrnehmung keine anspruchslosen Tätigkeiten aus, sind aber durch immer bessere, selbst lernende Programme zu ersetzen. Bei fortschreitender KI verbleiben letztlich immer weniger Berufe, die nicht durch Programme und angeschlossene Automatisierung ersetzt werden können. Ein Beispiel.

Auch der Ausdruck

Ich schreibe das nicht aus Pendanterie, sondern weil ich meine, dass der Mythos der Ersetzung “einfacher Tätigkeiten” von interessierter Seite genau so absichtsvoll verbreitet wird wie der vom “Facharbeitermangel”. Das Framing der “einfachen Tätigkeiten” erinnert an Arbeiter, die an Fließbändern den ganzen Tag die selben drei Bewegungen machen. Dieses Vorstellung beruhigt. Zum einen scheint die Rationalisierung solcher Arbeitsplätze für die Betroffenen eher wie eine Befreiung von allzu stupider Arbeit. Zum anderen weiß der geneigte Bildungsbürger, dass er selbst nicht von solchen Rationalisierungen betroffen sein wird.

Solche Industriearbeitsplätze wie sie in diesem Framing transportiert werden gibt es aber in entwickelten Ländern nicht mehr. Die heutige Produktion ist bereits weitgehend automatisiert, die Einsparmöglichkeiten sind überschaubar. Das Bild, das sich die meisten von Rationalisierung machen, beruht noch auf der letzten Rationalisierungswelle: Der Industrie 3.0.

Da sich die meisten Menschen selbst für sehr qualifiziert halten, wirkt die Vorstellung einer Rationalisierung weniger qualifizierter Tätigkeiten für diese Menschen auch nicht bedrohlich. Sie werden so eingelullt. Denn wie beim angeblichen “Facharbeitermangel” geht es auch hier um Verteilungsfragen: Wird die Bevölkerung an den Gewinnen aus Produktivitätssteigerungen beteiligt, oder nicht.

Den Hinweis, das Bildungssystem solle für die digitale Arbeitswelt “fit” machen empfinde ich da ebenfalls als nicht hilfreich. Man macht sich nicht mal eben “fit” für die Digitalisierung. Was soll das bedeuten? Die Masse der Menschen hat nicht mal eine vage Vorstellung davon, was Digitalisierung für sie bedeutet. Die meinen, seien “fit” wenn sie Twitter oder Excel bedienen können. Das ist Arge-Sprech, der dem sonst hohen Qualitätsanspruch der Nachdenkseiten nicht gerecht wird.

Berger scheint selbstverständlich von Jobs auszugehen, “die in einer digitalisierten Welt entstehen”: “dafür schafft die Digitalisierung neue Jobs vor allem im Dienstleistungsbereich. Das ist unstrittig”. Das ist nicht unstrittig, sondern eine steile These. Was sollen das für Jobs sein? Soll jeder Schulabgänger Programmierer werden? Auch im Dienstleistungsbereich werden viele Jobs wegfallen, zB Fernkraftfahrer.

Die Nachdenkseiten sind doch sonst -richtigerweise!- der Nachfrageorientierten Ökonomie verschrieben. Man kann nicht einerseits von einem Jobwunder im Dienstleistungsbereich ausgehen und gleichzeitig die Verteilungsfrage ausklammern. Für wen sollen denn all die Menschen Dienstleistungen erbringen? Für die Arbeitslosen, deren Jobs gerade weggefallen sind? Wird von der Politik nicht gegengesteuert, wird es bei der Digitalisierung nur wenige Gewinner geben. Diese wenigen Gewinner werden keine gewaltige Nachfrage nach Dienstleistungen schaffen. Wie meine selige Oma gerne sagte: Auch ein reicher Mensch isst nur einmal Abendbrot.

Ich hoffe ich konnte zum Nachdenken anregen. Der zweite und dritte Teil des Artikels waren von gewohnt hoher Qualität.

Liebe Grüße

Martin Wolterstorff


Leserbriefe zu Venezuela

6. Leserbrief

Warum Washington seit Jahren Regime-Change in Venezuela betreibt: 

Das Land besitzt die größten Erdöl- und die achtgrößten Erdgasreserven des Planeten. Die jetzige, demokratisch gewählte Regierung in Caracas will diesen immensen Reichtum selbst verwalten und dem eigenen Volk zugute kommen lassen. Venezuela verfolgt eine eigenständige Außenpolitik und ist nicht Washington hörig. Venezuela will eine multipolare Weltordnung. Es möchte Gesundheit, Bildung und Kultur für die gesamte Bevölkerung und nicht nur für die Oberschicht. Venezuela hat den Mut, offen den US-Imperialismus zu kritisieren. Das sind die wahren Gründe der US-geführten Umsturzversuche. 

Die USA betrachten ganz Lateinamerika, inklusive seiner Bodenschätze und Märkte, als ihren gottgegebenen Hinterhof, den sie nach Gusto ausbeuten und verwalten dürfen – siehe die schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts formulierte Monroe-Doktrin. 

Wer sich ihr entgegenstellt, muss entfernt werden! 

Claudio Coladangelo


7. Leserbrief

Die Tagesschau selbst bringt inzwischen einige Richtigstellungen, dass z.B. der Grenzübergang noch nie offen war. Selbst das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes wird erwähnt oder dass Bilder, die anti Maduro Demonstrationen belegen sollen, von 2016 sind. Das verrückte ist, man setzt es als Link in aktuelle Artikel, der aktuelle Artikel ist dann aber genauso tendenziös, wie der, für den es eine richtig stellende Ergänzung gibt. Allerdings muss man eine Veränderung in der Vorgehensweise feststellen. Man berichtet nicht mehr von Gewalt gegen Demonstranten. Es wir jetzt behauptet, die Gewalt habe abgenommen, seit dem sich Guaido zum Übergangspräsidenten erklärt hat. Die Zurückhaltung der Polizei wird mit einer Übergangsstimmung erklärt. Der Leser soll es als Verdienst Guaidos ansehen. Statt der Berichte von Polizeigewalt gegen Demonstranten, wird jetzt behauptet, es gäbe in den Armenvierteln Hinrichtungen zur Einschüchterung. Wenn ich aber lese, dass sich fünf Polizisten ganz dicht um zwei Opfer auf einer Ladefläche eines Pickups stellen und sie dann mit Kopfschüssen hinrichten, habe ich da meine Zweifel. Wenn jemand mit Kopfschuss hingerichtet wird, würde ich mich ganz sicher nicht dahinter stellen. Auch die Aussage, das Opfer hätte gefleht, ihn nicht zu erschießen, weil er Familienvater sei, kling nach emotionaler Aufladung via Brutkastenlüge. Bei der Tagesschau gibt es dieses Zitat:

“Die Vereinigten Staaten sind bekannt für ihre Interventionen. Und häufig ist das schief gegangen in der Geschichte. Aber dieses Mal geht es um etwas anderes: Die USA handeln nicht allein. Das ist eine multilaterale Anstrengung – mit Staaten aus der Region und anderen.”

Was ist diesmal anders? Nichts!!! Anders wäre es, wenn statt Zurückhaltung und Unterstützung endlich mal ein Widerstand zu Stande käme. Wenn Venezuela den USA in die Hände fällt, wird es für Kuba schwer, sich zu behaupten. Jetzt, wo das Wettrüsten wieder beginnt und Polen sich schon bereit erklärt hat, bei sich Atomraketen zu stationieren, ist Kuba für den Frieden wichtig. Im kalten Krieg hat man sich auf die Abschreckungstheorie gestützt, um den Krieg zu verhindern. So pervers das auch sein mag, aber wenn Russland nicht die Möglichkeit hat gleich zu ziehen, in dem die Möglichkeit besteht, Atomraketen auf Kuba zu stationieren, wird es wahrscheinlich zur atomaren Aufrüstung in Polen kommen. Hier geht es aber nicht mehr um den Kampf der Systeme, sondern um die Weltherrschaft. Es sind auch nicht die Russen, die dem Amerikaner ihre Vormachtstellung streitig machen, sondern die Chinesen. Je weiter die Chinesen sich militärisch und wirtschaftlich entwickeln um so mehr müssen andere, wie Venezuela, darunter leiden. Die Chinesen kaufen sich mit Geld aus ihrem Export in die Wirtschaft der Welt ein, die Amerikaner nehmen Petrodollar, die CIA und das Militär. Wenn es nicht bald eine stärkere Friedensbewegung gibt als je zu vor, wird es zu einem Kampf um die Vormachtstellung mit militärischen Mitteln kommen. Wirtschaftlich haben die USA bereits verloren. Der Dollar ist das einzige, womit sie sich im Moment noch behaupten können. Mit konventionellen Mitteln können sie, weder gegen Russland noch gegen China und gegen beide gleich gar nicht, gewinnen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass der atomare Erstschlag die einzige Möglichkeit ist, Weltmacht zu bleiben. Was die USA überhaupt nicht vertragen können, ist ein Handel von Öl in anderen Währungen oder freie Energie, die von Öl unabhängig macht. Das beschleunigt den Zerfall ihres Imperiums. Das wichtigste, warum eine Friedensbewegung aber unbedingt notwendig ist, ist der Frieden in der Familie. Ich kenne es zwar nur aus Erzählungen, aber während der Nazizeit ging ein tiefer Riss durch die meisten Familien. Das ist heute wieder so. Ob Flüchtlingspolitik, Brexit, Drohnenkrieg, Sparpolitik, Krankenversicherung und wer weiß was sonst noch. Die Familien sind in vielen Ländern durch die Politik gespalten. Dabei haben doch alle ein gemeinsames Ziel, Frieden. Im Streit wird man ihn aber nie erreichen. Dialog ist die einzige Möglichkeit, auch in Venezuela. Bis jetzt blieben die USA weitgehend von den Folgen ihrer Politik verschont. Der Vietnamkrieg bildet hier die Ausnahme. Jetzt kehren die Folgen aber nach Amerika zurück und dabei meine ich nicht nur den Terrorismus. Nachdem man an vielen Orten der Welt bei der Rohstoffgewinnung ungestraft die Umwelt verseucht hat, ist jetzt ein Umweltbewusstsein entstanden. Jetzt wird verstärkt mit Fracking der Boden im eigen Land vergiftet und das, obwohl es unwirtschaftlich ist. Käme das Fracking-Gas aus Russland, würde man es als „Blut“-Gas bezeichnen.

Wenn eine Regierung irrational handelt, ist es Zeit, sich eine neue zu wählen.

T.A.


8. Leserbrief
Sehr geehrte Redaktion,

habe nur eine kleine Information über Venezuela, was mir aufgefallen ist.

Bei Recherchen über den „Neuen Möchtegern-Präsidenten“ in diesem Land Juan Guaidó, musste ich feststellen das auf Wikipedia die Informationen über die Jahre 2009-2019 komplett fehlen. Das ist schon irgendwie seltsam. Wobei diese Plattform nicht gerade als neutral oder objektiv zu bezeichnen ist, kann doch hin und wieder einiges heraus gelesen werden. Es passt aber in das Gesamtbild des Kandidaten Guaidó. Ebenso die Informationen über Leopoldo López zeigen die seit vielen Jahren aufgebaute Verbindungen dieser zwei Herren. Die Verbindungen des Marco Rubio zu Cuba und Venezuela und dem neuen „Kandidaten“ zeigen das US-Krebsgeschwür, das sich über die ganze Welt ausbreitet und bereits ausgebreitet hat.

Der Redaktion und den Machern der NachDenkSeiten möchte ich noch für die täglichen Informationen danken. Es ist immer wieder erfrischend die NachDenkSeiten zu lesen und zu hören.

Da ist nur zu hoffen das wir auch in Zukunft noch etwas Demokratie erleben dürfen.

Mit demokratischem Gruß
Hans-Jürgen Heyne


Leserbriefe zum CO² Ausstoß der Wälder in Kanada und die Berichterstattung darüber.

9. Leserbrief

Hallo zusammen,

der Beitrag der Tagesschau ist tatsächlich von keiner Sachkenntnis getrübt, weil keiner mehr die 5 Minuten Zeit, um die einfachsten Grundrechenarten anzuwenden:

    Der Wald ist ein CO2 – Speicher, der sich im langjährigen Mittel, wenn man ihn unberührt lässt und wenn es nicht zu starken klimatischen Veränderungen kommt, in einem statischen, stabilen Zustand befindet, d.h. er erzeugt kein CO2 und gibt kein CO2 aber:
  1. Brennt Wald ab, so wird das in den ehemaligen Bäumen gespeicherte CO2 an die Luft abgegeben.
  2. Nun zu den Zahlen der Tagesschau (welche übrigens meinen Recherchen nach falsch sind, aber keinen Nebenkriegsschauplatz, wenn schon die Zahlen der Tagesschau im Zusammenhang Schwachsinn sein müssen): Trotzdem: Allein 2016 hat Kanadas Wald theoretisch 152 Megatonnen CO2 gespeichert. Enorme Waldbrände in dem Jahr und ein massiver Käferbefall, der Bäume absterben ließ, hat aus dem Wald als CO2-Speicher in dem Jahr aber tatsächlich in der Bilanz einen Treibhausgasproduzenten von 92 Megatonnen CO2 gemacht.
  3. Es sind also 92/152*100 Prozent Wald mehr verbrannt als aufgeforstet wurde: das sind etwas mehr als 60% der kanadischen Waldfläche von 226 Mio Hektar, also etwa 136 Millionen Hektar. Da 136 Millionen Hektar immer so schwer vorstellbar ist, ist es vielleicht einfacher, sich klarzumachen, dass dieses in etwa der vierfachen Fläche der Bundesrepublik entspricht.
  4. Mich wundert, dass zwar über Waldbrände in Kalifornien berichtet wurde, wo ja bis zu 10.000 ha Wald in Flammen standen inkl. der Finca von Herr Gottschalk, wir von den viel katastrophaleren Waldbränden (10.000 mal schlimmer) in Kanada hier nur ganz indirekt erfahren ;-)

Mit freundlichen Grüßen
Michael Verner


10. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten,

ich bin etwas ratlos aufgrund des Kommentars einer Leserin bezüglich obengenannten Artikels. Warum ist dieser Artikel Schwachsinn? Ich bin keine Biologin oder Waldforscherin, aber ich glaube gelesen zu haben, dass ein Urwald, der eigentlich eine CO2 Senke sein sollte, CO2 produziert, wenn er nicht mehr gesund ist. Waldbrände gehören dazu und andere Vorgänge, nicht aber gesunde Verrottung durch Bodenpilze etc. Und das CO2 wird wieder aufgebraucht, wenn nach den Waldbränden wieder Wald nachwächst. Das dauert aber erstmal.

Alte Bäume sind ebenfalls gute CO2 Speicher , auch wenn sie kaum noch wachsen. Wenn also die CO2 Bilanz des Walde schlecht ist, heisst das meiner Meinung nach, dass er nicht mehr gesund ist und das sollte doch wohl in der CO2 Bilanz auftauchen.

Im Übrigen müsste es doch internationale Richtlinien dafür geben.

Die ARD hätte das alles vielleicht noch genauer und differenzierter darstellen können, aber ob der Artikel grundsätzlich so falsch ist, da bin ich mir nicht sicher.

Ich werde mich noch genauer informieren, aber wenn diese Leserin diesen Bericht so schrecklich findet, so hätte sie es auch begründen müssen. Die Kommentare auf ARD Tagesschau bringen auch nicht viel Licht in das Dunkel und sind nicht besonders qualifiziert.

Nachtrag:

Habe gerade noch einmal nachgelesen, was in dem Buch „ Endspiel“ steht über die Regenwälder des  Amazonasgebietes und ich bin mir eigentlich sicher, dass das auch auf die nördlichen Wälder übertragen werden kann.

Kanadas Wälder werden teilweise rücksichtslos abgeholzt und dadurch entsteht ein geschädigter Wald, die Böden , die eigentlich viel Kohlendioxid speichern könnten, werden trocken und anfällig für Waldbrände etc.

Kanada kann sicher nicht alle Waldbrände verhindern, doch Häufigkeit und Ausmaß könnten sehr wohl beeinflußt werden durch eine nachhaltige  Waldwirtschaft. Durch die Schädigung der Wälder und der Böden werden diese wertvollen Kohlendioxidsenken zu Kohlendioxidproduzenten.

Die Zusammenhänge sind sehr komplex und können in einem ARD tagesschau Beitrag sicher nicht vollständig dargestellt werden. Mein eigenes Wissen ist sehr bruchstückhaft, aber meiner Meinung nach rechnet sich da Kanada wahrscheinlich wirklich was schön. Ob ein Journalist aus N. Y. einen kritischen Artikel darüber schreiben darf oder soll, darüber will ich nicht urteilen, aber man sollte doch die Kirche im Dorf lassen.

Was die amerikanische Bildung anbetrifft: es ist tragisch genug, dass die Menschen in den Staaten vom Fernsehen verdummt werden, aber die haben teilweise 2 oder 3 Jobs und dass dann am Abend nicht mehr als Fernsehen und Essen drin ist, dass verstehe ich ehrlich gesagt gut und so viel besser sind die Deutschen inzwischen auch nicht mehr.

Das nur am Rande.

Ich hoffe, ich liege mit diesem Beitrag nicht völlig daneben, wenn ja, würde ich mich über eine Richtigstellung freuen.

Mit freundlichen Grüßen,
Maria McCray


11. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten-Redaktion

nein, dieser Artikel ist keinesfalls “wissenschaftlich der pure Schwachsinn“. ARD-Schwarte hat aus einem CBC-Bericht abgeschrieben, den man hier lesen kann und dieser Bericht bezieht sich auf eine Studie der staatlichen Umweltbehörde Natural Ressources Canada der hier zu finden ist.

Der Inhalt der Studie, die anscheinend durch kompetente Wissenschaftler erstellt worden ist, ist für naturwissenschaftlich gebildete Menschen durchaus plausibel: die Wälder der Erde binden riesige Mengen an Kohlenstoff in Form von organischen Molekülen, die sich bei Waldbränden und auch beim Verfaulen wieder in das CO2 verwandeln, aus dem sie beim Wachstum der Bäume entstanden sind.

Damit ist in der Tat ein ernstes Problem angesprochen: wenn der Klimawandel nicht nur mehr Waldbrände, sondern auch ein zunehmendes Baumsterben durch Krankheiten und Schädlingsbefall zur Folge hat (dazu hier ein Bericht), dann kann die CO2-Bilanz der Wälder, die wir uns heute als CO2-Senken vorstellen, positiv werden. Dadurch setzt ein positiver Rückkopplungseffekt ein, der wiederum die Klimaerwärmung verstärkt…

So sehr ich selbst der ARD ebenfalls misstraue: manchmal findet auch ein blindes Huhn ein Korn und, das sollte doch die vorherrschende Tugend bei den Nachdenkseiten sein: nachdenken und recherchieren zahlt sich aus.

Ich grüße sie vielmals
Rainer Fischbach

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